Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert. Unterlassung. Spam-Mail. unverlangte Werbung
Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert einer Klage eines Unternehmers auf Unterlassung der Zusendung unverlangter Werbe-E-Mails ("Spam") richtet sich nach dem klägerischen Unterlassungsinteresse, das maßgeblich an den zu schätzenden zukünftigen betriebswirtschaftlichen Kosten, die bei Fortsetzung zu erwarten wären, zu orientieren ist; die Streitwertfestsetzung kann nicht auf Gewohnheitsrecht oder eine beabsichtigte Sanktionswirkung gestützt werden.
Im Falle von einer Übersendung von ca. 1,5 unverlangten Werbe-E-Mails pro Woche, die auf den ersten Blick als Werbung erkennbar sind, ist ein Streitwert von nicht mehr als 500 € anzusetzen.
Tenor
Der Beklagte wird unter Androhung von Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung verurteilt, es zu unterlassen, der Klägerin Werbeschreiben per E-Mail zuzusenden, sofern nicht deren ausdrückliche Einwilligung vorliegt; ausgenommen ist hiervon die E-Mail-Adresse x@xxx.de, für die der Beklagte bereits eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben hat und hinsichtlich derer das Gericht Erledigung des Rechtsstreits feststellt.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 70,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.11.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Beklagte zu 60 % zu tragen, die Klägerin im Übrigen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt eine Elektrogroßhandlung und unterhält mehrere geschäftliche E-Mail-Adressen, u.a. x@xxx.de, welche sie im geschäftlichen Verkehr als allgemeine Kontaktadresse angibt. Der Beklagte arbeitet als Verkaufs- und Motivationstrainer. Von August bis November 2010 sandte er der Klägerin an die vorgenannte E-Mail-Adresse insgesamt 20 E-Mails unter Betreffzeilen wie "Ihr neuer Motivations-Schub", in denen er für seine Angebote warb.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 3.11.2010 ließ die Klägerin den Beklagten abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern, ferner wurde er unter Fristsetzung bis zum 12.11.2010 zur Begleichung außergerichtlicher Anwaltsgebühren in Höhe von 459,40 € - unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 6.000 € - aufgefordert. Der Beklagte übersandte nicht die vorbereitete Unterlassungsverpflichtungserklärung sondern eine eigene (Bl. 38 GA) unter Weglassung eines Strafversprechens.
Nachdem im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens der Beklagte beschränkt auf die E-Mail-Adresse x@xxx.de eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit insoweit einseitig für erledigt erklärt. Die Klägerin beantragt nun noch,
dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verbieten, der Klägerin Werbeschreiben per E-Mail zuzusenden, sofern nicht deren ausdrückliche Einwilligung vorliegt, mit Ausnahme der E-Mail-Adresse x@xxx.de.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die Klägerin habe der Verwendung ihrer E-Mail-Adresse in einem Double-Opt-In-Verfahren zugestimmt und ist der Auffassung, die Rechtsverfolgung durch einen Anwalt habe ausschließlich sachfremden Interessen gedient, weshalb die hierdurch entstandenen Kosten nicht ersatzfähig seien.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
I.
Das Gericht setzt den Gebührenstreitwert, den es gemäß § 23 Abs. 1 RVG auch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung als Gegenstandswert zugrundelegt, auf 500 € fest. Dieser Bewertung liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Der Gebührenstreitwert bestimmt sich regelmäßig nach §§ 39ff., 48 GKG, wobei in Ermangelung besonderer Vorschriften nur subsidiär auf die Vorschriften der §§ 3ff. ZPO zurückzugreifen ist. Auch wenn die Parteien - mangels eines Wettbewerbsverhältnisses untereinander - vorliegend nicht um wettbewerbsrechtliche Ansprüche streiten, geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung der Zusendung unverlangter E-Mail-Werbung durch ein Unternehmen um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt; denn anders als bei etwa der Abwehr unerwünschter telefonischer Belästigung durch Privatleute (vgl. z.B. BGH NJW 1985, 809) steht hier das wirtschaftliche Interesse eines Unternehmens an der Abwehr der durch unverlangte Werbe-Mails ("Spam") verursachten wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, insbesondere der Arbeitskraftbindung, im Vordergrund. Gemäß § 48 Abs. 1 GKG sind damit die Vorschriften der §§ 3ff. ZPO anwendbar und der Wert ist demnach gemäß § 3 ZPO durch das Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Entscheidend ist das Interesse des Klägers (Zöller-Herget § 3 Rn. 2), wobei Kosten gemäß § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO unberücksichtigt bleiben, ...