Leitsatz (amtlich)
Lehnt die Betroffene die Akteneinsicht durch ihre Tochter vollständig ab, so ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen mit dem Anspruch der beschwerdebefugten Tochter auf rechtliches Gehör abzuwägen und die Reichweite der Akteneinsichtbefugnis unter Berücksichtigung des Beschwerdeziels zu bestimmen.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1; FGG § 34 Abs. 1, § 69i Abs. 3, § 69g Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 20.09.2004; Aktenzeichen 13 T 14916/04) |
AG München (Aktenzeichen 712-XVII 6832/03) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG München I vom 20.9.2004 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das VormG K. ordnete am 12.9.2002 für die Betroffene Betreuung mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Sorge für die Gesundheit, Vertretung bei Behörden sowie Entscheidung über Empfang und Öffnen der Post an und bestellte insoweit die jüngste Tochter der Betroffenen, die Beteiligte zu 1), für den Verhinderungsfall deren Bruder, als Betreuer. Für den Aufgabenkreis Vermögenssorge wurde als Betreuerin eine Rechtsanwältin, die Beteiligte zu 2), bestellt. Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 3), die älteste Tochter der Betroffenen, Beschwerde ein, die das LG K. mit Beschl. v. 31.10.2002 zurückwies.
Mit Schreiben vom 9.11.2002 beantragte die Beteiligte zu 3) beim AG K. Abschrift des der Betreuungsanordnung zugrunde liegenden nervenärztlichen Gutachtens sowie der Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) zur Beschwerde der Beteiligten zu 3). Nach Anhörung der Betroffenen übertrug das AG den Aufgabenkreis Empfang und Öffnen der Post auf die Beteiligte zu 2), übersandte der Beteiligten zu 3) Abschrift der Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1), verweigerte jedoch im Hinblick auf die ablehnende Haltung der Betroffenen bei ihrer Anhörung eine Abschrift des nervenärztlichen Gutachtens. Mit Beschl. v. 28.3.2003 gab das AG K. das Verfahren an das AG M ab, in dessen Bezirk die Betroffene nun ihren ständigen Aufenthalt hat.
Mit Schriftsatz vom 4.2.2004 stellte der damalige Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) erstmals Antrag auf Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 17.2.2004 und vom 24.3.2004 verlangte er Abschrift des vom AG M eingeholten Gutachtens zur Notwendigkeit der Fortführung der Betreuung, zur Geschäftsfähigkeit der Betroffenen, insb. ihrer Fähigkeit, Vollmachten zu erteilen und zu überwachen sowie zur Notwendigkeit einer Erweiterung der Betreuung auf eine Umgangsregelung mit der Beteiligten zu 3).
Der nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) stellte mit Schriftsatz vom 21.4.2004 Antrag auf Akteneinsicht, den die Vormundschaftsrichterin unter Hinweis auf den Willen der Betroffenen am 3.5.2004 telefonisch ablehnte. Am 29.6.2004 wiederholte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 3) sein Akteneinsichtsgesuch, das das VormG nach Anhörung der Betroffenen mit Beschl. v. 14.7.2004 ablehnte. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das LG mit Beschl. v. 20.9.2004 zurück, nachdem es der Beteiligten zu 3) Gelegenheit gegeben hatte, das Ziel ihres Akteneinsichtsgesuchs zu verdeutlichen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 13.10.2004.
Nachdem die Betroffene am 8.11.2004 einem Dritten notariell beurkundete Generalvollmacht in Vermögensangelegenheiten erteilt hatte, hob das AG mit Beschl. v. 22.11.2004 die Betreuung hinsichtlich des Aufgabenkreises Vermögenssorge auf und entließ insoweit die hierfür bestellte Beteiligte zu 2) als Betreuerin.
II. Das zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 3) bleibt ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Der Beteiligten zu 3) könne Akteneinsicht gem. § 34 Abs. 1 FGG nicht gewährt werden, da ihrem Interesse, den Vermögensstatus der Betroffenen zu kontrollieren, deren höher zu bewertendes Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG entgegenstehe. Dieses umfasse auch das Recht eines Betreuten, die Einsichtnahme Dritter, zu denen auch leibliche Verwandte zählten, in ihre Vermögensverhältnisse zu unterbinden. Aus der testamentarischen Schlusserbenstellung der Beteiligten zu 3) nach dem Tod der Betroffenen ergebe sich ebenso wenig eine rechtliche Verstärkung ihres Akteneinsichtsinteresses wie aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, da die Beteiligte zu 3) beim Stand des Beschwerdeverfahrens keine durch diese Vorschrift geschützte Beteiligtenstellung inne gehabt habe. Weder aus § 68a FGG noch aus § 69g FGG habe sich zum maßgeblichen Zeitpunkt eine solche ergeben. Zweifel an der Wirksamkeit der Ablehnung der Akteneinsicht seitens der Betroffenen bestünden aufgrund der gutachterlichen Darlegung nicht. Von einer Beeinflussung der Betroffenen durch die Beteiligte zu 1) sei im Hinblick darauf, dass das AG dieser die Sachlage im Einzelnen erläutert und die Betroffene ihre bereits früher a...