Leitsatz (amtlich)

Für Rechtsstreitigkeiten wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, welche die beklagte Partei in ihrer Eigenschaft als Vermieterin von Wohnraum treffen, sind die Amtsgerichte sachlich zuständig; diese Zuständigkeit ist ausschließlich.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 41 O 18097/23)

 

Tenor

Als für den Rechtsstreit (sachlich) zuständiges Gericht wird das Amtsgericht München bestimmt.

 

Gründe

I. Mit ihrer zum Landgericht München I erhobenen Klage macht die in München wohnhafte Antragstellerin Schadensersatzansprüche gegen ihre Wohnungsvermieterin und die das Anwesen betreuende Hausverwaltung als Gesamtschuldner geltend.

Sie trägt vor, am 7. August 2020 auf der Treppe zwischen Hauseingang und Wohnung gestürzt zu sein und sich dabei erhebliche Verletzungen zugezogen zu haben. Die Treppe sei nass gereinigt worden; ein Warnschild vor der dadurch bedingten Rutschgefahr sei nicht aufgestellt gewesen. Das von der Hausverwaltung mit der Treppenreinigung beauftragte Unternehmen habe nicht die gebotene Sorgfalt walten lassen. Für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hätten die Antragsgegnerin zu 1) als Vermieterin aus Vertrag und die Antragsgegnerin zu 2) als Hausverwaltung aus Delikt einzustehen.

Mit Verfügung vom 9. April 2024 wies das Landgericht die Parteien auf die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte für Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum hin. Ansprüche wegen Verletzung deliktischer Pflichten wie etwa Verkehrssicherungspflichten, die im Rahmen eines Mietverhältnisses zugleich eine Verletzung vertraglicher Pflichten bedeuteten, seien vor dem Amtsgericht geltend zu machen. Das gelte jedenfalls für die Ansprüche gegen die Vermieterin, möglicherweise aber auch für die Ansprüche gegen einen vom Vermieter in die Vertragsabwicklung eingeschalteten Dritten.

Die Antragstellerin widersprach diesem Hinweis. Sie hielt daran fest, dass das Landgericht zuständig sei. Pflichtverletzungen aus dem Mietvertrag seien in der vorliegenden Sache von allenfalls untergeordneter Bedeutung. Kern des Vorwurfs seien deliktische Handlungen. In solchen Fällen ergebe sich nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Oktober 1995, 5 U 324/95, keine sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts aus § 23 Nr. 2 Buchst. a) GVG. Vorsorglich beantragte sie eine Bestimmung des gemeinsam zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO durch das zuständige Oberlandesgericht.

Die Antragsgegnerin zu 1) teilte mit, mit einer Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht einverstanden zu sein. Die Antragsgegnerin zu 2) trat dem entgegen, weil für die gegen sie gerichtete Klage angesichts der Anspruchshöhe die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet sei.

Mit Verfügung vom 23. Mai 2024 hat das Landgericht den Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Parteien haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Antragsgegnerin zu 1) hat geäußert, es erscheine sinnvoll, die streitgegenständlichen Ansprüche in einem einheitlichen Verfahren zu klären. Die Antragsgegnerin zu 2) hat nunmehr betont, es bestehe ein klarer Zusammenhang zwischen Mietvertrag und behaupteter Pflichtverletzung. Die Vermieterin habe die Hausreinigung auf die Mieter abgewälzt und zur Sicherstellung der Ausführung auf ein Reinigungsunternehmen übertragen. Der Unfall werde mit einer angeblichen Pflichtverletzung aus dem Hausreinigungsvertrag begründet. Für mietvertragliche Fragen sei das Amtsgericht zuständig.

II. Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Amtsgericht München als das für den Rechtsstreit gegen beide Antragsgegnerinnen sachlich zuständige Gericht.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 9 EGZPO für die Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts zuständig.

a) Der Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO unterliegt - zumindest in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift - auch die sachliche Zuständigkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Februar 1984, I ARZ 395/83, BGHZ 90, 155 [juris Rn. 4 ff.]; BayObLG, Beschl. v. 24. August 2023, 102 AR 123/23 e, juris Rn. 17). Wenn - wie im Streitfall - eine gegen mehrere Streitgenossen zu richtende Klage für einen Teil der Streitgenossen eine zur Zuständigkeit des Amtsgerichts gehörende Mietsache über Wohnraum darstellt, während für den anderen Teil der Streitgenossen die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet ist, ist auf Antrag das für die Klage insgesamt zuständige Gericht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu bestimmen.

b) Die Bestimmungsentscheidung obliegt dem Bayerischen Obersten Landesgericht, da das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über den in Betracht kommenden erstinstanzlichen Gerichten, dem Amtsgericht München und dem Landgericht München I, der Bundesgerichtshof ist (vgl. BayObLG, Beschl. v. 19. Juli 2023, 101 AR 136/23 e, juris Rn. 25). An dessen Stelle tritt nach § 36 Abs....

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