Alexander C. Blankenstein
Zusammenfassung
Ein Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 17.5.2023 und ein Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion vom 23.5.2023 sehen die Ausgestaltung von Steckersolargeräten, sog. Balkonkraftwerken, als privilegierte bauliche Veränderung vor. Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums geht hierüber noch hinaus und will den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz zur Durchführung rein virtueller Wohnungseigentümerversammlungen für einen Zeitraum von 3 Jahren verleihen.
1 Derzeitige Problematik der Balkonkraftwerke
1.1 Bauliche Veränderung
Vor dem Hintergrund, dass Balkonkraftwerke auch ohne Substanzeingriff mittels Rohrschellen am Balkon befestigt werden können, hat zwar der BGH immer noch nicht klargestellt, ob eine bauliche Veränderung auch ohne Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums durch bloße Veränderung dessen äußerer Gestaltung vorliegt. Die Instanzrechtsprechung tendiert indes stets zu dieser Annahme, wenn die Baumaßnahme auf die optische Gestaltung des Gemeinschaftseigentums wesentlich abändernd einwirkt. So wurde eine bauliche Veränderung beim Aufstellen einer mobilen Parabolantenne (OLG Köln, Beschluss v. 5.11.2004, 16 Wx 207/04) ebenso angenommen wie bei dem Spannen eines Katzennetzes im Bereich des Balkons (AG Oberhausen, Urteil v. 10.5.2011, 34 C 130/10) und sogar im Fall einer mit Kabelbindern und Tesafilm angebrachten Lichterkette am Balkongeländer (LG Köln, Beschluss v. 11.2.2008, 29 T 205/06) – und aktuell auch im Fall eines Balkonkraftwerks (AG Konstanz, Urteil v. 9.2.2023, 4 C 425/22 WEG). Auch bereits beim bloßen Befestigen des Balkonkraftwerks – etwa mit Rohrschellen am Balkon – ist daher eine bauliche Veränderung anzunehmen und daher ein entsprechender Gestattungsbeschluss erforderlich.
1.2 Anspruch entsprechend § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG?
Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) hat den Wohnungseigentümern seit seinem Inkrafttreten am 1.12.2020 einen Anspruch auf Gestattung bestimmter baulicher Veränderungen verliehen. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 WEG handelt es sich dabei um bauliche Veränderungen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchschutz und dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität dienen. Direkt unter diese privilegierten Tatbestände lassen sich Balkonkraftwerke nicht subsumieren, auch wenn sich gewisse Parallelen zur privilegierten baulichen Veränderung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG, also dem Anspruch auf Gestattung baulicher Maßnahmen zum Laden von E-Mobilen, nicht leugnen lassen und durchaus angedacht werden kann, ob ggf. auch ein Anspruch auf Montage eines Balkonkraftwerks besteht, soweit dieses (auch) zum Laden von E-Mobilen dient (so Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl. 2023, § 20 Rn. 241).
Verneint man den Anspruch (so AG Konstanz, Urteil v. 9.2.2023, 4 C 425/22 WEG), kommt im Übrigen eine analoge Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht in Betracht. Die analoge Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift setzt allgemein das Vorliegen einer planwidrige Regelungslücke voraus: Der Gesetzgeber hat versehentlich einen Fall nicht geregelt, den er ansonsten geregelt hätte. Dies ist aber gerade mit Blick auf Maßnahmen der Solarthermie nicht der Fall. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durchaus vorgeschlagen wurde, die Bestimmung des § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG als offene Regelbeispielnorm auszugestalten, sodass auch bauliche Veränderungen, gerichtet etwa auf die Gewinnung von Solarstrom, unabhängig von den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG hätten beansprucht werden können.
1.3 Anspruch nach § 20 Abs. 3 WEG
§ 20 Abs. 3 WEG verleiht jedem Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Gestattung von – auch nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG privilegierten – baulichen Veränderungen, soweit mit der baulichen Veränderung für andere Wohnungseigentümer kein rechtlich relevanter Nachteil verbunden ist oder Wohnungseigentümer, die einen derartigen Nachteil erleiden werden, ihr Einverständnis mit der baulichen Veränderung erklärt haben. Rechtlich relevant ist ein Nachteil dann, wenn er das Maß des Unvermeidbaren bei einem geordneten Zusammenleben überschreitet. Als ein derartiger Nachteil wird auch eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage angesehen. Insoweit wurde aktuell entschieden, dass auch ein am Balkon moniertes Balkonkraftwerk mit einer Fläche von 1,7 qm im Verhältnis zur Gesamt-Fassadenfläche von 920 qm einen relevanten Nachteil darstellt und somit einen Gestattungsanspruch nicht auslöst (AG Konstanz, Urteil v. 9.2.2023, 4 C 425/22 WEG). Anderes dürfte aber wohl dann gelten, wenn im Fall von in Reihenhäusern geteilten Anlagen Balkonkraftwerke im Bereich der jeweiligen Terrassen oder im Bereich der Dachterrasse montiert und von außen nicht wahrnehmbar sind.
1.4 Gestattung nach § 20 Abs. 1 Alt. 2 WEG
Unproblematisch stellt sich nach derzeitiger Rechtslage nur der Gestattungsbeschluss nach § 20 Abs. 1 Alt. 2 WEG dar. Hiernach kann einem Wohnungseigentümer durch einfachen Mehrheitsbeschluss eine Maßnahme der baulichen Veränderung gestattet werden. Ein derartiger Beschluss entspricht auch ...