Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beschlussfassung darüber, zu welchen gewerblichen Zwecken eine Teileigentumseinheit genutzt werden darf, ist der jeweilige Teileigentümer nicht von der Abstimmung ausgeschlossen.
2. Die nähere Bezeichnung von Teileigentum als Laden in der Teilungserklärung hat nicht die Bedeutung einer Nutzungsbeschränkung, wenn in der Gemeinschaftsordnung ausdrücklich geregelt ist, dass es auf die Bezeichnung in der Teilungserklärung nicht ankommt.
Normenkette
WEG § 15 Abs. 1; WEG § Abs. 2; WEG § 25 Abs. 5
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 05.10.2004; Aktenzeichen 1 T 5358/04) |
AG München (Aktenzeichen 481 UR II 651/03) |
Tenor
I. Die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des LG München I vom 5.10.2004 werden zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen haben als Gesamtschuldnerinnen die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerinnen und die Antragsgegner sind Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird. Der Antragsgegner zu 1) ist Teileigentümer der Einheit Nr. 44, der Antragsgegner zu 2) zusammen mit seiner Ehefrau Teileigentümer der Einheit Nr. 45. Im Aufteilungsplan der Teilungserklärung vom 30.9.1982 werden beide Einheiten als "Laden" ausgewiesen. Der Antragsgegner zu 1) betreibt in Einheit Nr. 44 seit mindestens 15 Jahren einen Sex- und Erotikshop, dessen Schwerpunkt im Verkauf von Videos und DVDs liegt. Im zugehörigen Keller sind mit Baugenehmigung der Stadt M. seit 1995 Videokabinen installiert, in denen Kunden gegen Gebühr Videofilme ansehen können. Zum Jahreswechsel 2002/2003 wurde der Erotikshop durch einen Mauerdurchbruch zur Teileigentumseinheit Nr. 45 erweitert und wird nun in beiden Läden als einheitliches Geschäft betrieben.
Unter Nr. VII der Urkunde zur Begründung von Wohnungs- und Teileigentum vom 30.9.1982 ist die Gemeinschaftsordnung der Wohnanlage festgelegt. Sie enthält zur Nutzung des Sondereigentums in § 4 Nr. 1 und Nr. 2 auszugsweise folgende Regelungen:
"Jeder Miteigentümer kann sein Sondereigentum ungehindert nutzen, soweit nicht das Gesetz, die GO oder Rechte Dritter entgegenstehen. Er ist verpflichtet, sein Eigentum so auszuüben, dass niemand über das unvermeidliche Maß hinaus belästigt wird. Der Bestand, die Sicherheit und das architektonische und ästhetische Bild der Gebäude dürfen nicht beeinträchtigt werden."
"Durch die Bezeichnung der Teileigentumseinheiten als Laden, Büro, Lagerraum ist - vorbehaltlich öffentlich rechtlicher Genehmigungen - deren zulässige Nutzung nicht beschränkt.
Diese Teileigentumseinheiten sind vielmehr im Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander zu jedem gewerblichen Zweck nutzbar."
In der Eigentümerversammlung vom 3.6.2003 wurde unter Tagesordnungspunkt (TOP) 4.2 folgender Beschlussantrag zur Abstimmung gestellt:
"Die Eigentümergemeinschaft beschließt die Duldung der Nutzung der Ladeneinheit, derzeit Eigentümer P., in der derzeitigen Form als Laden bei Bewerbung der Ladenfläche in erotikfreier Form durch den Betreiber."
Der Antrag wurde mit 252,04 Fürstimmen, 150,34 Gegenstimmen und 129,38 Enthaltungen angenommen, wobei die Antragsgegner zu 1) und 2 an der Abstimmung teilnahmen.
Die Antragstellerinnen haben, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beantragt, den Eigentümerbeschluss vom 3.6.2003 zu TOP 4.2 für ungültig zu erklären. Das AG hat mit Beschl. v. 11.2.2004 dem Antrag stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zu 1) und 2) hat das LG mit Beschl. v. 5.10.2004 den Beschluss des AG aufgehoben und den Antrag als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerinnen.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das LG hat ausgeführt:
Der Eigentümerbeschluss vom 3.6.2003 zu TOP 4.2 sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen und entspreche auch inhaltlich ordnungsmäßiger Verwaltung. Ein Verstoß gegen § 25 Abs. 5 WEG liege nicht vor, da die Antragsgegner zu 1) und 2) nicht gehindert gewesen seien, an einer Beschlussfassung über die Nutzung ihres Sondereigentums teilzunehmen. Durch die Zulassung des Erotikgeschäfts werde auch nicht gegen eine Zweckbestimmung in der Teilungserklärung verstoßen.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die Antragsgegner zu 1) und 2) waren von der Beschlussfassung zu TOP 4.2 nicht ausgeschlossen, da ein Fall des § 25 Abs. 5 WEG nicht vorlag. Aus der Regelung des § 25 Abs. 5 WEG folgt kein allgemeines Stimmverbot bei Vorliegen einer Interessenkollision. Ein Wohnungseigentümer hat lediglich dann kein Stimmrecht, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der andere...