Leitsatz (amtlich)
Eine von einem Betroffenen im Zustand der Geschäftsfähigkeit erteilte Vorsorgevollmacht wird weder durch einen im Zustand der Geschäftsunfähigkeit ausgesprochenen Widerruf noch dadurch unwirksam, dass der Betroffene im Zustand der Geschäftsunfähigkeit erklärt, er wolle den Bevollmächtigten nicht als Betreuer haben. Sie ist deshalb bei der Prüfung, ob eine Betreuung erforderlich ist, zu beachten.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3
Verfahrensgang
LG Bamberg (Aktenzeichen 3 T 54/01) |
AG Bamberg (Aktenzeichen XVII 104/01) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere und die weitere Beschwerde wird der Beschluss des LG Bamberg vom 8.1.2002 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung an das LG Bamberg zurückverwiesen.
III. Von der Bekanntmachung der Entscheidungsgründe an den Betroffenen wird abgesehen.
Gründe
I. Das AG bestellte am 9.3.2001 für den Betroffenen für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrages, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialversicherungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über Fernmeldeverkehr einen berufsmäßigen Vereinsbetreuer sowie zwei Ersatzbetreuer; für den Aufgabenkreis Vermögenssorge wurde ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.
Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde und sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das LG am 8.1.2002 zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren und weiteren Beschwerde.
II. Die Rechtsmittel sind zulässig und haben auch in der Sache Erfolg; sie führen zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Soweit sich der Betroffene gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts wendet, liegt eine sofortige weitere Beschwerde (§ 69g Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 2, § 27 Abs. 1 FGG), soweit er sich gegen die Bestellung eines Vereinsbetreuers wendet, liegt eine weitere Beschwerde vor (§§ 29 Abs. 1, 27 Abs. 1 FGG). Die sofortige weitere Beschwerde ist am 6.2.2002 fristgemäß (§ 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 S. 1 und 2, § 16 Abs. 2 S. 1 FGG) eingelegt worden. Zwar ist eine Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses an den Betroffenen „über den Betreuer” bereits am 22.1.2002 erfolgt, doch hat diese Zustellung die Beschwerdefrist deshalb nicht in Lauf gesetzt, weil sie nicht ordnungsgemäß war. Die Zustellung muss an den Betroffenen persönlich erfolgen (vgl. BayObLG v. 8.7.1999 – 3Z BR 186/99, NJW-RR 2001, 583; Bassenge/Herbst/Roth, FGG, RPflG, 9. Aufl., § 69a FGG Rz. 2; Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 69a Rz. 2).
2. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet: Die Anordnung der Betreuung sei im festgesetzten Umfang durch das AG zu Recht erfolgt. Der Betroffene leide spätestens seit April/Mai 2000 an einer organischen Persönlichkeitsveränderung und einer wahnhaften Störung, die sich in einer Selbstüberschätzung bei fehlender Selbstkritik sowie in bestehenden Größenideen wahnhaften Ausmaßes mit starken Selbsterhöhungstendenzen zeige, den Betroffenen an einer realitätsnahen Sicht auf seine tatsächliche Lage und an einer freien Willensbestimmung hindere und einen beginnendendementiellen Prozess im Frühstadium beinhalte. Dies folge aus den Gutachten eines Medizinaloberrates vom 16.2.2001 und eines Oberarztes einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 14.12.2001 sowie der persönlichen Anhörung durch den Berichterstatter der Kammer vom 10.4.2001. Demgegenüber könne einer entgegenstehenden vom Betroffenen in Auftrag gegebenen Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und Psychologie nicht gefolgt werden, weil dieser keine fremdanamnestischen Erhebungen getätigt habe. Der Betroffene sei nach den überzeugenden Feststellungen des sachverständigen Oberarztes spätestens seit April/Mai 2000 geschäftsunfähig. Die von ihm erteilten Vorsorgevollmachten vom 16.5.2000 und 9.12.2000 seien deshalb unwirksam. Es komme hinzu, dass der Betroffene in der Vorsorgevollmacht vom 9.12.2000 die frühere Vorsorgevollmacht widerrufen habe, so dass von seinem natürlichen Willen auszugehen sei, dass er an dieser nicht mehr festhalten wolle. Die Anordnung des Einwilligungsvorbehaltes sei ebenso wenig zu beanstanden wie die Bestellung eines Berufsbetreuers.
3. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG; §§ 546, 559 ZPO). Das LG hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt.
a) Die Bestellung eines Betreuers setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Lehnt der Betroffene eine Betreuung ab, darf für ihn ein Betreuer nur bestellt werden, wenn er wegen seiner Krankheit oder Behinderung nicht imstande ist, seinen Willen frei zu bestimmen (vgl. BayObLG v. 25.7.1994 – 3Z BR 97/94, BayObLGZ 1...