Ein Schuldverhältnis ist eine Sonderverbindung zwischen 2 oder mehreren Personen (dazu Kap. B.II.1.1.1). Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger nach § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern (die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen, § 241 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Schuldverhältnis kann, woran § 241 Abs. 2 BGB erinnert, nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Neben- und Schutzpflichten
Eine Nebenpflicht i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB kann beispielsweise eine Mitwirkungspflicht oder die Pflicht, Rücksicht zu nehmen, sein.
9.1 Schuldverhältnisse aus Vertrag
Ein Schuldverhältnis wird in der Regel durch ein Rechtsgeschäft (dazu Kap. B.II.1.2) begründet. Dies kann beispielsweise ein Kauf-, Miet-, Dienst- oder Werkvertrag sein.
Recht der Schuldverhältnisse
Das Recht der Schuldverhältnisse bildet das 2. Buch des BGB mit den §§ 241 bis 853 BGB.
Wohnungseigentum
Der BGH sieht aber auch in den Vereinbarungen der Wohnungseigentümer für ihr Verhältnis untereinander, also einem Gesamtakt (dazu unter Kap. B.II.1.2.1), ein derartiges Schuldverhältnis. Aus diesem Schuldverhältnis folgen für die Wohnungseigentümer Treue- und Rücksichtnahmepflichten i. S. v. § 241 Abs. 2 BGB. Ein Wohnungseigentümer hat im Rahmen dieser Sonderverbindung außerdem für das Verschulden von Hilfspersonen nach § 278 BGB einzustehen. Ein Wohnungseigentümer, dessen Sondereigentum einen Wasserschaden erleidet, soll danach ferner z. B. verpflichtet sein, nicht den schädigenden Miteigentümer auf Schadensausgleich in Anspruch zu nehmen, wenn der geltend gemachte Schaden Bestandteil des versicherten Interesses ist, der Gebäudeversicherer nicht Regress nehmen könnte und nicht besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine Inanspruchnahme des Schädigers durch den Geschädigten rechtfertigen.
Verträge zugunsten der Wohnungseigentümer
Ein Vertrag kann einen Schuldner auch verpflichten, seine Schuld gegenüber einem Dritten zu erfüllen. § 328 BGB trifft dazu nähere Bestimmungen. Beispielsweise kann der Verwaltervertrag so vereinbart werden, dass neben der GdWE auch die Wohnungseigentümer das Recht haben sollen, die Erfüllung der Pflichten der Verwaltung zu verlangen.
9.2 Schuldverhältnisse aus Gesetz
Ein Schuldverhältnis kann aber auch schon durch die bloße Aufnahme von Vertragsverhandlungen entstehen (vgl. § 311 Abs. 2 BGB) oder durch das Gesetz begründet werden (gesetzliches Schuldverhältnis). Ein gesetzliches Schuldverhältnis soll unter den Wohnungseigentümern als gemeinsame Eigentümer des gemeinschaftlichen Eigentums bestehen. Ein Wohnungseigentümer hat auch im Rahmen dieser Sonderverbindung für das Verschulden von Hilfspersonen nach § 278 BGB einzustehen.
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Ein gesetzliches Schuldverhältnis ist auch der "Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten eines Dritten".
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
Diese Rechtskonstruktion ist gesetzlich nicht geregelt, hat im rechtlichen Alltag aber große Bedeutung. In diesem Schuldverhältnis gibt es 3 Beteiligte: den Schuldner, den Gläubiger und einen Dritten. Erleidet der Dritte einen Schaden, hat er keinen eigenen vertraglichen Anspruch gegen den Schuldner, weil der Vertrag nur zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner besteht. Besteht zwischen dem Gläubiger und dem Dritten ein Schutz- und Näheverhältnis (z. B. Eltern sind Mieter, ihr Kind verletzt sich im Treppenhaus) zieht die Rechtsprechung den in § 328 BGB geregelten Vertrag zugunsten Dritter als dogmatische Rechtsgrundlage heran und bezieht – sind die nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen alle gegeben – den Dritten in den Schutzbereich des zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Vertrag mit ein. Der Dritte hat damit einen vertraglichen Anspruch gegen den Schuldner (z. B. das Kind gegen den Vermieter).
Nach h. M. müssen 4 Voraussetzungen vorliegen, um dieses gesetzliche Schuldverhältnis annehmen zu können:
- Leistungsnähe des Dritten,
- Gläubigernähe des Dritten,
- Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises für den Schuldner und
- Schutzbedürftigkeit des Dritten.
Dies gilt nicht für den Verwaltervertrag. Seit dem 1.12.2020 bestehen Ansprüche des einzelnen Wohnungseigentümers wegen der Verletzung von Pflichten des Verwalters aus dem zwischen diesem und der GdWE abgeschlossenen Vertrag nur gegenüber der Gemeinschaft. Der zwischen der GdWE und dem Verwalter abgeschlossene Vertrag entfaltet keine drittschützende Wirkung zugunsten des einzelnen Wohnungseigentümers (siehe auch Kap. B.I.8.3.3.2).