Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrverbot. Geldbuße. Pflichtenverstoß. beharrlich. unbenannt. Rechtsbeschwerde. Staatsanwaltschaft. Sachrüge. Rechtsfolgenausspruch. Zumessungsgründe. elektronische Geräte. Mobiltelefon. Handy. Smartphone. Vorahndungslage. Zusammenhang. Gefährdungspotenzial. Unfallgeneigtheit. Blick-Ablenkung. Gesinnung. Einsicht. zeitnah. Wechselwirkung. Anlasstat. Lkw. Schwerlastverkehr. Bagatellverstoß. Geschwindigkeitsüberschreitung. Abstandsverstoß. Einspruch. Einspruchsbeschränkung. Rückfallgeschwindigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Verstöße gegen § 23 Abs. 1a StVO stehen wegen ihrer regelmäßig gravierenden Beeinträchtigung der Fahrleistung bei gleichzeitig massiver Steigerung des Gefährdungspotentials für Dritte wertungsmäßig anderen typischen Massenverstößen im Straßenverkehr wie Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandsunterschreitungen gleich, weshalb bei Vorliegen entsprechender Vorahndungen die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines (unbenannten) beharrlichen Pflichtenverstoßes vielfach naheliegen wird. Insoweit ist ohne Belang, ob der Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO als relevante Vorahndung oder aber als Anlasstat selbst die Frage nach der Notwendigkeit einer Fahrverbotsanordnung aufwirft. (Anschluss an BayObLG, Beschl. v. 22.03.2019 - 202 ObOWi 96/19 = ZfSch 2019, 588 = DAR 2019, 630 = OLGSt StVG § 25 Nr 74 und 29.10.2019 - 202 ObOWi 1997/19 = ZfSch 2020, 172).

 

Normenkette

StVO § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b) Doppelbuchst. aa), § 23 Abs. 1a; StVG § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 2a; OWiG § 46 Abs. 1, § 67 Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 80a Abs. 1; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 2; BKat Nr. 246.1; BKat Nr. 246.2; BKat Nr. 246.3

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts vom 7. Mai 2020 mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Urteil vom 07.05.2020 hat das Amtsgericht gegen den vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Abs. 2 OWiG entbundenen und dort durch einen (unterbevollmächtigten) Verteidiger vertretenen Betroffenen, einen angestellten Lkw-Fahrer (Jahrgang 1990), wegen einer am 14.10.2019 als Führer eines Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t auf einer Bundesstraße fahrlässig begangenen Überschreitung der gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2b aa) StVO außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 17 km/h eine gegenüber lfd. Nr. 11.1.4 Tabelle 1a Anlage BKat verdoppelte Geldbuße von 140 Euro festgesetzt. Von der Anordnung eines im Bußgeldbescheid vom 06.12.2019 neben einer dort festgesetzten Geldbuße in gleicher Höhe vorgesehenen einmonatigen Fahrverbots hat es demgegenüber abgesehen. Mit ihrer gegen dieses Urteil zu Ungunsten des Betroffenen eingelegten und von der Generalstaatsanwaltschaft vertretenen, aufgrund der in der öffentlichen Sitzung vom 07.05.2020 wirksam erklärten Einspruchsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden Rechtsbeschwerde beanstandet die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge, dass das Amtsgericht von der Anordnung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes abgesehen hat. Die Stellungnahme des Verteidigers des Betroffenen vom 31.07.2020 zur Rechtsbeschwerderechtfertigung der Staatsanwaltschaft vom 24.06.2020 lag dem Senat bei seiner Entscheidung ebenso vor wie die zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 10.08.2020 abgegebene weitere Stellungnahme der Verteidigung vom 10.09.2020.

II.

Das gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG statthafte, wegen der nach § 67 Abs. 2 OWiG wirksamen Einspruchsbeschränkung nur noch den Rechtsfolgenausspruch betreffende Rechtsmittel ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache, weil die Begründung, mit der das Amtsgericht von der Anordnung eines Fahrverbots abgesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält.

1. Zwar sind die Voraussetzungen eines (benannten) Regelfalls nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV nicht erfüllt, weshalb die Anordnungsvoraussetzungen für ein bußgeldrechtliches Fahrverbot, wovon das Amtsgericht im Ansatz zutreffend ausgeht, nur bei Annahme eines beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV bejaht werden konnten.

2. Allerdings hält die lapidare Begründung, mit welcher das Amtsgericht angesichts der Feststellung der Vorahndungslage des Betroffenen einen derartigen unbenannten beharrlichen Pflichtenverstoß verneint hat, einer rechtlichen Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil es - wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend feststellt - seiner Wertung einen offensichtlich unzutreffenden Wertungsmaßstab zugrunde gelegt hat, was durch die Bezugnahme auf ein auf die Rechtslage vor Inkrafttreten der Neufassung des § 23 Abs. 1a StVO aufgrund Art. 1 Nr. 1a der 53. Verordnung zur Ände...

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