Leitsatz (amtlich)
1. Zum ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand für eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück auf Grund Gläubigeranfechtung.
2. Keine Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses, wenn der Verweisungsgrund von vorneherein nur für einen Teil der in Klagehäufung erhobenen Ansprüche zutrifft und der Rechtsstreit insgesamt verwiesen worden ist.
Normenkette
ZPO §§ 24, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 15.10.2002; Aktenzeichen 3 O 1815/02) |
LG Dessau (Aktenzeichen 2 O 910/03) |
Tenor
Zuständig ist das LG Kempten (Allgäu).
Gründe
I. Die Kläger sind Erben der von X., für die der Ehemann der Beklagten als Anlageberater tätig war. Sie werfen diesem Unterschlagung und Veruntreuung von Vermögen des X vor und haben gegen ihn einen Vollstreckungsbescheid über 136.271,79 Euro des AG Coburg erwirkt. Der Ehemann der Beklagten hat am 15.11.2001 die eidesstattliche Offenbarungsversicherung abgegeben. Die Kläger behaupten, der Ehemann der Beklagten habe das veruntreute Geld seiner Ehefrau, der Beklagten, übertragen, die damit in Bitterfeld gelegene Grundstücke in Kenntnis der Herkunft des Geldes erworben habe.
Mit vor dem LG Kempten (Allgäu) gegen die im dortigen Bezirk wohnhafte Beklagte erhobener Klage kündigten die Kläger folgende Klageanträge an, die sie auf Gläubigeranfechtung stützen:
I. Die Beklagte wird verurteilt wegen der vollstreckbaren Forderung der Kläger i.H.v. 136.271,79 Euro aufgrund des Vollstreckungsbescheides des AG Coburg – vom 13.3.2002 – die Zwangsvollstreckung in die Grundstücke … zu dulden.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 136.271,79 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Das LG Kempten (Allgäu) wies die Parteien darauf hin, dass bei ihm ein Parallelverfahren anhängig sei, das die Duldung der Zwangsvollstreckung in die streitgegenständlichen Grundstücke zum Gegenstand habe und in dem ein Gutachten zu den Grundstückswerten eingeholt werde. Mit Beschluss vom 15.10.2002 setzte das LG Kempten (Allgäu) das Verfahren gem. § 148 ZPO im Hinblick auf das Parallelverfahren und das dort eingeholte Gutachten zum Wert der streitgegenständlichen Grundstücke mit Einverständnis der Parteien aus. Mit Verfügung vom 20.1.2003 wies das LG Kempten (Allgäu) die Parteien darauf hin, dass eine Anfechtungsklage vorliege, für die der ausschließliche dingliche Gerichtsstand des § 24 ZPO gegeben sei. Es begründete seine Auffassung damit, dass die Rechtsverhältnisse am Grundstück am besten von dem Richter festgestellt und gewürdigt werden könnten, in dessen Bezirk das Grundstück liegt; § 24 ZPO stelle nicht auf den Klagegrund, sondern auf den Klageantrag ab. Da die Kläger auf Duldung der Zwangsvollstreckung klagten, betreffe die Klage das Eigentum der Beklagten.
Die Kläger beantragten daraufhin die Verweisung des Rechtsstreits „an das zuständige LG”. Die Beklagte wandte sich ausdrücklich gegen eine Verweisung mit der Begründung, § 24 ZPO sei auf den vorliegenden Sachverhalt der Anfechtungsklage nicht anwendbar, und wies auf die einschlägige Rechtsprechung (OLG Celle v. 11.7.1986 – 8 U 202/85, MDR 1986, 1031) und Kommentarliteratur (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 24 Rz. 9) hin. Mit Beschluss vom 22.5.2003 erklärte sich das LG Kempten (Allgäu) für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das LG Dessau. Zur Begründung verwies es auf seinen Hinweis vom 20.1.2003.
Das LG Dessau lehnte mit Beschluss vom 16.6.2003 die Übernahme des Rechtsstreits ab und legte die Akte zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor. Es ist der Auffassung, dass der dingliche Gerichtsstand des § 24 ZPO nicht für Klagen auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück aufgrund einer Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz gilt.
II.1. Das BayObLG ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits berufen, weil die beteiligten Gerichte zu einem bayerischen und einem außerbayerischen Oberlandesgerichtsbezirk gehören und das LG Kempten (Allgäu) zuerst mit der Sache befasst war (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO).
2. Die beiden am Kompetenzstreit beteiligten LG, von denen nach Sachlage eines zuständig sein muss, haben sich nach Eintritt der Rechtshängigkeit jeweils durch unanfechtbare Verweisungsbeschlüsse (§ 281 Abs. 2 S. 2 ZPO) i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO „rechtskräftig” für unzuständig erklärt. Der Beschluss des LG Dessau vom 16.6.2003 ist sinngemäß als Rückverweisung an das LG Kempten (Allgäu) zu verstehen, da in den Gründen der Standpunkt vertreten wird, dieses sei ungeachtet des Verweisungsbeschlusses zuständig geblieben.
3. Zuständig ist das LG Kempten (Allgäu).
a) Das LG Kempten (Allgäu) ist für den in Klagehäufung neben dem Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Grundstücke erhobenen Zahlungsanspruch unzweifelhaft als Gericht des allgemeinen Gerichtsstands der Beklagten gem. §§ 12, 13 ZPO zuständig. Diese Zuständigkeit ist auch nicht aufgrund des Verweisungsbeschlusses des LG Kempten (All...