Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungssache

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ausbildung zum mittleren Beamten der Deutschen Bundesbahn ist einer abgeschlossenen Lehre vergleichbar (im Anschluß an BayObLG Beschluß vom 22.3.2000 – 3Z BR 63/00).

 

Normenkette

BVormVG § 1 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Passau (Urteil vom 05.04.2000; Aktenzeichen 2 T 3/00)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Passau vom 5. April 2000 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1, ein ehemaliger mittlerer Beamter der Deutschen Bundesbahn, war für den Betroffenen zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge und Vertretung bei Behörden und Sozialkassen bestellt. Er führte die Betreuung berufsmäßig. Er ist der Ansicht, daß er über besondere, für die Betreuung nutzbare und durch eine einer abgeschlossenen Lehre vergleichbare Ausbildung erworbene Kenntnisse verfuge. Dementsprechend beantragte er für seine Tätigkeit in der Zeit vom 29.9.1999 bis 13.11.1999 die Bewilligung einer Vergütung aus der Staatskasse von 1.881 DM, wobei er einen Stundensatz von 45 DM zugrunde legte. Das Amtsgericht bewilligte am 30.11.1999 lediglich eine Vergütung in Höhe von 1.463 DM, da es einen Stundensatz von 35 DM für gerechtfertigt hielt. Auf die sofortige Beschwerde des Betreuers hat das Landgericht mit Beschluß vom 5.4.2000 die amtsgerichtliche Entscheidung dahin abgeändert und dem ehemaligen Betreuer die beantragte Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von 1.881 DM bewilligt.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Staatskasse, die einen Stundensatz von 35 DM für zutreffend ansieht.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 29 Abs. 2 i.V.m. § 69e Satz 1, § 56g Abs. 5 FGG statthaft, insbesondere vom Landgericht zugelassen (§ 56g Abs. 5 Satz 2 FGG). Sie ist aber nicht begründet.

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Dem Betreuer stehe als Vergütung ein Stundensatz von 45 DM gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormG zu. Die Qualifikation und Ausbildung des Betreuers seien einer abgeschlossenen Lehre vergleichbar. Der Betreuer habe nach dem Schulabschluß der mittleren Reife die Anstellungsprüfung für den mittleren nichttechnischen Dienst bei der Deutschen Bundesbahn bestanden. Diese Ausbildung sei in ihrem Kernbereich auch auf die Vermittlung von Kenntnissen ausgerichtet gewesen, die bei der Führung von Betreuungen, insbesondere auf den Gebieten der Vermögenssorge und des Umgangs mit Behörden den Betreuer befähigen, diese Aufgaben besser zu erfüllen.

3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. I FGG, § 550 ZPO) stand.

a) Hat das Vormundschaftsgericht bei der Bestellung des Betreuers festgestellt, daß er die Betreuung berufsmäßig fuhrt, hat es ihm für seine Tätigkeit eine Vergütung zu bewilligen (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB). Ist der Betreute mittellos, kann der Betreuer die Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1836a BGB). Sie errechnet sich aus der für die Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit und dem zugrundezulegenden Stundensatz (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG). Dieser ist, sofern die Staatskasse in Anspruch genommen wird, vom Gesetzgeber nach der Qualifikation des Betreuers in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegt (§ 1 Abs. 1 BVormVG; vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 27). Der Mindeststundensatz belauft sich auf 35 DM (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG). Die erhöhten Stundensätze von 45 bzw. 60 DM setzen voraus, daß der Betreuer über „besondere Kenntnisse” verfugt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder durch eine jeweils vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben wurden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG). Eine auf die Vergütung entfallende Mehrwertsteuer wird zusätzlich ersetzt (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BVormVG).

„Besondere Kenntnisse” sind Kenntnisse, die – bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet – über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand bzw. Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann (vgl. BayObLGZ 1999, 339/341BtPrax 2000, 81).

Für die Führung einer Betreuung „nutzbar” sind besondere Kenntnisse, wenn sie ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen. Angesichts des Wesens der Betreuung als rechtlicher Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt einschlägigen rechtlichen Kenntnissen eine grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft (vgl. BayObLG aaO m.w.N.). Durch welche Ausbildungen für eine Betreuung nutzbare besondere Kenntnisse erworben werden, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Erforderlich ist insoweit, daß die Ausbildung in ihrem Kernbereich ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge