Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung eines vom Betroffenen vorgeschlagenen volljährigen Kindes zum Betreuer kann dem Wohl des Betroffenen zuwiderlaufen, wenn durch nachhaltige Spannungen zwischen diesem und einem weiteren Kind, bei dem sich der Betroffene wegen der dort geleisteten Versorgung gewöhnlich aufhält, die Wahrnehmung der Aufgaben des Betreuers – insb. so weit sie den notwendigen persönlichen Kontakt voraussetzen – erheblich erschwert wird.
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 23.09.2003; Aktenzeichen 4 T 918/03) |
AG Rosenheim (Aktenzeichen XVII 145/02) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 23.9.2003 (LG Traunstein, Beschl. v. 23.9.2003 – 4 T 918/03) wird zurückgewiesen.
II. Der ehemalige Betreuer hat der weiteren Beteiligten die ihr im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.
III. Der Antrag der weiteren Beteiligten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
IV. Der Wert der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Auf Anregung einer Ärztin, welche die Betroffene im Bezirksklinikum behandelt hatte, leitete das VormG nach deren Entlassung ein Betreuungsverfahren ein. Nach Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens sowie nach persönlicher Anhörung der Betroffenen, bei der diese ihr Einverständnis mit einer Betreuung und einem Einwilligungsvorbehalt zum Ausdruck brachte, wurde mit Beschluss vom 19.4.2002 der Sohn der Betroffenen zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen „Aufenthaltsbestimmung; Gesundheitsfürsorge; Vermögenssorge; Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post” bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet für Willenserklärungen, die den Aufgabenkreis der Vermögenssorge betreffen und einen Wert von 100 Euro übersteigen.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 3.2.2003 legte die weitere Beteiligte Beschwerde gegen die Bestellung ihres Bruders zum Betreuer ein und regte an, selbst zur Betreuerin bestellt zu werden.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Nach einer persönlichen Anhörung der Betroffenen bestellte ihr das LG einen Verfahrenspfleger. Eine weitere Anhörung aller Beteiligten fand ohne die Betroffene statt.
Mit Beschluss vom 23.9.2003 änderte das LG den erstinstanzlichen Beschluss dahingehend ab, dass der Sohn der Betroffenen als Betreuer entlassen und die jetzige Betreuerin, eine Rechtsanwältin, zur berufsmäßigen Führung der Betreuung bestellt wurde.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des ehemaligen Betreuers. Die weitere Beteiligte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insb. formgerecht eingelegt.
Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet.
1. Das LG hat in seiner Entscheidung ausgeführt: Die Voraussetzungen einer Betreuung lägen vor: Die Betroffene leide an einer psychischen Krankheit i.S.v. § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB, nämlich einer fortgeschrittenen senilen Demenz vom Alzheimer-Typ. Dies stehe fest aufgrund der überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen in dem für das Erstgericht erstatteten Gutachten. Da die Betroffene mit der Betreuung einverstanden sei, komme es auf die Frage eines Ausschlusses ihrer freien Willensbestimmung nicht an.
Die Betreuung sei auch in dem vom VormG angeordneten Umfang erforderlich, weil die Betroffene nach dem persönlichen Eindruck des Gerichts sowie aufgrund der Ausführungen der Gutachterin und des damaligen Betreuers insoweit nicht mehr zur Besorgung ihrer Angelegenheiten in der Lage sei.
Jedoch sei die vom VormG vorgenommene Bestellung des Sohnes zum Betreuer abzuändern, weil diese dem Wohl der Betroffenen i.S.v. § 1897 Abs. 4 S. 1 Halbs. 2 BGB zuwiderlaufe.
Zwar habe sich die Betroffene bei den jeweiligen persönlichen Anhörungen ausdrücklich für die Bestellung ihres Sohnes zum Betreuer ausgesprochen. Die Kammer habe jedoch aufgrund des gesamten Verhaltens der Betroffenen in der Anhörung den Eindruck gewonnen, dass sie krankheitsbedingt nur sehr eingeschränkt in der Lage sei, die Bedeutung einer Betreuung zu erkennen und ihren entspr. Willen kundzutun.
Unabhängig hiervon sei die Kammer aufgrund des in den beiden mündlichen Anhörungen gewonnenen Eindrucks von dem ehemaligen Betreuer und der weiteren Beteiligten sowie ihres Verhältnisses zueinander überzeugt, dass die Bestellung eines der beiden Kinder zum Betreuer mit dem Wohl der Betroffenen unvereinbar sei. Zwischen den Geschwistern bestehe offensichtlich ein von tiefem Misstrauen und unüberbrückbarer Abneigung geprägtes Verhältnis. Beide hätten sich gegenseitig angebliche Verfehlungen in der Vergangenheit vorgehalten und versucht, selbst ggü. dem jeweils anderen als das treuer für die Betroffene sorgende Kind zu erscheinen. Schon deshalb bestehe die Gefahr, dass jede für die Betroffene erforderliche Handlung des Betreuers von der anderen Seite behindert werde, wie schon der misslungene Versuch einer bloßen Terminsvereinbarung mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkasse zum Zweck der Begutachtu...