Entscheidungsstichwort (Thema)
Dubliner Übereinkommen
Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidet das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über den aus der Haft heraus gestellten Asylantrag aus dem Grund nicht innerhalb von vier Wochen, weil es sich auf der Grundlage des Dubliner Übereinkommens zunächst um die Übernahme des Asyl Verfahrens durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften bemüht, steht die von dem Ausländer durch die Stellung des Asylantrags erworbene Aufenthaltsgestattung nach dem Ablauf der Vierwochenfrist weiterer Abschiebungshaft entgegen.
2. Erlischt diese Aufenthaltsgestattung dadurch, daß der Asylantrag nach der Entscheidung des Beschwerdegerichts unanfechtbar abgelehnt wird, so kann dieser Umstand im Verfahren der weiteren Beschwerde berücksichtigt werden.
Normenkette
FGG § 27; AsylVfG § 14 Abs. 4 S. 3
Verfahrensgang
LG Bamberg (Entscheidung vom 16.08.2000; Aktenzeichen 3 T 125/00) |
AG Bamberg (Entscheidung vom 20.07.2000; Aktenzeichen XIV B 47/00) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Bamberg vom 16. August 2000 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung der Betroffenen.
Mit Beschluß vom 20.7.2000 verlängerte das Amtsgericht mit sofortiger Wirksamkeit die gegen sie zur Sicherung ihrer Abschiebung seit 25.10.1999 vollzogene Abschiebungshaft um weitere drei Monate.
Die von der Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht am 16.8.2000 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich die Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
1. Soweit das Landgericht die erneute Haftverlängerung auf den Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG stützt, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den durch Bezugnahme auf eine vorangegangene Beschwerdeentscheidung getroffenen Feststellungen der Kammer ist die Betroffene mit gefälschten Ausweispapieren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, um hier der Prostitution nachzugehen. Dies rechtfertigt die Annahme des begründeten Verdachts, die Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen (vgl. BayObLGZ 1993, 127).
2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler dargelegt, daß die Ausländerbehörde die Abschiebung der Betroffenen mit der gebotenen Beschleunigung betreibe (vgl. hierzu BGHZ 133, 235/239; BayObLGZ 1991, 258/260; OLG Frankfurt a.M. AuAS 1998, 198; OLG Karlsruhe InfAuslR 1998, 463) und daß die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Abschiebungshaft über sechs Monate hinaus auf nunmehr insgesamt zwölf Monate gegeben seien, da die Betroffene ihre Abschiebung innerhalb der grundsätzlichen Hafthöchstdauer von sechs Monaten verhindert habe (§ 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG; vgl. hierzu OLG Hamm FGPrax 1997, 77/78; KG FGPrax 1995, 128/129). Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Betroffene die erforderliche Mitwirkung zur Klärung ihrer Identität und zur Beschaffung der Heimreisedokumente verweigert (vgl. hierzu OLG Braunschweig Nds.Rpfl. 1995, 394; Saarl. OLG FGPrax 1998, 241/242). Unter diesen Umständen geht auch eine eventuelle Undurchführbarkeit der Abschiebung innerhalb des in § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG normierten Zeitraums zu Lasten der Betroffenen. Weniger einschneidende Maßnahmen als der Vollzug von Sicherungshaft kommen bei Vorliegen des zwingenden Haftgrundes des § 57 Abs. 2 Satz. 1 Nr. 5 AuslG nicht in Betracht (vgl. BayObLGZ 1993, 127/128; 1994, 155).
3. Die Feststellungen des Landgerichts zu dem Asylantrag der Betroffenen sind jedoch unzureichend.
a) Aus den Akten, deren Inhalt der Senat deshalb verwerten darf (vgl. BayObLGZ 1985, 63/66; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 59), ergibt sich insoweit, daß die Betroffene am 30.4.2000 aus der Abschiebungshaft heraus einen Asylantrag stellte, der beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 9.5.2000 einging und vom Bundesamt mit seit 2.9.2000 bestandskräftigem Bescheid vom 23.8.2000 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Demnach war der Betroffenen seit 7.6.2000 zur Durchführung des Asyl Verfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet zunächst gestattet (§ 55 Abs. 1 AsylVfG), weil das Bundesamt über ihren Antrag nicht innerhalb von vier Wochen nach dessen Eingang entschieden hatte (§ 14 Abs. 4 Satz 3 AsylVfG). Der Umstand, daß das Bundesamt diese Frist deshalb nicht einhielt, weil es sich auf der Grundlage des Dubliner Übereinkommens zunächst um die Übernahme des Asylverfahrens durch Belgien bemühte, vermochte angesichts der mit § 14 Abs. 4 Satz 3 AsylVfG getroffenen eindeutigen gesetzlichen Regelung nichts daran zu ändern, daß die von der Betroffenen durch die Stellung des Asylantrags erworbene Aufenthaltsgestattung nach dem Ablauf der Vierwochenfrist einer weiteren Abschiebungshaft entgegenstand.
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