Leitsatz (amtlich)
Bei nicht vollzogener (als Überhaft angeordneter) Abschiebungshaft besteht regelmäßig nach Erledigung der Hauptsache (hier: Rücknahme des Haftantrags) kein Rechtsschutzbedürfnis für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung.
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 07.05.2004; Aktenzeichen 8 T 981/04) |
AG Würzburg (Beschluss vom 15.04.2004; Aktenzeichen XIV B 45/04) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Würzburg vom 7.5.2004 wird verworfen.
Gründe
I. Die Stadt beabsichtigt die Ausweisung und Abschiebung der Betroffenen, einer ungarischen Staatsangehörigen, die am 12.3.2004 mit zwei Landsleuten visumfrei als Touristin in das Bundesgebiet einreiste. Noch am selben Tag wurde die Betroffene wegen des Verdachts des versuchten Bandendiebstahls, des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, der gefährlichen Körperverletzung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vorläufig festgenommen und ab 13.3.2004 in Untersuchungshaft genommen. Zum Zeitpunkt der Festnahme bestanden außerdem Vollstreckungshaftbefehle von zwei Staatsanwaltschaften wegen zu verbüßender Reststrafen von insgesamt 127 Tagen.
Mit Beschluss vom 15.4.2004 ordnete das AG auf Antrag der Ausländerbehörde vom 1.4.2004 gegen die Betroffene mit sofortiger Wirkung Vorbereitungshaft für die Dauer von sechs Wochen im Anschluss an die Untersuchungshaft an. Die von der Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde wies das LG mit Beschluss vom 7.5.2004 zurück. In den Gründen führte das LG aus, die Ausweisung der Betroffenen stehe angesichts der ihr zur Last gelegten schwerwiegenden Straftaten und der bereits erhobenen Anklage hinreichend bevor. Ohne Inhaftnahme würde die Abschiebung wesentlich erschwert oder vereitelt. Im Hinblick auf den Beitritt Ungarns zur Europäischen Union müsse im Fall der Ausweisung allerdings eine Entscheidung über die Befristung der Sperrwirkung des § 8 Abs. 2 AuslG getroffen werden. Hierfür sei die strafrechtliche Verurteilung und die Strafhöhe relevant. Aus diesem Grund könne über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden.
Am 25.5.2004 legte die Betroffene sofortige weitere Beschwerde ein mit dem Ziel der Aufhebung der Beschluss vom 15.4.2004 und 7.5.2004. Sie machte geltend, die Haftanordnung sei schon deshalb unzulässig, da die gesetzlich vorgegebene zeitliche Grenze von sechs Wochen durch den Übergang von der Untersuchungshaft zur Vorbereitungshaft weit überschritten werde. Außerdem sei die Ausweisung nicht hinreichend sicher, denn die Behörde mache ihre Entscheidung vom Ausgang des für 27.7.2004 terminierten Strafverfahrens abhängig, was nicht zulässig sei. Es sei auch nicht richtig, dass für die Frage der Befristung der Sperrwirkung des § 8 Abs. 2 AuslG das Strafurteil abgewartet werden müsse. Über die Befristung könne auch nach der Ausweisung und Ausreise der Betroffenen entschieden werden.
Zum Vorbringen der Betroffenen gab die Ausländerbehörde keine Stellungnahme ab, obwohl ihr hierzu Gelegenheit gegeben wurde. Am 11.6.2004 nahm sie den Haftantrag v. 1.4.2004 zurück.
Die Betroffene, gegen die weiterhin Untersuchungs- bzw. Strafhaft vollstreckt wird, beantragt nunmehr festzustellen, dass die Anordnung von Vorbereitungshaft für die Dauer von sechs Wochen im Anschluss an die Untersuchungshaft durch den Beschluss des AG Würzburg vom 15.4.2004 rechtswidrig war.
II.1. Die mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angeordneten Vorbereitungshaft aufrecht erhaltene sofortige weitere Beschwerde ist nicht zulässig.
Mit der Rücknahme des Antrags auf (bisher nicht vollzogene) Vorbereitungshaft hat sich die Hauptsache im Verlauf des weiteren Beschwerdeverfahrens erledigt. Die Fortsetzung eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens zum Zwecke der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist im FGG nicht vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist mit dem aus Art. 19 Abs. 4 GG resultierenden Gebot des effektiven Rechtsschutzes durchaus vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Ein Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen, solange der Rechtsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte bei Erledigung des Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses annehmen. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht, dass die Gerichte generell auch dann noch weiter in Anspruch genommen werden können, um Auskunft über die Rechtslage zu erhalten, wenn damit aktuell nichts mehr bewirkt werden kann. Dies dient auch der Entlastung der Gerichte, die damit Rechtsschutz insgesamt für alle Rechtsschutzsuchenden schneller und effektiver gewähren können (BVerfG v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99, BVerfGE 104, 220 = NJW 2002, 2456).
Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzzieles kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung allerdings fortbestehen, wenn das Intere...