Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbringungssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur stillschweigenden Anordnung der sofortigen Wirksamkeit einer vorläufigen Unterbringungsanordnung mit nachträglicher Berichtigung des Beschlusses.

2. Zu den Voraussetzungen der Anordnung der vorläufigen Unterbringung nach Unterbringungsgesetz.

 

Normenkette

FGG § 18; ZPO § 319; UnterbrG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Ansbach (Aktenzeichen XIV 36/01)

LG Ansbach (Aktenzeichen 4 T 1145/01)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Ansbach vom 9. April 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluß des Amtsgerichts Ansbach vom 19. Februar 2001 als unbegründet zurückgewiesen wird.

 

Gründe

I.

Der Betroffene wurde am 14.2.2001 in das Bezirkskrankenhaus A. verbracht. Am 19.2.2001 ordnete das Amtsgericht die vorläufige Unterbringung bis längstens 2.4.2001 an, da dringende Gründe für die Annahme bestünden, daß die Unterbringungsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 UnterbrG vorlägen. Hiergegen legte der Betroffene am 27.2.2001 sofortige Beschwerde ein. Am 6.3.2001 ergänzte das Amtsgericht seinen Beschluß vom 19.2.2001 wie folgt: „Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet. Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit beruht auf § 70h Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 70g Abs. 3 S. 2 FGG.” Zur Begründung führte es aus, daß eine offensichtliche Unrichtigkeit bzw. Auslassung vorgelegen habe, die zu berichtigen gewesen sei. Am 27.3.2001 wurde der Betroffene aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen. Mit Beschluß vom 9.4.2001 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Betroffenen verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen mit der er die Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts und die Feststellung begehrt, daß seine zwangsweise Unterbringung im Vollzug der Beschlüsse des Amtsgerichts vom 19.2. und 6.3.2001 rechtswidrig gewesen sei.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Es führt zur Abänderung der Beschwerdeentscheidung dahin, daß die Erstbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen wird.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, die Erstbeschwerde sei unzulässig, weil sich mit der Entlassung des Betroffenen aus der Unterbringung die Hauptsache erledigt habe und eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Kosten nicht erfolgt sei. Die vom Betroffenen angestrebte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringung sei im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht möglich.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG; § 550 ZPO) nicht stand.

Die Auffassung des Landgerichts, ein Rechtsmittel gegen die Anordnung einer vorläufigen Unterbringung sei im Falle der prozessualen Überholung infolge der Beendigung der Maßnahme als unzulässig zu verwerfen, widerspricht dem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG (BVerfG NJWE-FER 1998, 163; BayObLGZ 1999, 24). In Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf einen Zeitraum beschränkt, in welchem der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in den von der Prozeßordnung vorgegebenen Instanzen kaum erlangen kann, ist ein Rechtsschutzinteresse für die gerichtliche Prüfung des Grundrechtseingriffs ungeachtet prozessualer Überholung grundsätzlich zu bejahen (BVerfG EuGRZ 1997, 372/373; NJWE-FER 1998, 163; NJW 1998, 2432/2433).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Fall das Rechtschutzinteresse für die vom Betroffenen begehrte Feststellung gegeben. Jedenfalls, wenn die Unterbringung nur für die Dauer von bis zu sechs Wochen angeordnet ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die gegen die gerichtliche Entscheidung eröffneten Instanzen innerhalb dieses Zeitraums durchlaufen werden können (vgl. BVerfG NJW 1997, 2432; BayObLGZ 1999, 24; OLG Zweibrücken BtPrax 2000, 92).

3. Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts, aber nicht zur Zurückverweisung der Sache. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es keiner weiteren Ermittlungen bedarf (BGH NJW 1997, 2815/2817; BayObLG NJW-RR 1998, 294/295). Dem steht nicht entgegen, daß das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat (BayObLG NJW-RR 1998, 519; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 32). Der Senat kann die erforderlichen Feststellungen aus den ihm infolge des Rechtsfehlers der Kammer zugänglichen Akten selbst treffen (BayObLGZ 2000, 316/318 m.w.N.).

Auf der Grundlage des sich aus den Akten ergebenden Sachverhalts ist die Anordnung der vorläufigen Unterbringung durch das Amtsgericht nicht zu beanstanden.

a) Gegen oder ohne seinen Willen kann in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, wer psychisch krank oder infolge Geistesschwäche oder Sucht psychisch gestört ist und dadurch in erheblichem Maß die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG). Bestehen dringende Gründe für die A...

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