Leitsatz (amtlich)

Die Entscheidung des Amtsgerichts über den Antrag eines privaten Dritten (nicht einer Behörde), ihm Einsicht in die Nachlassakte zu bewilligen, ergeht nicht als Justizverwaltungsakt, sondern als Akt der Rechtsprechung. Dies folgt aus der vom Gesetzgeber in § 13 Abs. 7 FamFG vorgenommenen Qualifizierung als rechtsprechende Tätigkeit und gilt auch dann, wenn die Entscheidung das Gesuch um Einsicht in die Akte eines bereits abgeschlossenen Verfahrens betrifft.

 

Verfahrensgang

AG Kulmbach (Aktenzeichen 52 VI 160/17)

 

Tenor

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für den als Beschwerde zu behandelnden Antrag vom 7. Oktober 2022 nicht zuständig.

2. Die Sache wird entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 GVG an das Oberlandesgericht Bamberg verwiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Beim Amtsgericht Kulmbach - Abteilung für Nachlasssachen - wird die Akte 52 VI 160/17 in der Nachlasssache des H. K., der am ... verstorben ist, geführt. Der Antragsteller ist dessen - vor der Eheschließung des Erblassers geborene - Sohn.

Mit am 24. Mai 2022 beim Amtsgericht Kulmbach eingegangenem Schreiben hat der Antragsteller Einsicht in die Nachlassakte beantragt. Mit Beschluss vom 16. August 2022 hat die mit der Sache befasste Richterin am Amtsgericht den Antrag auf Akteneinsicht zurückgewiesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung lautet:

Gegen den Beschluss kann Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gestellt werden. Der Antrag muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts Bamberg, ... oder eines jeden Amtsgerichts gestellt werden.

In der Begründung des Beschlusses wird ausgeführt, der Antragsteller habe kein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht dargelegt, § 13 Abs. 2 FamFG.

Der Beschluss ist dem Antragsteller am 24. August 2022 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21. September 2022, eingegangen am 23. September 2022, hat der Antragsteller beim Oberlandesgericht Bamberg Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG gestellt. Nachdem das Oberlandesgericht Bamberg mit Verfügung vom 4. Oktober 2022 angeregt hatte, den Antrag zurückzunehmen, da gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG das Bayerische Oberste Landesgericht zuständig und der Antrag daher unzulässig sei, hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2022 zum Bayerischen Obersten Landesgericht, eingegangen am selben Tag, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Mit an das Oberlandesgericht Bamberg gerichtetem Schriftsatz vom 19. Oktober 2022 hat er den dort gestellten Antrag vom 21. September 2022 zurückgenommen.

Der Antragsteller beantragt,

ihm wegen Versäumung der Frist zur Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung gemäß §§ 23, 26 Abs. 1 EGGVG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur Begründung führt er aus, sein Verfahrensbevollmächtigter habe erst durch die Verfügung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 4. Oktober 2022 bemerkt, dass die hier maßgebliche Rechtsbehelfsbelehrung des Amtsgerichts fehlerhaft und nicht das Oberlandesgericht Bamberg, sondern vielmehr das Bayerische Oberste Landesgericht für das Rechtsmittel zuständig sei.

In der Sache selbst beantragt er,

die gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG über seinen Antrag, ihm Einsicht in die Nachlassakte seines Vaters, des Erblassers H. K., zu gewähren;

das Amtsgericht Kulmbach zu verpflichten, ihm unverzüglich eine vollständige und umfassende Einsicht in die Nachlassakte, Aktenzeichen Amtsgericht Kulmbach 52 VI 160/17, zu gewähren.

Zur Begründung führt er aus, das Amtsgericht Kulmbach habe die Anforderung an die Darlegung des berechtigten Interesses für die Gewährung einer Akteneinsicht, die an einen juristischen Laien zu stellen seien, überspannt. Er habe bis heute keine Kenntnis darüber, ob und gegebenenfalls welche konkreten testamentarischen Verfügungen sein Vater getroffen habe.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 7. Oktober 2022 nach Gewährung von Wiedereinsetzung in die Antragsfrist als unbegründet zu verwerfen.

Der Antragsteller verfüge über kein berechtigtes Interesse im Hinblick auf die Einsicht in die Nachlassakte.

Der Senat hat dem Antragsteller mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG gewährt. Gleichzeitig hat er darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, sich für den als Beschwerde zu behandelnden Antrag auf gerichtliche Entscheidung für nicht zuständig zu erklären und die Beschwerde an das Oberlandesgericht Bamberg zu verweisen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2022 erklärt, gegen das beabsichtigte Vorgehen bestünden keine Einwände. Der Antragsgegner hat sich hierzu nicht geäußert.

II. Gegen die als Beschluss ergangene Entscheidung des Amtsgerichts, mit der di...

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