Leitsatz (amtlich)
Ordnet der Tatrichter für sämtliche dem Betreuer übertragenen Aufgabenkreise einen Einwilligungsvorbehalt an, hat er dessen Erforderlichkeit für jeden Aufgabenkreis darzulegen.
Normenkette
BGB § 1903
Verfahrensgang
LG Augsburg (Aktenzeichen 5 T 1711/02) |
AG Nördlingen (Aktenzeichen XVII 171/99) |
Tenor
I. Auf die Rechtsmittel des Betroffenen wird der Beschluss des LG Augsburg vom 24.6.2002 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Augsburg zurückverwiesen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 4.4.2000 bestellte das AG für den Betroffenen zwei Betreuer mit unterschiedlichen Aufgabenkreisen und ordnete gleichzeitig an, dass der Betroffene zu allen Angelegenheiten, die die Aufgabenkreise der Betreuer betreffen, der Einwilligung seiner Betreuer bedürfe. In der Folgezeit beantragte der Betroffene wiederholt die Betreuung aufzuheben. Diese Anträge lehnte das AG jeweils ab, zuletzt am 14.2.202. Gleichzeitig bestimmte es in diesem Beschluss, dass der Aufgabenkreis des Betreuers zu 1) weiterhin umfasst: die Vertretung des Betroffenen bei der Besorgung aller behördlichen, Rechts- und Versicherungsangelegenheiten, in gerichtlichen Verfahren und Führerscheinangelegenheiten, die Rückabwicklung aller Kredite und Forderungen von Gläubigern, die infolge Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen nicht rechtswirksam sind, die Geltendmachung aller Rechte und Ansprüche, die sich aus der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen ergeben, und die Vertretung im Zwangsversteigerungsverfahren des AG Nördlingen – K 69/98. Den Aufgabenkreis des Betreuers zu 2) bestimmte es, soweit dies vom LG im Beschluss vom 24.6.2002 bestätigt wurde, wie folgt: Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post, Rentenangelegenheiten, Besorgung des landwirtschaftlichen Betriebs des Betroffenen, insb. Vornahme tierärztlicher und tierhygienischer Maßnahmen, Auflösung des landwirtschaftlichen Betriebs des Betroffenen. Gleichzeitig ordnete das AG an, dass der bestehende Einwilligungsvorbehalt aufrechterhalten und auf den erweiterten Aufgabenkreis ausgedehnt werde. Gegen den Beschluss des AG legte der Betroffene Rechtsmittel ein, die gem. dem Beschluss des LG vom 24.6.2002 keinen Erfolg hatten. Hiergegen richten sich die weiteren Rechtsmittel des Betroffenen.
II. Die Rechtsmittel sind zulässig, auch soweit die Aufrechterhaltung des Einwilligungsvorbehalts angefochten ist.
Die Rechtsmittel sind auch begründet. Sie führen zur Aufhebung der Entscheidung des LG und zur Zurückverweisung der Sache an dieses.
1. Das LG hat ausgeführt:
Das VormG habe den Antrag auf Aufhebung der Betreuung zutreffend abgelehnt. Nach den vorliegenden überzeugenden Sachverständigengutachten lägen bei dem Betroffenen weiterhin die Voraussetzungen für eine Betreuung in dem zuletzt angeordneten Umfang vor.
Sowohl hinsichtlich der Erkrankung als auch hinsichtlich der Lebenssituation des Betroffenen hätten sich im Vergleich zu dem letzten Kammerbeschluss vom 12.6.2001 kaum entscheidungsrelevante Veränderungen ergeben, insb. vermöge der Betroffene nach wie vor nicht einzusehen, dass er zu einer wirtschaftlich sinnvollen Bewirtschaftung seines landwirtschaftlichen Anwesens nicht in der Lage sei.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG;
§ 546 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.
a) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, bestellt das VormG auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Betroffenen und gegen seinen Willen, setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (vgl. BayObLG v. 30.3.1995 – 3Z BR 349/94, BayObLGReport 1995, 62 = BayObLGZ 1995, 146 [148] m.w.N.; BayObLG FamRZ 1998, 454 [455]; OLG Hamm AV 1997, 135 [138]; OLG Frankfurt BtPrax 1997, 123 LS).
Nach § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist (vgl. BayObLG v. 25.7.1994 – 3Z BR 97/94, BayObLGReport 1994, 76 = BayObLGZ 1994, 209 [211]ff.; BayObLG FamRZ 1995, 1085). Dies bedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis der Konkretisierung (BayObLG v. 19.5.1994 – 3Z BR 70/94, BayObLGReport 1994, 63 = FamRZ 1995, 116). Insbesondere muss erkennbar sein, dass in den einzelnen Aufgabenkreisen aktueller Handlungsbedarf besteht (OLG Hamm v. 30.8.1994 – 15 W 237/94, FamRZ 1995, 433 [435]).
b) Ist ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, setzen die Ablehnung der Aufhebung, die Verlängerung und die Erweiterung dieser Maßnahme voraus, dass der Betroffene im Bereich des Einwilligungsvorbehalts zu einer freien Willensbestimmung nicht imstande ist, dass die erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betroffenen, die zur Anordnung des Einwilligungsvorbehalts geführt hat, nach wie v...