1 Leitsatz
Eine öffentlich abrufbare Annonce, mit der eine Wohnung zur Vermietung explizit "nur an Deutsche" angeboten wird, ist ein ausreichendes Indiz i. S. v. § 22 AGG für eine Benachteiligung dadurch ausgeschlossener nichtdeutscher Bewerber aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft.
2 Normenkette
§ 21 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 AGG; § 253 Abs. 1 BGB
3 Das Problem
Ziel des AGG ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Vermietet ein Vermieter nicht mehr als 50 Wohnungen, kommt das AGG nur eingeschränkt zur Anwendung, d. h., der Vermieter muss nur die Diskriminierungstatbestände "Rasse" und "ethnische Herkunft" beachten (§ 19 Abs. 5 Satz 3 AGG). Keine Anwendung findet das AGG im Bereich der Wohnungsvermietung, wenn der Vermieter oder einer seiner Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzt (§ 19 Abs. 5 Satz 2 AGG). Ferner findet das AGG keine Anwendung, wenn ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Mietvertragsparteien oder ihrer Angehörigen begründet wird (§ 19 Abs. 5 Satz 1 AGG).
Verstöße gegen die Bestimmungen des AGG können insbesondere bereits bei der Auswahl der Bewerber für eine Wohnung eintreten. Das Benachteiligungsverbot bei der Vergabe von Wohnungen verbietet eine Ungleichbehandlung z. B. aufgrund ausländisch klingender Namen auch schon bei der Auswahl derjenigen Mietinteressenten, die zu einem Besichtigungstermin eingeladen werden. Dabei ist nach Auffassung einiger Gerichte auch ein sog. Testing-Verfahren zulässig, mit dem ein Vermieter daraufhin überprüft wird, ob er das Benachteiligungsverbot verletzt, indem ihm Bewerbungen von fiktiven Bewerbern übermittelt werden, die sich nur durch ein Kriterium unterscheiden, aufgrund dessen eine Benachteiligung vermutet wird. Ein solches Testing-Verfahren soll vor Gericht auch als Nachweis für die Benachteiligung verwendet werden können (so z. B. AG Hamburg, Urteil v. 3.2.2017, 811b C 273/15).
4 Die Entscheidung
Der Vermieter hat in der Augsburger Allgemeinen Zeitung sowie auf deren Internetportal eine Wohnung mit folgendem Text angeboten: "1 ZKB 40 qm, sofort, 394 EUR, 102 EUR, EBK, Laminat, Garage auf Wunsch, an Deutsche …".
Beim anschließenden Anruf eines Bewerbers mit ausländisch klingendem Namen soll der Vermieter gesagt haben: "Nein, ich habe 2 Ausländer im Haus. Ich brauche keine mehr." Dazu hat das AG Augsburg entschieden, dass eine öffentlich abrufbare Annonce, mit der eine Wohnung zur Vermietung explizit nur "an Deutsche" angeboten wird, ein ausreichendes Indiz für eine Benachteiligung dadurch ausgeschlossener nichtdeutscher Bewerber aufgrund ihrer Rasse oder ihrer ethnischen Herkunft ist. Dabei trägt der Inserent die Beweislast dafür, dass er nicht gegen die entsprechenden Regelungen des AGG verstoßen hat. Ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis i. S. v. § 19 Abs. 5 Satz 2 AGG, das einer Anwendung des AGG entgegengestanden hätte, wird nach Auffassung des Gerichts in der vorliegenden Wohnanlage mit 17 Parteien nicht mehr begründet.
Das Gericht sprach dem Bewerber eine Entschädigung von 1.000 EUR zu. Dies sei angemessen für eine Benachteiligung durch den Ausschluss von der Vergabe einer Mietwohnung aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft.
5 Entscheidung
AG Augsburg, Urteil v. 10.12.2019, 20 C 2566/19, WuM 2020 S. 777