Leitsatz (amtlich)
1. Keine Bestimmung des zuständigen Gerichts, wenn für die Klage gegen alle Streitgenossen der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes gegeben ist.
2. Der Erfüllungsort für die Bürgschaftsschuld richtet sich nicht nach dem der Hauptschuld, sondern ist selbstständig zu bestimmen.
3. Der gemeinschaftliche besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts ist auch dann gegeben, wenn kein einheitlicher Erfüllungsort gegeben ist, die Erfüllungsorte aber tatsächlich übereinstimmen.
Normenkette
ZPO §§ 29, 36 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 269 Abs. 1, § 607 a.F., § 765
Verfahrensgang
AG Garmisch-Partenkirchen (Aktenzeichen 6 C 336/02) |
Tenor
I. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Bestimmungsverfahrens.
III. Der Wert des Bestimmungsverfahrens wird auf 946 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Sparkasse, hat dem im Amtsgerichtsbezirk Gelnhausen (Hessen) wohnhaften Beklagten zu 2) am 31.7.1998 ein Darlehen über 39.500 DM gewährt. Am 6.8.1998 hat sich die Beklagte zu 1), Ehefrau des Beklagten zu 2) und zum damaligen Zeitpunkt ebenfalls im Amtsgerichtsbezirk Gelnhausen wohnhaft, für die Darlehensschuld verbürgt. Sie hat sich von ihrem Ehemann getrennt und ist im Oktober 1999 in den Amtsgerichtsbezirk Garmisch-Partenkirchen umgezogen; am 26.9.2001 wurde die Ehe der Beklagten geschieden.
Die Klägerin hat die Beklagte zu 1) aus der Bürgschaft in Anspruch genommen und gegen sie einen Mahnbescheid über 30.636,75 DM nebst Zinsen erwirkt, gegen den die Beklagte zu 1) Widerspruch eingelegt hat. Das Mahngericht hat die Sache an das im Mahnbescheidsantrag für das Streitverfahren als zuständig angegebene AG Garmisch-Partenkirchen abgegeben. Mit Schriftsatz vom 21.8.2002 hat die Klägerin die Klage auf den Beklagten zu 2) erweitert und beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 3.786,64 Euro nebst Zinsen zu bezahlen. Der Beklagte zu 2) hat die örtliche Unzuständigkeit des AG Garmisch-Partenkirchen gerügt. Die Klägerin ist der Auffassung, infolge der Klageerweiterung sei das AG Garmisch-Partenkirchen auch bezüglich des Beklagten zu 2) zuständig; lediglich hilfsweise hat sie beantragt, das zuständige Gericht für beide Beklagte zu bestimmen. Das AG Garmisch-Partenkirchen hat deshalb die Akten dem OLG München vorgelegt, das diese an das BayObLG weitergeleitet hat.
II. 1. Das BayObLG ist zur Entscheidung über das Gesuch auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts berufen, da die Beklagten ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) in einem bayerischen und einem außerbayerischen Gerichtsbezirk haben (§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, § 9 EGZPO).
2. Dem Gesuch kann nicht entsprochen werden. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor, da für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist. Die Klägerin kann beide Beklagte vor dem AG Gelnhausen im Besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) verklagen. Das schließt eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat aus (vgl. BGH v. 5.12.1985 – I AZR 737/85, MDR 1986, 469 = NJW 1986, 935; BayObLG v. 14.1.1997 – 1Z AR 94/96, NJW-RR 1997, 699; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rz. 15).
Für die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Darlehensforderung ist der im Amtsgerichtsbezirk Gelnhausen gelegene Wohnsitz des Schuldners bei Kreditgewährung Erfüllungsort (§§ 269, 270 Abs. 1, Abs. 4 BGB; BayObLG v. 31.1.1996 – 1Z AR 62/95, BayObLGReport 1996, 23 = NJW-RR 1996, 956; Zöller/Vollkommer § 29 Rz. 25 „Darlehensvertrag”). Für die Haftung des Bürgen ist der Erfüllungsort der Hauptschuld nicht maßgebend (BayObLG v. 31.3.1992 – 1Z AR 15/92; v. 19.1.1995 – 1Z AR 83/84; v. 25.7.1996 – 1Z AR 47/96; Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl., § 765 Rz. 26). Erfüllungsort für die Verpflichtung der Beklagten zu 1) als Bürgin ist ihr Wohnsitz im Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses (BGH NJW 1997, 398; v. 9.3.1995 – IX ZR 134/94, MDR 1995, 592 = NJW 1995, 1546 [1547]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 29 Rz. 25 „Bürgschaft”). Dieser war bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde am 6.8.1998 ebenfalls im Amtsgerichtsbezirk Gelnhausen. Der Wohnsitzwechsel, den die Beklagte zu 1) nach der Entstehung der Bürgschaftsverpflichtung vorgenommen hat, ändert den Erfüllungsort nicht (BayObLG v. 31.1.1996 – 1Z AR 62/95, BayObLGReport 1996, 23 = NJW-RR 1996, 956; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 29 Rz. 24).
Die Klägerin kann daher beide Beklagte beim AG Gelnhausen verklagen, weil sich die Erfüllungsorte der auf unterschiedlichen Klagegründen beruhenden Forderungen der Klägerin (zufällig) decken. Ein die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausschließender gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand gem. § 29 ZPO ist aber nach dem Sinn und Zweck von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch dann anzunehmen, wenn zwar nicht der Erfüllungsort der einen Forderung auch für die andere maßgebend ist, die Erfüllungsorte der ...