1.3.1 Form

Die Anfechtung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Mieter. Eine Teilanfechtung ist ebenso wenig möglich wie eine Teilkündigung. Anfechtungsberechtigt ist der Vermieter.

 
Praxis-Tipp

Anfechtung schriftlich erklären

Die Anfechtung kann auch mündlich erklärt werden, jedoch ist aus Beweisgründen Schriftform anzuraten.

Ob in der Anfechtungserklärung die Gründe der Anfechtung mitgeteilt werden müssen, ist umstritten; es wird empfohlen, die Gründe mitzuteilen.

 
Wichtig

Zugang an alle Mieter

Die Anfechtung muss dem oder den Mietern zugehen.

1.3.2 Frist

Die Anfechtung muss in den Irrtumsfällen ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat.[1]

 
Hinweis

Definition "unverzüglich"

Unverzüglich bedeutet nicht sofort; vielmehr wird dem Vermieter eine angemessene Zeit zur Prüfung und Entscheidung unter Berücksichtigung der Interessen des Mieters zugebilligt.

Für die Fristwahrung genügt die Absendung der Anfechtungserklärung.[2]

In den Fällen der Täuschung beträgt die Anfechtungsfrist 1 Jahr.[3] Die Frist beginnt im Fall der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt.[4] Dies ist dann der Fall, wenn der Vermieter die hinreichende Gewissheit besitzt, dass der Mieter eine falsche Auskunft erteilt hat; bloße Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Mieters genügen insoweit nicht.[5]

 
Wichtig

Frist wahren durch Zugang beim Mieter

Maßgeblich für die Fristwahrung ist hier der Zugang der Anfechtungserklärung beim Mieter.

1.3.3 Wirkung

Die Anfechtung bewirkt, dass das noch nicht vollzogene Mietverhältnis so zu betrachten ist, als sei der Mietvertrag von Anfang an nichtig. Der Mietinteressent hat also keinen Anspruch auf Überlassung der Wohnung.

Bei bereits vollzogenem Mietverhältnis sind die Wirkungen der Anfechtung streitig: Nach einer Ansicht wird die Befugnis zur Anfechtung nach Überlassung der Mietsache an den Mieter durch das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 543 BGB verdrängt.[1] Nach anderer Meinung ist die Anfechtung zwar möglich; hierdurch wird das Mietverhältnis aber entgegen § 142 Abs. 1 BGB nicht rückwirkend (ex tunc), sondern nur mit Wirkung ab Zugang der Anfechtungserklärung (ex nunc) beseitigt.[2]

Nach h. M. gelten beim Mietverhältnis keine Besonderheiten. Danach bewirkt die Anfechtung, dass das Mietverhältnis rückwirkend vernichtet wird.[3] Die rückwirkende Vernichtung des Mietvertrags hat zur Folge, dass die jeweiligen Leistungen der Parteien nach Bereicherungsgrundsätzen[4] abgewickelt werden müssen. Hierfür gilt die sog. Saldotheorie:

  1. Der Vermieter hat Anspruch auf Ersatz des Wertes seiner Leistung.[5] Die Höhe dieses Anspruchs richtet sich nach dem Mietwert. Dies ist die ortsübliche Miete einschließlich der ortsüblichen Nebenkosten.
  2. Hierbei handelt es sich um steuerbaren Umsatz, weil der Wertersatz an die Stelle der Miete tritt. Der Vermieter hat also Anspruch auf die auf den Wertersatz entfallende Mehrwertsteuer.
  3. Die Höhe der Nebenkosten muss der Vermieter konkret darlegen, z. B. durch eine Betriebskostenabrechnung.
  4. Einen Anspruch auf Herausgabe des durch die Untervermietung erzielten Gewinns hat der Vermieter nicht.
  5. Der Mieter hat Anspruch auf Rückzahlung der Kaution.
[1] Sternel, Mietrecht, Rn. I 245.
[2] Blank, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, vor § 535 BGB Rn. 7.
[3] BGH, Urteil v. 6.8.2008, XII ZR 67/06; KG Berlin, NZM 2002 S. 21; Erman/Jendrek, vor § 536 BGB, Rn. 20; N. Fischer, NZM 2005, S. 567; Emmerich, NZM 1998, S. 692, 694.

1.3.4 Vermieterwechsel

Wird die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung vor dem Eigentumsübergang wirksam angefochten, erlischt das Mietverhältnis; der Erwerber tritt lediglich in das Abwicklungsverhältnis ein.

Wird ein bestehendes Anfechtungsrecht nicht ausgeübt ("schwebende Anfechtungslage"), kommt nach h. M. im Fall der Veräußerung mit dem Erwerber ein neues Mietverhältnis zustande (Novation). Dies hat u. a. zur Folge, dass das Anfechtungsrecht des Veräußerers mit dem Eigentumsübergang erlischt.

In der Literatur wird die Theorie der Novation teilweise abgelehnt und vertreten, dass der Erwerber im Fall der Veräußerung in vollem Umfang in das Mietverhältnis eintritt, weil § 566 BGB zu einer gesetzlichen Vertragsübernahme führt.[1] Nach dieser Ansicht erlischt das Anfechtungsrecht nur ausnahmsweise, wenn sich der Anfechtungsgrund nicht mehr auf das Mietverhältnis auswirkt.

[1] Dötsch, ZMR 2011, S. 257, 263.

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