Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaßsache

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB kann nur gelten, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf die Ersatzerbeinsetzung gerichteten Willen der testierenden Eheleute feststellen lassen, die Ersatzerbeinsetzung also nicht allein auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht (Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen Abweichung von OLG Frankfurt, Beschluß vom 9.1.1998 = FamRZ 1998, 772).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2069, 2269-2270; FGG §§ 12, 28 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Aktenzeichen 4 T 2467/99)

AG Lindau (Bodensee) (Aktenzeichen VI 27/99)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 21. November 2000 wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe

I.

Die 1998 im Alter von 91 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet. Ihr Ehemann ist 1957 vorverstorben. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, der 1951 ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstorbene A und der 1998 vorverstorbene B. Dieser hatte zwei Kinder: eine 1963 geborene nichteheliche Tochter (Beteiligte zu 1) und eine 1965 geborene eheliche Tochter (Beteiligte zu 2).

Der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin errichtete am 1.9.1953 ein handschriftliches Testament mit im wesentlichen folgendem Inhalt: Er vermachte seiner Ehefrau seine Firma (Obst- und Gemüsegroßhandel), Lieferwagen, Personenwagen, die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und Wohnungseinrichtungen. Vom Rest des Nachlasses, nach Ausgleich der Verbindlichkeiten, sollten seine Ehefrau und sein Sohn B je zur Hälfte Erbe sein. Er verfügte ferner, daß er seinen Sohn B als Universalerben einsetzt, wenn seine Frau vor ihm verstirbt. Sollte sein Sohn vor ihm versterben, so war seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Für den Fall, daß beide vorversterben oder einer von ihnen mit ihm, setzte er einen Ersatzerben ein.

Am 8.1.1954 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament wie folgt:

„Testament

  1. Wir setzen uns gegenseitig als Erben ein.

    Nach dem Tode des Überlebenden soll der beiderseitige Nachlass an unseren Sohn B fallen. Demgemäss ist der Überlebende von uns alleiniger Erbe des zuerst Versterbenden, während unser Sohn B für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist.

  2. Heiratet der Überlebende wieder, so ist er verpflichtet von demjenigen, was zur Zeit der Wiederverheiratung von der Erbschaft des zuerst verstorbenen Ehegatten noch übrig ist die Hälfte an unseren Sohn B herauszugeben. Er soll in diesem Fall auch an seine in diesem Testament enthaltenen Verfügungen nicht gebunden sein, sondern berechtigt, das Testament zu widerrufen und andere Verfügungen zu treffen.”

Am 20.8.1994 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament mit u. a. folgenden Verfügungen:

„Ich widerrufe meine sämtlichen, bisher errichteten Verfügungen von Todes wegen. …

Zu meiner Alleinerbin setze ich ein: Meine Enkelin … (Beteiligte zu 2)

Ersatzerben der Bedachten sind deren Abkömmlinge, unter sich zu gleichen Teilen, der gesetzlichen Erbfolge entsprechend (Erbfolge nach Stämmen); letztlich tritt Anwachsung ein. …

Meinen Sohn B, nebst dessen etwaigen weiteren Abkömmlingen – sämtliche Abkömmlinge mit Ausnahme des Stammes … (Beteiligte zu 2) – schließe ich von jeglicher Erbfolge nach mir aus.”

Das Testament enthält ferner die vermächtnisweise Zuwendung eines lebenslänglichen, unentgeltlichen Nießbrauchs an dem Gebäudegrundstück der Erblasserin zugunsten ihres Sohnes. Am selben Tag schlossen die Erblasserin und ihr Sohn unter Bezugnahme auf das notarielle Testament einen notariellen Vertrag, in dem der Sohn auf seinen Pflichtteil am Nachlaß der Erblasserin verzichtet; in diesem Vertrag ist auch bestimmt, daß sich der Verzicht gemäß § 2349 BGB auf die jetzigen und künftigen Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt.

Die Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein beantragt, wonach die Beteiligten zu 1 und 2 je zur Hälfte Erben aufgrund des handschriftlichen gemeinschaftlichen Testaments vom 8.1.1954 geworden sind. Sie beruft sich auf die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 2069, 2270 Abs. 2 BGB und ist der Auffassung, daß die Beteiligten zu 1 und 2 als Ersatzerben ihres vorverstorbenen Vaters Schlußerben des gemeinschaftlichen Testaments sind, daß die Einsetzung zum Schlußerben wechselbezüglich ist und diese Wechselbezüglichkeit auch die Einsetzung der Ersatzerben umfaßt und das Testament vom 20.8.1994 daher insoweit unwirksam ist, als es der Schluß- und Ersatzerbeneinsetzung im Testament vom 8.1.1954 widerspricht.

Die Beteiligte zu 2 hat einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweisen soll. Sie leitet ihr alleiniges Erbrecht aus dem Testament vom 20.8.1994 her.

Mit Beschluß vom 2.11.1999 kündigte das Amtsgericht die Erteilung eines Erbscheins gemäß Antrag der Beteiligten zu 2 an. Die gegen diesen Vorbescheid gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1 wies das Landgericht am 21.11.2000 zurück. Dara...

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