Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzungen der Bestellung eines vorläufigen Betreuers.
2. Die Rückführung der Schulden eines vermögenslosen Betroffenen kann die Bestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis Vermögens sorge begründen.
3. Zur Auswahl und Entlassung eines Betreuers.
4. Widerspricht der Betroffene der Entlassung des Betreuers erst im Beschwerdeverfahren, hat das Landgericht den Betreuer grundsätzlich persönlich zu hören, wenn das Amtsgericht hiervon abgesehen hat.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 2, § 1897 Abs. 4, § 1908d Abs. 1; FGG §§ 27, 69f, 69i Abs. 7
Verfahrensgang
LG Regensburg (Entscheidung vom 04.07.2000; Aktenzeichen 7 T 409/00 und 7 T 410/00) |
AG Regensburg (Entscheidung vom 30.05.2000; Aktenzeichen XVII 730/00) |
Tenor
Die Rechtsmittel gegen den Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 4. Juli 2000 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beschluß des Amtsgerichts Regensburg vom 3. Mai 2000 in Ziffer 1 dahin ergänzt wird, daß nach „Sorge für die Gesundheit” angefügt wird „bei psychischen Erkrankungen”.
Gründe
I.
Am 3.5.2000 bestellte das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung einen Berufsbetreuer und den Beteiligten, den Bruder der Betroffenen, zu deren vorläufigen Betreuern mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge. Mit Beschluß vom 30.5.2000 übertrug das Amtsgericht dem Berufsbetreuer auch den Aufgabenkreis Vermögens sorge und entließ den Beteiligten als Betreuer. Die einfachen und sofortigen Beschwerden der Betroffenen und des Beteiligten gegen beide Beschlüsse wies das Landgericht mit Beschluß vom 4.7.2000 zurück. Hiergegen wenden sich die Rechtsmittel der Beschwerdeführer, mit denen sie rügen, daß die Voraussetzungen für die Bestellung eines vorläufigen Betreuers nicht vorlägen, jedenfalls aber die Entlassung des Berufsbetreuers und die Bestellung eines Familienangehörigen zum Betreuer begehren.
II.
Die zulässigen Rechtsmittel sind zum Teil begründet.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß die Voraussetzungen für eine vorläufige Betreuerbestellung im Weg der einstweiligen Anordnung vorlägen. Nach dem mündlichen Gutachten der Psychiaterin vom 14.6.2000 leide die Betroffene seit Jahren an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. In den zurückliegenden Jahren habe eine Polytoximanie von gesundheitsgefährdendem Ausmaß bestanden. Vor allem seit den letzten drei Jahren konsumiere die Betroffene Beruhigungsmittel in exzessiven Mengen. Dabei habe die Betroffene am 16.5.2000 Durchblutungsstörungen im Gehirn, einhergehend mit Sauerstoffmangel und Gehirninfarkten an drei unterschiedlichen Hirnzentren erlitten. Für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge sei somit eine vorläufige Betreuerbestellung notwendig. Die Betroffene vermöge ihren Willen nicht frei zu bestimmen. Sie erkenne die Gefährlichkeit ihrer Erkrankung, bei der es zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen könne, nicht. Bei einem Aufschub der Betreuerbestellung sei Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen gegeben. Erforderlich sei die Auswahl eines Berufsbetreuers, der Erfahrung im Umgang mit Suchtkranken habe. Der Beteiligte komme als Betreuer nicht in Betracht. Dies gelte für den Bereich der Vermögens sorge, da insoweit ein Interessenkonflikt bestehe. Der Beteiligte habe, da er selbst nicht kreditwürdig gewesen sei, auf den Namen der Betroffenen zum Kauf eines Autos einen Kredit aufgenommen, der noch nicht zurückbezahlt sei. Die für den Bereich Gesundheitsfürsorge erforderliche Erfahrung im Umgang mit Suchtkrankheiten fehle dem Beteiligten.
Für die Entlassung eines Betreuers genüge jeder Grund der Nichteignung im Sinne des § 1897 BGB. Im übrigen sei die Entlassung des Beteiligten als Mitbetreuer im Interesse der Betroffenen notwendig. Zwischen ihm und dem Berufsbetreuer bestünden ganz offensichtlich unüberbrückbare Differenzen. Eine nur teilweise Entlassung des Beteiligten als Mitbetreuer komme nicht in Betracht.
2. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht in vollem Umfang stand.
a) Bestellung des Berufsbetreuers
aa) Die der rechtlichen Würdigung des Landgerichts zugrunde liegenden Tatsachen sind verfahrensfehlerfrei ermittelt. Der Senat ist daher an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden (vgl. BayObLGZ 1999, 17/20).
Insbesondere durfte das Landgericht ohne Verstoß gegen § 12 FGG von der Erholung eines Gutachtens zu den Gründen des Zusammenbruchs der Betroffenen am 16.5.2000 absehen. Ihm lagen ein ärztliches Zeugnis des externen behandelnden Arztes sowie das im Rahmen der mündlichen Anhörung der Betroffenen erstattete Kurzgutachten der behandelnden Stationsärztin des Bezirkskrankenhauses vor. Letzterer war die am 16.5.2000 eingetretene Durchblutungsstörung bekannt, sie hatte sich auch hierzu geäußert. Zweifel an der Fachkunde dieser Ärzte bestehen nicht. Unter diesen Umständen durfte das Gericht im Verfahren der vorläufigen Anordnung, in dem grundsätzlich bereits ein ärztlic...