1 Leitsatz
Erhebt ein Wohnungseigentümer Klage gegen die anderen Wohnungseigentümer, kann dies als Klage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgelegt werden.
2 Normenkette
§ 44 Abs. 1 Satz 1 WEG; § 319 ZPO
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K erhebt Anfang 2020 wegen mehrerer Beschlüsse eine Anfechtungsklage"gegen die übrigen Eigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft". Als Verwalterin und Beizuladende gibt er die X-GmbH an. Das AG geht dennoch davon aus, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Beklagte ist. Es stellt daher die Klage der X-GmbH als deren Vertreterin zu. Die X-GmbH tritt im weiteren Verfahren der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Streithelferin bei. Sie meint, K habe die anderen Wohnungseigentümer beklagt.
Jetzt rückt das AG von seiner bisherigen Ansicht ab. Es erlässt ein Zwischenurteil. Mit diesem weist es den Antrag des K, den ursprünglichen Beklagten in die "Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" zu ändern, zurück. Aus der Klageschrift lasse sich nicht ausreichend entnehmen, dass es sich lediglich um eine Falschbezeichnung gehandelt habe. Gegen dieses Zwischenurteil geht K vor. Aus der Klageschrift lasse sich seines Erachtens erkennen, dass es sich um eine Anfechtungsklage handele. Auch sei bereits in der Klageschrift der Verwalter angegeben worden. Das Gericht habe dementsprechend eine Rubrumsberichtigung vorgenommen und nach dieser die Klage dem Verwalter zugestellt. Es werde weiterhin davon ausgegangen, dass jedenfalls ein Parteiwechsel sachdienlich und zulässig sei.
4 Die Entscheidung
Die sofortige Beschwerde ist nach Ansicht des LG zulässig und begründet! Nach einer Auslegung sei die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Beklagte anzusehen. Wer Partei eines Zivilrechtsstreits sei, ergebe sich aus der in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung. Maßgebend sei, welcher Sinn dieser prozessualen Erklärung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhaltes aus Sicht der Empfänger beizulegen sei. Deshalb sei bei objektiv unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die fehlerhafte Parteibezeichnung betroffen werden sollte. Für die Ermittlung der Parteien durch Auslegung ihrer Bezeichnung seien nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gelte der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhaften Bezeichnung scheitern dürfe, wenn die gegebenen Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen ließen. Selbst bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung sei grundsätzlich diejenige Partei angesprochen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden solle.
Danach sei die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Beklagte anzusehen. Die Klage sei wenige Tage nach Inkrafttreten des WEMoG eingegangen, welches grundlegende – auch gerade verfahrensrechtliche – Neuerungen mit sich gebracht habe. Richte sich – wie hier – die Klage nur gegen einige bzw. einen Wohnungseigentümer, sei aber erkennbar, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagt werden solle, so sei das Rubrum von Amts wegen entsprechend zu berichtigen (Hinweis auf Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 44 Rn. 41). Die Formulierung der Parteibezeichnung in der Klage sowie die Nennung des Verwalters als Beizuladender habe der bis zum Inkrafttreten des WEMoG gebräuchlichen Parteibezeichnung entsprochen. Eine Gesamtschau lasse daher mit noch hinreichender Deutlichkeit auf eine Klage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schließen. Es liege eine reine – und damit unschädliche – Falschbezeichnung vor.
Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass sich auch bei Annahme eines – zweifellos zulässigen – Parteiwechsels keine andere Lösung ergeben würde. Soweit in der Literatur vertreten werde, für eine fristwahrende Umstellung der Klage im Sinne eines privilegierten Beklagtenwechsels sei nach der Aufhebung des § 44 WEG a. F. kein Raum mehr, könne dahinstehen, ob dieser Auffassung tatsächlich zu folgen sei. Denn die Klage sei unter Beachtung von § 167 ZPO binnen der Frist des § 45 WEG von vorneherein der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als der richtigen Beklagten über den Verwalter zugestellt worden.
5 Hinweis
Problemüberblick
Seit dem 1.12.2020 sind die Beschlussklagen, also Anfechtungsklage, Nichtigkeitsklage und Beschlussersetzungsklage, nach § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Bis dahin waren die Beschlussklagen gegen die Wohnungseigentümer zu richten.
Für eine Übergangszeit war zu erwarten, dass Wohnungseigentümer diese Rechtslage noch nicht kennen und versehentlich noch die Wohnungseigentümer verklagen (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, 1. Auflage, Kap. 14 Rn. 108). Da die Anfechtungsfrist für eine Anfechtungsklage nach § 45 Satz 1 WEG nur 1 Monat beträgt, kann ein Wechsel d...