Leitsatz (amtlich)
1. Ergibt sich aus einer schlagwortartigen Bezeichnung im Angebot eindeutig Art und Umfang des beabsichtigten Nachunternehmereinsatzes, so kann das Angebot nicht deshalb wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen werden, weil die zusätzlich verlangte Ordnungsziffer des Leistungsverzeichnisses nicht angegeben ist.
2. Ein Betrieb ist dann auf eine Leistung eingerichtet, wenn er nach seiner Struktur, seiner Organisation und seinen internen Betriebsabläufen generell darauf ausgerichtet ist.
Verfahrensgang
Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 08.04.2004; Aktenzeichen 120.3-3194.1-27-04/04) |
Tenor
I. Der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 8.4.2004 wird aufgehoben.
II. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, beim gegenwärtigen Verfahrensstand die Zuschlagserteilung zu unterlassen, das Hauptangebot der Antragstellerin nicht von der Wertung auszuschließen und die Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu werten.
III. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens.
IV. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
V. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 540.760 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Autobahndirektion (= Vergabestelle) schrieb Europaweit im Offenen Verfahren den Neubau einer Autobahnbrücke mit einer veranschlagten Angebotssumme von 11.700 000 Euro aus. Nebenangebote und Alternativvorschläge waren zugelassen. Die Inhaltsübersicht der Leistungsbeschreibung enthält unter 18.4.2. das Gewerk Montage der Stahlüberbauten, dessen Ausführungsmodalitäten in der Allgemeinen Beschreibung der Bauleistung unter Ziff. 18.4.2. (A 46) im Einzelnen geschildert werden. Im Leistungsverzeichnis ist unter 3.4.40 die planmäßige Montage der Überbauten gem. Ordnungsziffern (OZ) 3.4.10 bis 3.4.30 enthalten. Ziff. 3.4.10 befasst sich mit der Stahlkonstruktion für den kompletten Überbau. Nach dieser Ziffer gelten die einzusetzenden Einheitspreise für den fertig zusammengebauten Überbau; die Montage wird gesondert vergütet. Die Position 3.4.40 bot die Antragstellerin mit 1.444.000 Euro an.
Der Leistungsbeschreibung lag das Formular EVM Ang bei, in welchem unter Ziff. 5 Angaben zur Leistungsausführung gemacht werden sollten. Die Antragstellerin hatte unter Ziff. 5.1 "für Leistungen, auf die mein/unser Betrieb eingerichtet ist", das oberste Kästchen neben dem Text angekreuzt: "Ich/Wir werde(n) nach § 4 Nr. 8 VOB/B die Leistung im eigenen Betrieb ausführen. Mir ist bekannt, dass ich/wir Leistungen, auf die mein Betrieb eingerichtet ist, nur mit schriftlicher Zustimmung des Auftraggebers an Nachunternehmer übertragen darf/dürfen und nach Vertragsabschluss mit einer Zustimmung hierzu nicht rechnen kann/können". Außerdem hatte sie unter Ziff. 5.2 "für Leistungen, auf die mein/unser Betrieb nicht eingerichtet ist" das Kästchen neben dem Text angekreuzt: "Ich/Wir werde(n) die in der von mir beigefügten Liste zu Nr. 5.2 aufgeführten Leistungen an Nachunternehmer übertragen, weil mein/unser Betrieb auf diese Leistungen nicht eingerichtet ist". Die Beigeladene hatte das Formblatt EVM Ang genauso ausgefüllt.
In dem beiliegenden Formular EVM NU - Nachunternehmer hatte die Antragstellerin die Nachunternehmer mit der Beschreibung der Teilleistungen, aber ohne Angabe der Ordnungsziffern (OZ) aufgeführt. So wurde als Nachunternehmer 5 die Firma A für die Teilleistung "Montage-Werkvertrag" benannt; die Antragstellerin hatte handschriftlich oben auf dem Formular die Bemerkung "Stahlbau" hinzugefügt. In dem weiter beigefügten Formular EFB Preis 2 gab die Antragstellerin für die Position 3.4.40 Montage Überbau Nachunternehmerkosten von 486.950 Euro, Gerätekosten von 165.000 Euro und Löhne von 792.000 Euro an; für verschiedene andere Positionen, darunter den Querverschub mit 57.000 Euro, waren ebenfalls Nachunternehmerkosten eingetragen. Im Formular EFB Preis 1a hatte die Antragstellerin zum Punkt Nachunternehmerleistungen keine Eintragungen vorgenommen.
Unter den beim Submissionstermin eröffneten zwölf Angeboten lag nach rechnerischer Prüfung das Angebot der Antragstellerin mit 10.815.214,62 Euro an erster, das der Beigeladenen mit 11.287.311,54 Euro an dritter Stelle. Die Antragstellerin hatte zwei Sondervorschläge und zwei Varianten abgegeben und 2 % Nachlass eingeräumt; die Sondervorschläge betrafen die Pauschalierung des Überbaus sowie eine querorientierte Fahrbahn, die Varianten einen Besichtigungswagen mit Notausstieg sowie ein Geländer mit Lochblech.
Nach der schriftlichen, von der Vergabestelle am 16.2.2004 verfassten Niederschrift über ein Bietergespräch vom 13.2.2004 bestätigte die Antragstellerin u.a. für das Gewerk "Montage (Werkvertrag): Schlosser- und Schweißarbeiten auf der Baustelle" als Nachunternehmer die Firma A vorgesehen zu haben, während die Werksfertigung in B erfolgen sollte (Ziff. 9 der Niederschrift). Sie benannte zusätzlich zu den bereits benannten sechzehn Nachunternehmer...