Leitsatz (amtlich)
Zur Bindungswirkung einer Verweisung bei übereinstimmenden Verweisungs- bzw. Abgabeanträgen der Parteien nach Abgabe der Sache gem. § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO (Abgrenzung zu BayObLG RPfleger 1993, 411).
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 696 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Weiden i.d. OPf. (Aktenzeichen 3 C 239/02) |
AG München (Aktenzeichen 262 C 10833/02) |
Tenor
Zuständig ist das AG Weiden i.d.OPf.
Gründe
I. Der Kläger hat aufgrund eines Werkvertrages in einem Haus des Beklagten in M. Elektroarbeiten durchgeführt und einen Restwerklohnanspruch dafür zunächst im Mahnverfahren geltend gemacht. Im Mahnbescheidsantrag gab er als für ein streitiges Verfahren zuständiges Gericht das AG Weiden i.d.OPf. an, bei dem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. An dieses gab das Mahngericht die Akten nach Widerspruch des Beklagten ab. In der Anspruchsbegründung stellte der Kläger den Antrag, den Rechtsstreit an das – nach § 29 ZPO zuständige – AG München zu verweisen. Das AG Weiden i.d.OPf. wies den Beklagten mit Schreiben vom 26.3.2002 darauf hin, dass „der Kläger bereits mit der Anspruchsbegründung die Abgabe des Rechtsstreits an das AG München beantragt” habe, die „nach § 696 Abs. 1 ZPO … nur stattfinden” könne, „wenn sie von beiden Parteien beantragt wird”. Für den Fall, dass auch vom Beklagten die Abgabe an das AG München gewünscht werde, bat es, „gegenüber dem Gericht den entsprechenden Antrag zu stellen … ” Daraufhin beantragte der Beklagte „die Abgabe des Rechtsstreits an das AG München”. Mit Beschluss vom 8.4.2002 erklärte sich das AG Weiden i.d.OPf. für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das örtlich zuständige AG München; zur Begründung führte es lediglich die Vorschrift des § 281 ZPO an. Das AG München verfügte am 19.4.2002 die Rückleitung der Akten an das AG Weiden i.d.OPf. mit der Anregung, den Verweisungsbeschluss aufzuheben, da das AG Weiden i.d.OPf. nach §§ 12, 13 ZPO zuständig sei und der Kläger sein Wahlrecht im Mahnbescheidsantrag bindend ausgeübt habe; der Verweisungsbeschluss entfalte daher keine Bindungswirkung. Die Verfügung wurde den Parteien mitgeteilt. Das AG Weiden i.d.OPf. lehnte die Rücknahme der Akten mit der Begründung ab, der Verweisungsbeschluss sei in rechtmäßiger Weise ergangen und entfalte Bindungswirkung. „Die Abgabe an das AG München” sei „übereinstimmend von beiden Parteien beantragt” worden. Die Rechtsprechung zur fehlenden Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses sei (Zöller, § 696 ZPO Rz. 9a) auf diesen Fall nicht anwendbar. Daraufhin erklärte sich das AG München mit – den Parteien mitgeteiltem – Beschluss vom 28.5.2002 für nicht zuständig und legte die Akten dem BayObLG zur Entscheidung über die Zuständigkeit gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.
II. Zu bestimmen war das AG Weiden i.d.OPf. Die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dafür maßgebenden Voraussetzungen liegen vor.
1. Die beiden am negativen Kompetenzstreit beteiligten Gerichte liegen in den Bezirken verschiedener bayerischer OLG. Das BayObLG hat in einem solchen Fall den Zuständigkeitsstreit als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht (§ 36 Abs. 1 ZPO) zu entscheiden (vgl. BGH NJW 1979, 2249; BayObLG v. 4.10.1988 – AR 1Z 67/88, BayObLGZ 1988, 305 = MDR 1989, 167; v. 21.6.1991 – AR 1Z 49/91, BayObLGZ 1991, 240 [241 f.]; v. 16.7.1991 – AR 1Z 57/91, BayObLGZ 1991, 280 [281]; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 36 ZPO Rz. 4).
Deswegen kommt, obwohl die Entscheidung von der Stellungnahme zu einer in der Rechtsprechung der OLG unterschiedlich beantworteten Rechtsfrage abhängt (vgl. nachstehend unter 3 d), eine Vorlage an den BGH gem. § 36 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht (BGH v. 21.6.2000 – XII ARZ 6/00, MDR 2000, 1209 = NJW 2000, 3214 f.; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 36 ZPO Rz. 4a, 10).
2. Die beiden am Kompetenzstreit beteiligten AG, von denen nach Rechtslage eines zuständig sein muss, haben sich nach Eintritt der Rechtshängigkeit jeweils durch unanfechtbare Verweisungsbeschlüsse (§ 281 Abs. 2 S. 2 ZPO) i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO „rechtskräftig” für unzuständig erklärt. Obwohl das AG München es nicht ausdrücklich ausgesprochen hat, ist sein Beschluss vom 28.5.2002 sinngemäß als Rückverweisung an das AG Weiden i.d.OPf. zu verstehen; denn nach der zu diesem Beschluss gegebenen Begründung sieht das AG München das AG Weiden i.d.OPf. als das zuständige Gericht an.
3. Zuständig ist infolge der unabänderlich gewordenen Bindung des Klägers an die von ihm getroffene Wahl zwischen verschiedenen möglichen Gerichtsständen das AG Weiden i.d.OPf. als Wohnsitzgericht des Beklagten. Dessen Verweisungsbeschluss vom 8.4.2002 war willkürlich und bindet daher nicht.
a) Für die Entscheidung über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch waren ursprünglich sowohl das AG Weiden i.d.OPf. als Wohnsitzgericht (§§ 12, 13 ZPO) als auch das AG München als Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 Abs. 1 ZPO; BGH NJW 1986, 935; v. 7.12.2000 – VII ZR 404/99, MDR 2001, 686 = BGHReport 2001, 368 = NJW 2001, 1936 [19...