Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass auf Seiten der Beklagten eine Streitgenossenschaft – in einer der Formen der §§ 59, 60 oder 62 ZPO – besteht.
2. Eine Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO ist anzunehmen, wenn der Kläger zwei Ärzte, die ihn nicht im Zusammenwirken, sondern hintereinander und unabhängig voneinander behandelt haben, wegen Behandlungsfehlern auf Schadensersatz in Anspruch nimmt und behauptet, dass sein jetziger Zustand auf die Behandlungsfehler beider Ärzte zurückzuführen sei.
3. Die Bestimmung eines gemeinschaftlich zuständigen Gerichts ist, wenn die Klage bereits bei einem Gericht erhoben ist, bei dem einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, dann noch möglich, wenn dem anderen die Führung des Rechtsstreits vor diesem Gericht zuzumuten ist.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 60
Verfahrensgang
LG Memmingen (Aktenzeichen 2 O 2084/01) |
Tenor
Zuständig ist das LG Memmingen.
Gründe
I. Die Klägerin war von der Beklagten zu 1), die in G. eine Praxis als Frauenärztin betreibt, wegen eines Mamma-Karzinoms operiert und anschließend in der Klinik der Beklagten zu 2) in U. bestrahlt worden. Die danach verbleibenden starken Schmerzen führt die Klägerin auf Behandlungsfehler beider Beklagter zurück. Sie nimmt sie mit der zum LG Memmingen erhobenen Klage als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch. Der Vorsitzende der Zivilkammer ordnete ein schriftliches Vorverfahren an; die Klage wurde beiden Beklagten zugestellt. Die Beklagte zu 2) rügte innerhalb der ihr zur Klageerwiderung gesetzten Frist die örtliche Unzuständigkeit des LG Memmingen.
Die Klägerin hat, wie ihr von der Zivilkammer anheim gegeben worden war, mit an das OLG München gerichtetem Schriftsatz vom 12.3.2002 beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.
Das OLG München hat den Antrag dem BayObLG vorgelegt.
II. Zu bestimmen war das LG Memmingen. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
1. Da das LG Memmingen, bei dem die Beklagte zu 1) ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, und das LG Ulm, bei dem die Beklagte zu 2) ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken angehören (OLG München bzw. OLG Stuttgart), das zuerst mit der Sache befasste Gericht aber zum Bezirk des OLG München gehört, nimmt nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO das BayObLG die Bestimmung vor.
2. Der Umstand, dass die Beklagten nicht, wie es § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wörtlich voraussetzt, „verklagt werden sollen”, sondern bereits verklagt sind, steht einer Bestimmung des zuständigen Gerichts nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht entgegen (BayObLG v. 20.4.1993 – 1Z AR 5/93, BayObLGZ 1993, 170 [171]; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 36 ZPO Rz. 16; Thomas/Putzo, 24. Aufl., § 36 ZPO Rz. 15). Aus dem konkreten Prozessstand können sich aber, wenn die Bestimmung erst nach Klageerhebung beantragt wird, Einschränkungen ergeben (vgl. z.B. BGH LM § 36 Ziff. 3 ZPO Nr. 11; BayObLG BayObLGZ 1980, 222 [224 f.]; Stein/Jonas/Schumann, 21. Aufl., § 36 ZPO Rz. 11 Fn. 30).
3. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass eine Streitgenossenschaft – in einer der Formen der §§ 59, 60 oder 62 ZPO – besteht (offen gelassen in BGH v. 16.4.1986 – IVb ARZ 4/86, MDR 1986, 921 = FamRZ 1986, 660 f.; vorausgesetzt aber in BGH v. 19.11.1991 – X ARZ 10/91, MDR 1992, 709 = NJW 1992, 981).
Die Voraussetzungen für eine passive Streitgenossenschaft i.S.d. § 60 ZPO sind erfüllt.
Bei der Prüfung dieser Frage muss von dem Vortrag des Klägers ausgegangen werden (BayObLG BayObLGZ 1983, 64 [65]). Die Schlüssigkeit der Klage ist jedoch im Verfahren gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht zu prüfen (BayObLG v. 28.10.1997 – 1Z AR 74/97, MDR 1998, 180 [181]; Thomas/Putzo, 24. Aufl.§ 36 ZPO Rz. 15).
Die Klägerin führt den von ihr geltend gemachten Schaden auf Behandlungsfehler beider Beklagter zurück. Den Gegenstand des Rechtsstreits bilden daher auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche (vgl. BayObLG v. 12.3. 1998 – 1Z AR 99/96, NJW-RR 1998, 209; v. 3.3.1998 – 1Z AR 9/98, NJW-RR 1998, 814 [815]; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 60 ZPO Rz. 7). Es ist nicht erforderlich, dass der tatsächliche und der rechtliche Grund von mehreren geltend gemachten Ansprüchen identisch ist, um das Vorliegen einer Streitgenossenschaft zu begründen. Erforderlich ist allerdings, dass die Ansprüche in einem inneren Zusammenhang stehen (KG v. 27.6.2000 – 28 AR 171/99, KGReport Berlin 2000, 332 = MDR 2000, 1394). Dieser innere Zusammenhang ergibt sich hier daraus, dass nach der Behauptung der Klägerin die Behandlungsfehler beider Beklagten zusammenwirkten zu dem zum Schadensersatz verpflichtenden Zustand.
4. Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand ist nicht gegeben.
5. Der Umstand, dass bereits Klage erhoben ist, führt hier insoweit zu einer Einschränkung im Bestimmungsverfahren, als nicht mehr frei zwischen den in Betracht kommenden Gerichten gewählt w...