Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach über 18 Jahren namens der Wohnungseigentümer noch Rechte gegen den Bauträger geltend machen kann.
Mängelrechte
Der Vorschussanspruch ist ein Mängelrecht, welches 5 Jahre nach der Abnahme verjährt. Gibt es keine Abnahme, gibt es auch keine Verjährung. Allerdings gibt es dann eigentlich auch keine Mängelrechte. Der BGH meint hier seit Langem, der Bauträger dürfe sich auf diesen Umstand nicht berufen (= es gibt Mängelrechte, obwohl es das Gesetz anders sieht).
Abnahmeklauseln
Es ist nach §§ 640, 641 BGB Sache der einzelnen Erwerber, eine vom Bauträger geschuldete Leistung entgegenzunehmen und über ihre Ordnungsmäßigkeit zu entscheiden. Das gilt auch für das gemeinschaftliche Eigentum. Bauträger haben jedoch ein Interesse daran, dass das gemeinschaftliche Eigentum zeitgleich und einheitlich durch eine Person rechtlich abgenommen wird. Viele Bauträgerverträge sehen daher – wie hier – die Abnahme durch einen Sachverständigen vor. Die Gerichte halten das, wie der Fall zeigt, für unwirksam. Beanstandet wird insbesondere Folgendes:
- Verdrängungseffekt: Unwirksam sind Klauseln, die dem Erwerber faktisch jede Möglichkeit nehmen, eine Abnahme durch den Bevollmächtigten zu verhindern – insbesondere durch unwiderrufliche Vollmachten oder einen (scheinbaren) Ausschluss des originären Rechts, selbst die Abnahme zu erklären.
- Mangelnde Neutralität: Der Erwerber wird unangemessen benachteiligt, wenn der Abnehmende nicht unabhängig und neutral ist, sondern "aus dem Lager" des Bauträgers kommt.
Beschlusskompetenz
Die Rechte wegen Mängeln des gemeinschaftlichen Eigentums aus den mit dem Bauträger geschlossenen Verträgen stehen sämtlichen Wohnungseigentümern als Erwerbern zu. Jeder Erwerber von Wohnungseigentum ist grundsätzlich berechtigt, seine individuellen Rechte aus dem Vertrag mit dem Bauträger selbständig zu verfolgen, solange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Bauträgers nicht beeinträchtigt sind. So kann der Erwerber die nicht gemeinschaftsbezogenen Rechte auf großen Schadensersatz oder Rücktritt selbständig geltend machen. Aber auch die auf ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Mängelansprüche kann der Erwerber grundsätzlich selbständig verfolgen.
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist hingegen für die Geltendmachung und Durchsetzung solcher Rechte zuständig, die ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen sind und ein eigenständiges Vorgehen des einzelnen Wohnungseigentümers nicht zulassen. Das betrifft die Rechte auf Minderung und auf kleinen Schadensersatz.
Darüber hinaus kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums die Ausübung der auf die ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Rechte der einzelnen Erwerber aus den Verträgen mit dem Bauträger durch Beschluss an sich ziehen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist insoweit anerkannt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beschließen kann, wegen eines Mangels des gemeinschaftlichen Eigentums Vorschuss zu fordern oder einen auf die Beseitigung von Mängeln des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Erfüllungs- oder Nacherfüllungsanspruch durchzusetzen.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Eine Verwaltung muss wissen, dass eine Abnahmeklausel, wie sie im Sachverhalt berichtet wird, unwirksam ist, und auf der Abnahmeklausel beruhende Erklärungen, gäbe es diese, ins Leere gehen. Der Fall zeigt damit, dass gegebenenfalls Jahrzehnte nach Bezug der Wohnungen noch Rechte der Wohnungseigentümer gegen den Bauträger bestehen können. In geeigneten Fällen sollte die Verwaltung den Wohnungseigentümern von diesem Umstand berichten. Dann ist zu klären, ob man mit Hilfe eines Rechtsanwalts versucht, mögliche Rechte noch durchzusetzen. Ob dies gelingen kann, ist eine Fallfrage. Die Verwaltung trifft jedenfalls für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Informationspflicht, dass solche Rechte nicht vollständig ausgeschlossen sind.