Kathrin Gerber, Andrea Nasemann
Ein Überbau kommt vor allem bei Gebäuden vor, die schon vor langer Zeit errichtet wurden. Heutzutage werden die Grundstücke meist genauer vermessen und abgemarkt als vor dem Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900, wodurch ein Überbau besser verhindert werden kann. Von einem Überbau spricht man dann, wenn der Nachbar über seine Grundstücksgrenze hinaus auf das Nachbargrundstück baut. Gemeinhin kann sich der Nachbar gegen solche Eingriffe in sein Eigentumsrecht wehren und seinen Anspruch auf Beseitigung geltend machen (§ 1004 BGB). Bei einem Überbau sieht dies allerdings anders aus, hier hat der Gesetzgeber Sonderregelungen getroffen, nämlich die §§ 912 bis 916 BGB. Dies wird damit begründet, dass wirtschaftliche Werte – etwa ein Balkon, der den Wert eines (Miets-)Hauses erhöht – möglichst erhalten werden sollen und deshalb der Nachbar die Grenzverletzung dulden muss.
Ein Gebäude ist ein Bauwerk mit Dach und Außenmauern, das Schutz gegen äußere Einflüsse gewährleistet und von Menschen betreten werden kann. Ein Carport, eine Grenzmauer oder eine Pergola sind demnach keine Gebäude. Werden solche Anlagen über die Grenze zum Nachbarn gebaut, kann dieser die Beseitigung verlangen. Handelt es sich um ein Gebäude, das über die Grenze ragt, kommen die Überbauvorschriften zum Zuge. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Überbau auf der Erdoberfläche, im Luftraum oder unterhalb der Erdoberfläche befindet. Es muss sich auch nicht um die erstmalige Errichtung eines Gebäudes handeln. So kann es auch zu einem Überbau kommen, wenn an ein bereits bestehendes Gebäude angebaut wird. Grenzverletzungen sind in dieser geschützten Rechtssphäre aus den bereits genannten Gründen möglich. Jedoch darf ein bereits von Ihnen zu duldender Überbau nicht erweitert werden.
Wird nun ein Gebäude über die Grenze zum Nachbarn gebaut, ist weiterhin Voraussetzung, dass es sich um ein einheitliches Gebäude handelt. Der überbaute Teil auf dem Nachbargrundstück muss also mit dem Gebäude eine Einheit bilden, das auf dem Nachbargrundstück steht, von dem der Überbau ausgeht (sog. Stammgrundstück). Dagegen kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang Ihr Grundstück durch den Überbau betroffen ist.
4.1 Wann ist ein Überbau rechtswidrig?
Bei der Frage, ob Sie den Überbau dulden müssen, kommt es entscheidend darauf an, ob der überbauende Nachbar, also der Eigentümer des Stammgrundstücks, vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Ist ihm ein solches Handeln nachzuweisen, könnten Sie die Entfernung des beanstandeten Überbaus verlangen. Grob fahrlässiges Handeln liegt etwa dann vor, wenn es der bauende Nachbar versäumt hat, sich vor der Baumaßnahme über den Grenzverlauf zu unterrichten, nach Grenzzeichen zu suchen und trotz Zweifeln die Vermessungsbehörde einzuschalten. Der Überbauende muss ferner beweisen, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. Ihm wird dabei das Handeln seines Architekten zugerechnet, nicht jedoch ein Verschulden des Bauunternehmers und dessen Gehilfen.
Verspäteter Widerspruch
In einem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall erhob der Nachbar erst Widerspruch, als das Gebäude bereits im Rohbau fertig war. Dieser Widerspruch kam zu spät, entschieden die Richter und wiesen die Klage des betroffenen Nachbarn ab.
Soweit der bauende Grundstücksnachbar böswillig gehandelt hat, muss er den Überbau beseitigen. Eine Ausnahme machen die Gerichte nur dann, wenn durch den Überbau für den Nachbarn nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen entstehen. Hat der betroffene Nachbar das Grundstück allerdings gekauft und der vormalige Eigentümer dem Überbau schriftlich zugestimmt, muss sich der neue Eigentümer dies zurechnen lassen.
4.2 Das können Sie tun: Aufforderung zur Beseitigung eines Überbaus
Wenn Ihr Grundstücksnachbar auf seinem Grundstück anbaut oder neu bauen will, sollten Sie die Baumaßnahmen sorgfältig beobachten. Sie müssen nämlich sofort vor oder nach der Grenzverletzung Widerspruch erheben, um Aussicht auf Erfolg zu haben. Dafür ist weder eine besondere Form noch eine Begründung notwendig. Dennoch sollten Sie immer schriftlich protestieren und den Widerspruch dem Nachbarn auch nachweisbar zustellen, also entweder per Einschreiben/Rückschein oder per Boten. Der Bote sollte dann auf dem Durchschlag des Schreibens festhalten, dass er vom Inhalt des Schreibens Kenntnis genommen und wann er es in den Briefkasten des Nachbarn eingeworfen hat.
Musterschreiben: Aufforderung zur Beseitigung eines Überbaus
Anschrift
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Überbau Ihres Grundstücks
Sehr geehrte/r Frau/Herr _____________,
gestern musste ich feststellen, dass Sie mit Ihrem im Bau befindlichen Anbau die Grundstücksgrenze meines Grundstücks, Gemarkung __________, Flur __________, Flurstück __________ überbaut haben. Dies dulde ich nicht und fordere Sie deshalb auf, diesen Überbau zu beseitigen.
Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift
4.3 Der rechtmäßige Überbau
Haben Sie dem Grenzüberbau vorher zugestimmt, spricht man nicht mehr von einem Überbau. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte die Zust...