Verfahrensgang
LG München II (Aktenzeichen 9 O 4864/22 Fin) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht Kempten (Allgäu).
Gründe
I. Die seit 22. September 2020 unter Betreuung stehende, im Bezirk des Landgerichts München II wohnhafte Antragstellerin macht mit ihrer zu diesem Gericht erhobenen Klage vom 30. Dezember 2022 gegenüber den Antragsgegnerinnen Rückzahlungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend. Die Antragsgegnerin zu 1) ist ein zum ...-Konzern gehörendes Finanzdienstleistungsunternehmen mit Sitz im Landgerichtsbezirk Braunschweig. Bei der Antragsgegnerin zu 2) handelt es sich um ein im Landgerichtsbezirk Kempten (Allgäu) ansässiges Autohaus.
Zur Begründung der Klage trägt die Antragstellerin vor, sie habe im Herbst 2017 bei der Antragsgegnerin zu 2) einen Neuwagen zum Preis von 42.584,60 EUR bestellt bzw. erworben. Auf den Kaufpreis habe sie an die Antragsgegnerin zu 2) eine Anzahlung von 10.000,00 EUR geleistet. Auf Vermittlung der Antragsgegnerin zu 2) habe sie am Tag der Bestellung des Fahrzeugs mit der Antragsgegnerin zu 1) einen Darlehensvertrag zur Finanzierung des restlichen Kaufpreises zuzüglich der Kosten für einen Kreditschutzbrief geschlossen und ihr das Fahrzeug sicherungsübereignet. In der Folgezeit habe die Antragstellerin zur Tilgung des Darlehens (einschließlich Kosten für Rücklastschriften und Mahngebühren) 13.719,00 EUR an die Antragsgegnerin zu 1) gezahlt. Sämtliche Verträge seien nichtig, da die Antragstellerin bereits bei Vertragsschluss im Jahr 2017 aufgrund einer Alkoholerkrankung geschäftsunfähig gewesen sei.
Die Antragsgegnerin zu 1) sei deshalb gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verpflichtet, die erhaltenen 13.719,00 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zurückzuerstatten zuzüglich entstandener Rechtsverfolgungskosten, die Antragsgegnerin zu 2) schulde die Rückzahlung der ohne Rechtsgrund erhaltenen Anzahlung von 10.000,00 EUR nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Das streitgegenständliche Fahrzeug befinde sich derzeit im Bezirk des Landgerichts München II, so dass aufgrund der geltend gemachten Rückabwicklung des Kaufvertrags dieser Ort als einheitlicher Erfüllungsort und damit Gerichtsstand im Sinne des § 29 ZPO anzusehen sei. Für die Klage auf Feststellung des Nichtbestehens oder auf Rückzahlung des Darlehens liege der Erfüllungsort am Wohnsitz der Darlehensnehmerin zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung. Das Landgericht München II sei damit für die Klageanträge gegen beide Beklagte örtlich zuständig.
Beide Antragsgegnerinnen haben in der Klageerwiderung die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts München II gerügt. Erfüllungsort für den Kauf- und den Darlehensvertrag sei der Ort des Vertragsschlusses am Sitz der Antragsgegnerin zu 2) in Füssen.
Mit Verfügung vom 20. Februar 2023 hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München II bestünden. Beide Beklagte hätten ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts und dessen Unzuständigkeit gerügt. Der geltend gemachte Anspruch gegenüber der Beklagten zu 1) beruhe auf Bereicherungsrecht und nicht auf einer vertraglichen Grundlage, wie dies § 29 ZPO voraussetze. Selbst wenn man mit Teilen der Literatur § 29 ZPO ausnahmsweise bei bereicherungsrechtlichen Ansprüchen für anwendbar erachte, sofern es um die Rückabwicklung eines nichtigen Vertrags gehe, finde die Saldotheorie nach ständiger Rechtsprechung keine Anwendung, wenn der Vertrag - wie hier von Klageseite behauptet - wegen Geschäftsunfähigkeit des Bereicherungsgläubigers unwirksam sei und dieser die Rückabwicklung begehre. Abgesehen davon bestehe bei bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung von Darlehensverträgen - die Anwendbarkeit von § 29 ZPO trotz der behaupteten Geschäftsunfähigkeit unterstellt - weitgehende Einigkeit innerhalb dieser Ansicht, dass kein gemeinsamer Erfüllungsort für alle Bereicherungsansprüche existiere, sondern der Erfüllungsort für jede Verpflichtung gesondert zu ermitteln sei. Mangels anderweitiger Bestimmung oder besonderer Umstände wäre damit nach § 270 Abs. 4, § 269 BGB der Sitz der Beklagten zu 1) als Leistungsort einzustufen. Auch die Tatsache, dass der Darlehensvertrag möglicherweise mit dem mit der Beklagten zu 2) geschlossenen Kaufvertrag verbunden im Sinne von § 358 Abs. 3 BGB gewesen sei, führe zu keiner anderen Beurteilung. Soweit Teile der obergerichtlichen Rechtsprechung für sämtliche Ansprüche aus Rückabwicklung nach Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags einen einheitlichen Gerichtsstand am vertragsgemäßen Belegenheitsort der Kaufsache befürworteten, sei dies auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die von der Klägerin intendierte bereicherungsrechtliche Rückabwicklung beider Verträge sei nicht Folge ihrer rechtlichen Verbindung, vielmehr sei die Wirksamkeit beider Verträge in Ansehung des konkreten Unwirksamkeitsgrundes voneinander unabhän...