Leitsatz (amtlich)
1. Zum Vorliegen einer Dienstleistungskonzession (hier: Gestattung des Betriebs eines Fahrgastinformationssystems in öffentlichen Verkehrsmitteln, welches durch Werbeeinnahmen finanziert wird).
2. Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen unterliegt nicht dem Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB.
3. Der Wirksamkeit eines Vertrags, der eine Dienstleistungskonzession zum Gegenstand hat, steht nicht entgegen, dass ein potentieller Bewerber nicht vorab informiert wurde.
4. Zum Kostenerstattungsanspruch eines Beigeladenen im Nachprüfungsverfahren.
Normenkette
BGB §§ 134, 138; GWB §§ 99, 128 Abs. 4; VgV § 13; VwGO § 162 Abs. 3
Verfahrensgang
Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 08.10.2001; Aktenzeichen 120.3-3194.1-28-08/01) |
Tenor
I. Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) wird der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 8.10.2001 aufgehoben.
II. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird abgewiesen.
III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu 1) zu tragen.
IV. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerin und durch die Beigeladene zu 1) im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
Gründe
I. Der Antragsgegnerin, einem früheren Eigenbetrieb der Stadt M., die im Jahr 1998 in eine GmbH umgewandelt wurde und deren alleinige Gesellschafterin die Stadt M. ist, obliegt als Unternehmensgegenstand u.a. der Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs in der Landeshauptstadt M. und Umgebung. Die Antragsgegnerin unterhält auch ein U-Bahn-Netz. Sie beabsichtigt schon seit längerem, ein durch Werbung finanziertes Fernsehprogramm zur Fahrgastinformation in den Triebwägen und Waggons der U-Bahn einzuführen. Hiernach sollen die Fahrgäste über in den Fahrzeugen installierte Bildschirme mit Fahrgastinformationen, etwa über Haltestellen und Umsteigemöglichkeiten, sowie mit Imagewerbung für die Verkehrsbetriebe versorgt, die überwiegende Zeit aber mit Werbebeiträgen unterhalten werden. Zu diesem Zweck führte die Antragsgegnerin seit Ende 1997 zunächst mit der Beigeladenen zu 2) Gespräche, die Anfang 1999 schon einem erfolgreichen Verhandlungsabschluss nahe gekommen waren. Zu Beginn des Jahres 2000 nahm die Antragsgegnerin weiteren Kontakt zur Beigeladenen zu 1) auf, die ebenfalls Interesse an der Verwirklichung des Projekts bekundet hatte. Nach Verhandlungen mit dieser gab die Antragsgegnerin deren Konzept den Vorzug. Sie schloss mit der Beigeladenen zu 1) am 15.5.2001 schließlich einen sog. Gestattungsvertrag ab, dessen wesentlicher Inhalt sich wie folgt darstellt:
1. Die Antragsgegnerin räumt der Beigeladenen zu 1) das ausschließliche Recht ein, in ihren U-Bahn-Fahrzeugen digitale Passagierinformationen (genannt EPIS) einschließlich Werbung und Sponsoring online zu verbreiten. Davon unberührt bleibt das Recht der Antragsgegnerin, die Fahrgäste zu rein betrieblichen und verkehrlichen Zwecken zu informieren.
2. Die Beigeladene zu 1) verpflichtet sich, in einem Bruchteil der täglichen Sendezeit für die Antragsgegnerin Fahrgastinformationen und Imagewerbung für die Verkehrsbetriebe zu betreiben.
3. Die Beigeladene zu 1) darf in den Fahrzeugen, in Betriebsanlagen und in der Betriebsleitstelle die für EPIS notwendigen Einrichtungen anbringen und die technischen Verbindungen installieren. Sie bleibt Eigentümerin sämtlicher dieser Ausrüstungsgegenstände, betreibt die eingebrachten Einrichtungen und ist verantwortlicher Veranstalter des Bewegtbildangebots. Sie hat die erforderlichen Einwilligungen und öffentlich-rechtlichen Genehmigungen auf eigene Kosten einzuholen. Sie kommt auch für die Unterhaltung und Wartung des technischen Geräts auf.
4. Für jeden ausgerüsteten Wagen erhält die Antragsgegnerin eine feste jährliche Vergütung, zusätzlich ist sie prozentual an den Einnahmen aus dem Verkauf von Werbezeiten beteiligt.
5. Die Beigeladene zu 1) ist verpflichtet, EPIS während der gesamten Vertragslaufzeit von zunächst zwölf Jahren zu veranstalten.
Die Antragstellerin, die am 10.4.2001 gegenüber der Antragsgegnerin schriftlich ihr Interesse an der Durchführung des Vorhabens bekundet und der am 13.6.2001 der Abschluss eines Gestattungsvertrags mit einem anderen Anbieter mitgeteilt worden war, rügte mit Schreiben vom 10.8.2001 gegenüber der Antragsgegnerin, dass der Vertrag ohne vorheriges öffentliches Ausschreibungsverfahren geschlossen, damit auch gegen die Informationspflicht nach § 13 VgV verstoßen worden und der Vertragsschluss somit wegen des bestehenden Zuschlagsverbots nichtig sei.
Mit Schriftsatz vom 17.8.2001 zur Vergabekammer Südbayern hat die Antragstellerin deswegen die Überprüfung der Auftragsvergabe an die Beigeladene zu 1) und die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens beantragt. Sie hat noch vorgetragen, sie habe als ortsansäs...