Leitsatz (amtlich)

Auch im Rechtsbeschwerdeverfahren zwingt das völlige Fehlen einer Sachverhaltsdarstellung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, unabhängig davon, ob dieser Umstand vom Rechtsbeschwerdeführer gerügt wurde.

 

Normenkette

InsO §§ 7, 34; ZPO § 561

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 12. April 2000 wird zugelassen.

II. Auf dieses Rechtsmittel wird dieser Beschluß aufgehoben.

III. Das Verfahren wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Schriftsatz vom 30.7.1999 stellte die Schuldnerin den Antrag, über ihr Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren zu eröffnen.

Da die Schuldnerin nicht in der Lage war, den geforderten Vorschuß von 2 000 DM zur Deckung der Verfahrenskosten zu erbringen, wies das Amtsgericht – Insolvenzgericht – München mit Beschluß vom 7.3.2000 den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mangels Masse ab (§ 26 Abs. 1 InsO).

Die am 24.3.2000 eingelegte sofortige Beschwerde wies das Landgericht München I mit Beschluß vom 12.4.2000 zurück.

Ohne Sachverhaltsdarstellung führte das Landgericht lediglich aus, daß das Amtsgericht zutreffend darauf hingewiesen habe, eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse sei nicht vorhanden. Einen Verfassungsverstoß in der Anwendung des § 26 InsO zum Nachteil der Schuldnerin vermöge das Beschwerdegericht nicht zu erkennen. Auch die Gewährung von Prozeßkostenhilfe sei insoweit vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.

Gegen diesen am 28.4.2000 zugestellten Beschluß hat die Schuldnerin am 4.5.2000 „außerordentliche Beschwerde gegen die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde” eingelegt und beantragt, die Beschlüsse vom 7.3. und 12.4.2000 aufzuheben, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über dort anhängige Vorlagen der Amtsgerichte Bonn und Duisburg nach Art. 100 GG auszusetzen, hilfsweise unter Gewährung von Prozeßkostenhilfe ebenfalls gemäß Art. 100 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, bzw., im Fall der Nichtaussetzung des Verfahrens, den Kostenvorschuß auf 700 DM zu ermäßigen.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, die Anwendung des § 26 Abs. 1 InsO im Verbraucherinsolvenzverfahren beinhalte einen verfassungswidrigen Gesetzesverstoß, weil dadurch einem mittellosen Schuldner, der den geforderten Kostenvorschuß nicht aufbringen können, die Erlangung von Rechtschuldbefreiung verwehrt sei.

II

A

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zu der Entscheidung über diese Beschwerde berufen (§ 7 Abs. 3 InsO i. V. m. § 29 Abs. 2 GVZJu i. d. F. vom 6.7.1995).

2. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens abzuweisen, war die sofortige Beschwerde statthaft (§ 6 Abs. 1, § 34 Abs. 1 InsO). Da das Landgericht diese Beschwerde zurückgewiesen hat, liegt eine der sofortigen weiteren Beschwerde grundsätzlich zugängliche Ausgangsentscheidung vor (§ 7 InsO) Daß die Beschwerdeführerin ihr Rechtsmittel als „außerordentliche Beschwerde” bezeichnet hat, ist unschädlich. Da als Ziel klar erkennbar ist, daß die Schuldnerin die mit der Beschwerde angefochtene Ablehnung ihres Antrags auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in einem zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren überprüfen lassen will, ist ihr Rechtsmittel als eine nach dem Gesetz vorgesehene sofortige weitere Beschwerde auszulegen.

3. Die sofortige weitere Beschwerde ist form- und fristgerecht eingereicht (§§ 4, 7 InsO, §§ 569, 577 Abs. 2 ZPO).

B

Die sofortige weitere Beschwerde ist zuzulassen.

Die sofortige weitere Beschwerde bedarf der Zulassung. Diese setzt einen Antrag des Beschwerdeführers voraus. Der Beschwerdeschriftsatz der Schuldnerin enthält allerdings einen solchen ausdrücklichen Antrag nicht. Der Beschwerdebegründung sind jedoch die Behauptungen einer Gesetzesverletzung durch das Beschwerdegericht und eine Rechtsfrage zu entnehmen, deren Klärung nicht nur der Einzelfallgerechtigkeit, sondern auch der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Bei einer derartigen Interessenlage ist eine eingelegte Beschwerde regelmäßig zugleich als Zulassungsantrag auszulegen (HK/Kirchhof InsO § 7 Rn. 4).

Die Frage der Anwendbarkeit des § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO im Verbraucherinsolvenzverfahren wird in Rechtsprechung und Literatur äußerst unterschiedlich beurteilt (vgl. u. a. Vorlagebeschluß des Amtsgerichts Duisburg vom 15.6.1999 ZIP 1999, 1399; Pape hierzu in EWiR 2239; Übersicht von Pape in ZIP 1999, 2043).

Die Zulassung des Rechtsmittels führt zu einer generellen Überprüfung der angegriffenen Entscheidung.

C

Ohne die aufgeworfene Rechtsfrage zu entscheiden, mußten der Beschluß des Landgerichts vom 12.4.2000 aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werden, weil die angefochtene Entscheidung mangels einer subsumtionsfähigen Sachverhaltsdarstellung gesetzliche Vorschriften verletzt (§ 7 Abs. 1 Satz 2 InsO...

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