Leitsatz (amtlich)

Ob ein Eigentümerbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht ist im Einzelfall unter Abwägung der für und gegen ihn sprechenden Umstände zu entscheiden, wobei im Vordergrund das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer und nicht nur Einzelner zu stehen hat. Der mit dem Eigentümerbeschluss verbundene Nutzen für die Wohnungseigentümer ist gegen die damit verbundenen Risiken abzuwägen.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 3, § 4

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 10.03.2003; Aktenzeichen 42 T 1692/02 AG)

AG Kaufbeuren (Aktenzeichen 3 UR II 16/01)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des LG Kempten (Allgäu) vom 10.3.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegner haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Bei der Wohnanlage handelt es sich um ein Feriendorf, das nach Nr. II der Gemeinschaftsordnung vom Jahr 1981 zur touristischen Nutzung bestimmt ist und ausschließlich dem Fremdenverkehr dient; jeder Wohnungseigentümer hat seine Wohnung zur Nutzung im Rahmen eines Feriendorfbetriebs zur Verfügung zu stellen. Zum Gemeinschaftseigentum gehört ein Verwaltungsgebäude, in dem sich ein Empfang, ein Restaurant und ein Kiosk befinden. Nach Nr. XVIII der Gemeinschaftsordnung ist das Verwaltungsgebäude einschl. Empfang dem jeweiligen Betriebsunternehmer zur alleinigen Nutzung kostenfrei zu überlassen. Nachdem der Pächter des Verwaltungsgebäudes den Vertrag gekündigt hatte, fassten die Wohnungseigentümer am 21.7.2001 folgenden Beschluss:

Die Eigentümerversammlung beschließt, die Rezeptionsräume in die WEG-Verwaltung zu übernehmen. Damit bleibt die Entscheidung offen, ob zukünftig eine Eigentümer-GmbH gegründet wird. Der Verwalter wird beauftragt, im Benehmen mit dem Verwaltungsbeirat die Rezeption auszustatten und die erforderlichen Personalfragen sowie die Frage der laufenden Verwaltung zu entscheiden.

Das Restaurant und der Kiosk sollen weiterhin verpachtet werden.

Die Antragsteller haben beantragt, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das AG hat dem am 16.7.2002 stattgegeben. Das LG hat durch Beschluss vom 10.3.2003 die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das LG hat ausgeführt: Die Wohnungseigentümer hätten den Beschluss gefasst, ohne eine verbindliche Abklärung in steuerlicher Hinsicht herbeigeführt zu haben. Die bloße steuerliche Beratung reiche nicht aus, zumal eine kostengünstigere und weniger risikobehaftete Lösung möglich gewesen wäre. Jedenfalls hätte eine verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamts eingeholt werden müssen.

Darüber hinaus bestünden Zweifel an der Bestimmtheit des Eigentümerbeschlusses. Dem Verwalter seien Befugnisse eingeräumt worden, die ohne nähere Konkretisierung im Hinblick auf ihre finanziellen Auswirkungen nicht überschaubar seien. Ob eine Beschlusszuständigkeit der Wohnungseigentümer im Hinblick auf Nr. XVIII der Gmeinschaftsordnung bestehe, könne offen bleiben.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Jeder Wohnungseigentümer kann eine ordnungsmäßige Verwaltung verlangen. Darunter ist eine Verwaltung zu verstehen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht (§ 21 Abs. 3, 4 WEG). Ob ein Eigentümerbeschluss danach ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, ist im Einzelfall unter Abwägung der für und gegen den Eigentümerbeschluss sprechenden Umstände zu entscheiden, wobei im Vordergrund das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer und nicht nur Einzelner zu stehen hat (vgl. dazu Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 21 Rz. 63 ff.).

b) Gemessen an diesen Maßstäben ist das LG ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der angefochtene Eigentümerbeschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Die steuerlichen Auswirkungen des Eigentümerbeschlusses waren bei Beschlussfassung und sind bis jetzt nicht eindeutig geklärt. Auch die verschiedenen, von den Beteiligten vorgelegten Schreiben der Finanzbehörden haben nicht zu einer zweifelsfreien Klärung geführt. Es bestehen nach wie vor erhebliche Risiken für die Wohnungseigentümer im Hinblick auf die steuerliche Einordnung der beabsichtigten Maßnahme. Allein die Behauptung, eine Einkunftserzielung sei mit der beschlossenen Maßnahme, den Empfang in eigener Regie zu übernehmen, von den Wohnungseigentümern nicht beabsichtigt, reicht nicht aus, die steuerlichen Risiken mit weitreich...

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