1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer kann gegenüber Forderungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht aufrechnen.
2 Normenkette
§ 28 WEG; §§ 242, 387 BGB
3 Das Problem
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K nimmt die B-GmbH sowie deren Gesellschafter B1 und B2 auf Zahlung von Hausgeld in Höhe von 292,81 EUR in Anspruch. Die Beklagten rechnen mit einem behaupteten Anspruch gegen K in Höhe von 2.190,30 EUR auf. Fraglich ist, ob die Beklagten überhaupt aufrechnen können.
4 Die Entscheidung
Das AG meint, eine Aufrechnung sei im Fall nicht möglich! Die Aufrechnung sei nach § 242 BGB ausgeschlossen. Die Aufrechnung mit Gegenansprüchen eines Wohnungseigentümers sei gegenüber dem Beitragsanspruch der Gemeinschaft nach § 242 BGB grundsätzlich ausgeschlossen, weil die Liquidität und damit die ordnungsmäßige Verwaltung ohne laufende Beitragsleistungen der Wohnungseigentümer gefährdet seien. Die Wohnungseigentümer unterlägen gegenüber der Gemeinschaft einer Treuepflicht. Ausgenommen vom Aufrechnungsverbot seien in Anlehnung an § 309 Nr. 3 BGB nur unstreitige, anerkannte oder rechtskräftig titulierte Forderungen des die Aufrechnung erklärenden Wohnungseigentümers.
Berufe sich der aufrechnende Wohnungseigentümer auf ein Anerkenntnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, so sei die Aufrechnung ausgeschlossen, wenn die Abgabe des Anerkenntnisses von der Gemeinschaft bestritten werde oder diese behaupte, sie habe die anerkannte Forderung mit anderen (streitigen) Rückständen des Wohnungseigentümers verrechnet. Zwar habe K erklärt, es gebe entsprechende Guthaben der B-GmbH, denen "wahrscheinlich" entsprechende Beschlüsse zugrunde lägen. Hieraus folge jedoch kein Anerkenntnis, weil K im Rechtsstreit die "Aktivlegitimation" der B-GmbH bestritten habe. K habe erklärt, dass die Einheiten, auf die etwaige Guthabenbeträge entfallen, nicht mehr vollständig im Eigentum der B-GmbH stünden. Damit sei die Gegenforderung jedenfalls teilweise streitig.
Auch bei unterstellter Aktivlegitimation der B-GmbH sei im Übrigen eine Aufrechnung ausgeschlossen, weil K erklärt habe, die Guthabenbeträge bereits mit Gegenforderungen (Kosten für die Führung von Rechtsstreitigkeiten) verrechnet zu haben.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall wird die Frage gestellt, ob ein Wohnungseigentümer gegen den Anspruch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Vor- und/oder Nachschuss aufrechnen kann.
Aufrechnung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Ein Wohnungseigentümer kann nach herrschender Meinung gegenüber Vor- und/oder Nachschüssen grundsätzlich nicht aufrechnen. In Anlehnung an § 309 Nr. 3 BGB sind allerdings Ausnahmen für anerkannte, unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen des Hausgeldschuldners gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu machen. Den anerkannten, unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen seien Ansprüche des Hausgeldschuldners aus Notgeschäftsführung gemäß § 18 Abs. 3 WEG sowie Ansprüche aus §§ 670, 680, 683, 812 ff. BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag) gleich zu stellen.
Etwas Anderes kann auch dann gelten, wenn die Gegenforderung infolge eines pflichtwidrigen Verhaltens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, vor allem ihrer Organe, entstanden ist. Gegenüber ehemaligen Wohnungseigentümern ist die Rechtslage entsprechend.
Im Fall geht es um die Ausnahme "anerkannte" Forderung. Ein solches Anerkenntnis ist möglich und muss von der Verwaltung namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgegeben werden. Ist es einmal abgegeben worden, kann es nicht mehr, wie das AG annimmt, gleichsam "kassiert" (= zurückgenommen) werden.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Im Fall heißt es, es gebe Guthaben, denen Beschlüsse zugrunde lägen. Das ist in Bezug auf das Hausgeld aber nicht möglich. Die Wohnungseigentümer beschließen gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG nach Ablauf des Kalenderjahres über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Kommt es zu einer Anpassung der Vorschüsse, kann einem Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zwar ein Guthaben zustehen. Dies ist der Fall, wenn er sämtliche Vorschüsse vollständig bedient hat. Dieses Guthaben wird aber nicht beschlossen: Es entsteht "faktisch". Wie im Fall ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Übrigen berechtigt, gegen ein Guthaben eines Wohnungseigentümer aufzurechnen.
6 Entscheidung
AG Wilhelmshaven, Urteil v. 5.5.2023, 6 C 123/22