1 Leitsatz

Eine ordnungsmäßige Klageerhebung setzt grundsätzlich die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers voraus. Es reicht nicht aus, die Adresse eines Postdienstleisters anzugeben, der lediglich mit der Weiterleitung der an den Kläger gerichteten Post beauftragt ist.

2 Normenkette

§ 253 Abs. 2 ZPO; § 44 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümerin K erhebt eine Anfechtungsklage. Dort ist als ihre Adresse die Adresse eines in Deutschland ansässigen Postdienstleisters angegeben. Diesen hat K, die nicht in Deutschland wohnt, vertraglich verpflichtet, Post an sie weiterzuleiten. Sie selbst hält sich unter der Anschrift des Postdienstleisters nicht auf. Ihre Wohnanschrift teilt K nicht mit. Mit der Anfechtungsklage will K verschiedene in einer Versammlung im April 2021 gefasste Beschlüsse für ungültig erklären lassen. Das AG weist die Klage als unzulässig ab, da es an einer ladungsfähigen Adresse der K fehle. Die hiergegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt K ihre Anträge weiter.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Eine Klageschrift müsse den Wohnort des Klägers enthalten. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift diene der Identifizierung des Klägers. Gleichzeitig dokumentiere dieser mit der Angabe seine Bereitschaft, sich möglichen nachteiligen Folgen des Prozesses, insbesondere einer Kostentragungspflicht, zu stellen und damit den Prozess nicht aus dem Verborgenen heraus zu führen. Zudem werde dem Gericht nur durch die Angabe einer Adresse ermöglicht, das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen. Die Adresse des Postdienstleisters reiche daher nicht für eine ordnungsmäßige Klageerhebung. Eine Zustellung nach § 177 ZPO durch Übergabe an K scheide unter der angegebenen Anschrift aus. Denn K halte sich an der Adresse des Postdienstleisters nicht auf. Sie habe dort weder ihre Wohnung im Sinne ihres tatsächlichen Lebensmittelpunktes, noch einen Geschäftsraum noch sei sie dort sonst anzutreffen. K habe auch keine Gründe benannt, warum ihr die Angabe eines Ortes, an dem sie sich tatsächlich aufhalte, nicht möglich oder zumutbar sei.

5 Hinweis

Problemüberblick

Auf die Klageschrift sind nach § 253 Abs. 4 ZPO die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze anzuwenden. Nach § 130 Nr. 1 Hs. 1 ZPO bedarf es deshalb u. a. der Angabe des Wohnorts – das ist auch der Name der Straße und die Hausnummer – der klagenden Partei. Gibt die klagende Partei keine Adresse an und nennt daher auch keine triftigen Gründe für die Vorenthaltung, gibt sie zu erkennen, dass sie den Prozess aus dem Verborgenen führen will, um sich einer möglichen Kostenpflicht zu entziehen. Dieses Verhalten sieht der BGH in ständiger Rechtsprechung als rechtsmissbräuchlich an. Dies gilt auch dann, wenn die klagende Partei durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird. Etwas Anderes gilt, wenn die klagende Partei "triftige" Gründe für ihr Verhalten hat. Dies können beispielsweise schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sein. In derartigen Fällen ist aber wenigstens zu fordern, dass dem Gericht die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift verzichtet werden kann. Wird diese Information hingegen – wie im Fall – schlechthin oder ohne zureichenden Grund verweigert, liegt keine ordnungsmäßige Klageerhebung vor, mit der Folge, dass das Rechtsschutzgesuch als unzulässig abzuweisen ist.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Die Verwaltung sollte stets bemüht sein, die aktuellen Wohnanschriften der Wohnungseigentümer zu kennen. Sie kann die Wohnungseigentümer aber nicht zwingen, die Adressen anzugeben. Die Verwaltung bedarf einer Adresse u. a. zur Kommunikation, für Ladungen und für Klagen.

6 Entscheidung

BGH, Urteil v. 7.7.2023, V ZR 210/22

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