Tenor

1. Der in der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.08.2022 zu dem Tagesordnungspunkt 9 gefassten Beschluss nachfolgenden Inhalts

„Dem Eigentümer der Wohneinheit 4, …, werden drei Durchbohrungen der Hausaußenwand mit je 180 mm Durchmesser für den Einbau von Wohnraumlüftungen genehmigt (siehe Eigentümerversammlung vom 28.09.2021, TOP 9 und 13).”

wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist in Ziff. 2. vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Gegenstand der Klage ist die Anfechtung des zu TOP 9 der Eigentümerversammlung der Beklagten vom 17.08.2022 gefassten Beschlusses, dessen Wortlaut sich aus dem Klageantrag ergibt.

Die Klägerin rügt u. a., dass der angegriffene Beschluss zu unbestimmt sei, da unklar sei, in welchem Bereich der Außenwand die Bohrungen erfolgen sollen, ob im Bereich des Bodens der Wohnung 4 oder im Bereich der Wohnungsdecke. Konkludent werde mit den Bohrlöchern auch der Betrieb der Wohnraumlüftung genehmigt, obwohl nicht ansatzweise feststehe, welche Geräte hier zum Einsatz kommen werden, insbesondere seien die mit dem Betrieb verbundenen Geräuschentwicklungen hinsichtlich der Ventilatoren- und Strömungsgeräusche unbekannt, i. ü. ergäbe sich aus dem Beschluss auch nicht, ob die Geräte über einen Ablauffilter verfügen werden.

Mit am 19.09.2022 beim Amtsgericht München eingegangenem und der Verwalterin der Beklagten am 06.10.2022 zugestellten Schriftsatz hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben und diese mit am 17.10.2022 beim Amtsgericht München eingereichtem und der Verwalterin der Beklagten am 06.10.2022 zugestellten Schriftsatz begründet.

Die Klägerin beantragt,

den in der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.08.2022 zu dem Tagesordnungspunkt 9 gefassten Beschluss nachfolgenden Inhalts „Dem Eigentümer der Wohneinheit 4, …, werden drei Durchbohrungen der Hausaußenwand mit je 180 mm Durchmesser für den Einbau von Wohnraumlüftungen genehmigt (siehe Eigentümerversammlung vom 28.09.2021, TOP 9 und 13).” für ungültig zu erklären bzw. seine Nichtigkeit festzustellen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Beschluss sei ausreichend bestimmt.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 01.06.2023. Beweis wurde nicht erhoben.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, §§ 43 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2 c GVG.

2. Sowohl die einmonatige Klage – als auch die zweimonatige Klagebegründungsfrist des § 45 Satz 1 WEG wurden eingehalten.

3. Der angegriffene Beschluss war für ungültig zu erklären, da er unbestimmt ist und daher jedenfalls nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

Ein Vornahme-, Gestattungs- oder Grundlagenbeschluss muss dem Grundsatz der Bestimmtheit genügen. Dazu muss der Beschluss die bauliche Veränderung nach Art, Maß und Umfang genau beschreiben (vgl. OLG Düsseldorf NZM 2006, 702 (793)). Es muss für jeden klar sein, was, wann, wo, von wem, mit welchen Mitteln errichtet/verändert/eingebaut/abgebaut usw. wird. Die Ansicht, wonach dem Bauwilligen auch eine „allgemeine” Gestattung” erteilt werden könne, nach der es im Belieben des Bauwilligen stehen solle, wie und was er baut, also eine Art „Blankettzustimmung” (vgl. OLG Düsseldorf NZM 2006, 702 (793); OLG Zweibrücken NZM 2000, 293 (294); OLG Karlsruhe NZM 1998, 526; BayObLG WE 1997, 236 (237)), teilt das erkennende Gericht nicht. Vielmehr muss der Gegenstand des Vornahme- oder Gestattungsbeschlusses stets klar sein (s.?a. OLG Düsseldorf ZWE 2002, 88 (89)). Die Wohnungseigentümer müssen wenigstens im Kern wissen, was sie erwartet.

Die Wohnungseigentümer sind zwar berechtigt, im Beschluss zur Erreichung der notwendigen Bestimmtheit auf Zeichnungen, Pläne, Baubeschreibungen, Gutachten, behördliche Genehmigungen oder Bilder Bezug zu nehmen und diese als Anlage zur Niederschrift zu nehmen (vgl. OLG München ZMR 2006, 230), vorliegend haben die Wohnungseigentümer von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht, so dass der Beschluss – da völlig unklar bleibt, an welchen Stellen der Hauswand die Löcher gebohrt werden sollen – zu unbestimmt ist und auf Antrag für ungültig zu erklären war (vgl. OLG München ZMR 2006, 230;Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 38-40).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung erfolgte in der öffentlichen Sitzung vom 01.06.2023.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16332481

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