Leitsatz (amtlich)
1. Gestattung des weiteren Fortgangs des Vergabeverfahrens und des Zuschlags wegen mangelnder Erfolgsaussichten des Nachprüfungsantrags.
2. Gibt die Vergabestelle im Verhandlungsverfahren zu erkennen, dass sie ein Nebenangebot trotz konstruktiv-gestalterischer Abweichungen von den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses als zuschlagsfähig einstuft, so hindert das nicht, diese Abweichungen in der abschließenden Wertung unter dem Gesichtspunkt der Zuschlagskriterien Konstruktion und Gestaltung als nachteilig zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 24.02.2002; Aktenzeichen 120.3-3194.1-63-12/03/04) |
Tenor
I. Der Senatsbeschluss vom 24.2.2004 wird aufgehoben.
II. Dem Antragsgegner werden der weitere Fortgang des Vergabeverfahrens und der Zuschlag gestattet.
Gründe
I. Der Antragsgegner führt durch das Staatliche Hochbauamt (Vergabestelle) im Rahmen eines Bauvorhabens für das Los "Fassadenarbeiten" ein Verhandlungsverfahren ohne Vergabebekanntmachung nach § 3a Nr. 5 VOB/A durch. Vorausgegangen war ein Nichtoffenes Verfahren, das der Antragsgegner wegen unangemessen hoher Preise aufgehoben hatte. Im Leistungsverzeichnis werden unter Titel 1.1 Schiebefensterelemente in verschiedener Höhe (teilweise rund 5 m) verlangt, deren Funktion u.a. wie folgt beschrieben wird: "Schiebetüre außen vor Festverglasung laufend, im geschlossenen und geöffneten Zustand vor Festverglasungsrahmen stehend (Rahmen deckungsgleich, teilweise vor anderem Element)".
Mit Schreiben vom 3.9.2003 wurden zwölf Bewerber, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, zur Abgabe von Angeboten bis 30.9.2003 aufgefordert. In diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass Nebenangebote gem. Punkt 4 der Bewerbungsbedingungen "nach wie vor zugelassen und ausdrücklich erwünscht sind". In der Aufforderung zur Angebotsabgabe waren unter Punkt 5.3 für die Wertung der Haupt- und Nebenangebote die folgenden Zuschlagskriterien angekreuzt: Preis, Qualität, Funktionalität, Gestaltung, Konstruktion; eine Gewichtung war nicht angegeben.
Im Schreiben der Vergabestelle vom 3.9.2003 waren ferner Aufklärungsgespräche angekündigt, bei denen es u.a. um den Punkt "Titel 1.1 Schiebetüren der Elementfassaden" gehen sollte. Die Gespräche fanden vom 11. bis 15.9.2003 statt.
Im Protokoll über das Gespräch mit der Antragstellerin am 15.9.2003 ist unter Punkt 1.3.2 zum Betreff "Höhenänderung der Schiebelemente" vermerkt: "auf eine Referenzhöhe von ca. 300 cm mit Riegel und darüberliegender Festverglasung möglich". Nach den Aufklärungsgesprächen stellte die Vergabestelle mit Schreiben vom 17.9.2003 an alle Bewerber den weiteren Ablauf dar und wies auf verschiedene Änderungen ihrer Anforderungen hin.
Zum Einreichungstermin am 30.9.2003 lagen elf Angebote vor, die in formeller Hinsicht sowie rechnerisch, technisch und wirtschaftlich geprüft wurden. Die Antragstellerin hatte u.a. das hier streitgegenständliche Nebenangebot 1 zu Titel 1 abgegeben, mit der Kurzbeschreibung: "Schiebefenster: als innen laufende Schiebekonstruktion mit einer Elementhöhe von 3,35 m". Das Nebenangebot wurde in die engere Wahl genommen. Unter Einbeziehung dieses Nebenangebots gelangte die Antragstellerin unter die drei erstplatzierten Bieter der vorläufigen Rangfolge. Auch die Beigeladene kam auf einen dieser Plätze.
Mit den drei erstplatzierten Bietern wurde sodann eine weitere Verhandlungsrunde durchgeführt. Die abschließenden Verhandlungsgespräche fanden am 27.10.2003 statt. Zu diesem Gespräch hatte die Vergabestelle mit getrennten Schreiben vom 21.10.2003 geladen. Die Schreiben enthielten den Hinweis, dass im Verhandlungsgespräch sowohl formale, technische als auch preisliche Vorschläge/Ergänzungen/Korrekturen seitens des Bieters sowie der Vergabestelle zulässig seien, dass aber mit Schließung des Verhandlungsgesprächs keine weitere Angebotspreisänderung mehr möglich sei. Ferner wurde jeder der drei Bieter über seine jeweiligen, von der Vergabestelle errechneten, unter Einbeziehung gewerteter Nebenangebote sich ergebenden aktuellen Wertungssummen informiert. Im Schreiben an die Antragstellerin ist deren Nebenangebot 1 mit einer Einsparung von 114.492,08 Euro angegeben.
Zum Verhandlungsgespräch am 27.10.2003 brachte die Antragstellerin ein neues Nebenangebot C mit (als Gesamtangebot mit neu kalkulierten Einheitspreisen zu verschiedenen Titeln). Im Verlauf des Gesprächs wurde sie auch zu den Glasdicken der Überkopfverglasungen gefragt, unter Hinweis auf eine der Vergabestelle am 17.10.2003 per e-mail zugegangene Empfehlung, anstelle von 2 × 8 mm Spiegelglas aus statischen Gründen eine Glasdicke von 2 × 10 mm zu verwenden. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, noch während des Gesprächs, dessen Ende zugleich den Abschluss der Verhandlungen bilden sollte, zu etwaigen für ihr Angebot notwendig werdenden Preisänderungen Stellung zu nehmen. Sie erklärte schließlich, dass die Glasdicken der Atrium-Dachverglasung ohne Mehrkosten ausgeführt werden. Diese Erkläru...