Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuerbestellung trotz Vorliegen einer Generalvollmacht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Erteilung einer allgemeinen Generalvollmacht hindert nicht die Bestellung eines Betreuers für Aufgabenkreise, in denen der Bevollmächtigte insbesondere mit Blick auf §§ 1904 Abs. 2, 1906 Abs. 5 BGB nicht tätig werden kann.

 

Normenkette

BGB §§ 1896, Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Aktenzeichen 4 T 1837/01)

AG Kaufbeuren (Aktenzeichen XVII 73/01)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Kempten (Allgäu) vom 12.9.2001 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Mit Beschluss vom 18.7.2001 verfügte das AG im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Betreuung der Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung. Als vorläufige Betreuerin wurde eine Berufsbetreuerin bestellt. Die einstweilige Anordnung wurde bis 10.1.2002 befristet. Die Betroffene legte gegen die ergangene Entscheidung Beschwerde ein. Sie ließ eine notariell beurkundete Generalvollmacht vorlegen, nach der sie ihren Verfahrensbevollmächtigten zur Besorgung aller persönlichen und Vermögensangelegenheiten ermächtigte mit der Befugnis, für sie alle Rechtshandlungen vorzunehmen, bei welchen eine Stellvertretung gesetzlich zulässig ist. Das LG hat die Beschwerde der Betroffenen mit Beschluss vom 12.9.2001 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.

II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig.

a) Die Betroffene ist als Erstbeschwerdeführerin, deren Beschwerde zurückgewiesen wurde, zur weiteren Beschwerde berechtigt (vgl. Bassenge/Herbst, FGG, RPfl, 8. Aufl., § 27, FGG Rz. 7).

b) Die gesetzlich vorgeschriebene Form der weiteren Beschwerde (§§ 29 Abs. 1 und 4, 21 Abs. 2 FGG) ist gewahrt, nachdem die Betroffene die weitere Beschwerde am 8.11.2001 nochmals zu Protokoll der Geschäftsstelle des Beschwerdegerichts eingelegt hat. Die Beschwerdeschrift der Betroffenen vom 17.10.2001, die den gesetzlichen Formerfordernissen nicht genügt hat, ist durch die später formgerecht eingelegte weitere Beschwerde wirkungslos geworden (vgl. Keidel/Schmidt, FGG, 14. Aufl., vor §§ 19–30 Rz. 13; BayObLG BayObLGZ 1980, 344).

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses müsse davon ausgegangen werden, dass bei der Betroffenen eine paranoide Schizophrenie bestehe, die dringend behandlungsbedürftig sei. Die Betroffene sei krankheitsuneinsichtig und verweigere die Einnahme von Medikamenten. Unter diesen Umständen sei die Bestellung einer vorläufigen Betreuerin dringend erforderlich. Auch i.Ü. sei der angefochtene Beschluss des AG nicht zu beanstanden, in dem festgestellt werde, dass die freie Willensbestimmung der Betroffenen krankheitsbedingt ausgeschlossen sei. Die Betroffene sei aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage, in den im Beschluss genannten Aufgabenkreisen ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen. Eine Vertretung der Interessen der Betroffenen sei bereits jetzt dringend erforderlich. Wegen Gefahr im Verzug sei für die Betroffene zunächst einmal eine Berufsbetreuerin bestellt worden. Über die Bestellung eines endgültigen Betreuers werde im Laufe des weiteren Verfahrens entschieden.

b) Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.

aa) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt ihm das VormG einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers gegen den Willen des Betroffenen setzt daneben voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG v. 1.10.1997 – 3Z BR 358/97, FamRZ 1998, 454 [455]). Nach § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (vgl. BayObLG v. 1.10.1997 – 3Z BR 358/97 FamRZ 1998, 454 [455]). Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebensogut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB). Durch einstweilige Anordnung kann das Gericht einen vorläufigen Betreuer bestellen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers gegeben sind und mit dem Aufschub Gefahr verbunden wäre (§ 69 f. Abs. 1 FGG).

bb) Die Entscheidung des LG entspricht diesen Grundsätzen. Das LG hat verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend (§ 27 Abs. 1 FGG, § 561 Abs. 2 ZPO) festgestellt, dass insbesondere wegen des vorliegenden ärztlichen Zeugnisses derzeit dringende Gründe dafür sprechen, dass die Voraussetzungen für eine Betreuerbestellung gegeb...

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