Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auftraggebereigenschaft eines privatrechtlichen Vereins, der im Rahmen eines Mietmodells mit Kaufoption eine staatlich anerkannte private Berufsschule errichtet.
2. Die Identität der ausgeschriebenen mit der angebotenen Leistung ist auch im Verhandlungsverfahren nicht mehr gewahrt, wenn der Bieter für die maßgeblichen Leistungen nicht selbst Vertragspartner, sondern nur deren Vermittler sein will.
Verfahrensgang
Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 01.09.2004; Aktenzeichen 120.3-3194.1-56-08/04) |
Tenor
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der VK Südbayern vom 1.9.2004 zu verlängern, wird abgelehnt. Der Beschluss des Senats vom 29.9.2004 (BayObLG, Beschl. v. 29.9.2004 - Verg 022/04) wird insoweit abgeändert.
Gründe
I. Der Antragsgegner, ein eingetragener kirchennaher Verein, dessen Aufgabenschwerpunkte auf der Grundlage der christliche Wissenschaftslehre mit dem Ziel der Gemeinwohlförderung in der Jugendarbeit, der Jugend- und Erwachsenenbildung sowie in Angeboten der Lebenshilfe liegen, betreibt derzeit in angemieteten Räumen eine staatlich anerkannte private Berufsschule zur sonderpädagogischen Förderung. Er beabsichtigt nach Auslauf des bestehenden Mietvertrags, in neuen Räumen sein schulisches Angebot auszuweiten. Dazu sucht er einen Auftragnehmer, der ihm als Vermieter/Mietverkäufer ein dafür geeignetes Gebäude in der Stadt M. mit guter Anbindung zu öffentlichen Verkehrsmitteln beschafft, die Baugenehmigung einholt, die Finanzierung sicherstellt und gem. den Vorgaben des Mieters (Antragsgegners) einen hierfür geeigneten Gebäudekomplex bis spätestens 31.7.2006 errichtet. Diesen Auftrag schrieb der Antragsgegner mit Bekanntmachung vom 7.5.2004 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften als Verhandlungsverfahren mit mindestens drei und höchstens fünf Bewerbern nach VOL/A Europaweit aus. Als Ort der Ausführung ist die Stadt M. mit folgendem Zusatz angegeben:
Der Standort muss mit öffentlichen Verkehrsmitteln (U-Bahn und S-Bahn) vom Hauptbahnhof M. aus in 15 Minuten erreichbar sein. Zur zeitlichen Bemessung zählen auch notwendige Fußwege.
Gemäß den Bedingungen für die Teilnahme (Abschn. III 2.2.1) sind mit dem Teilnahmeantrag vorzulegen:
1. Finanzierungsnachweis durch ein in der EU zugelassenes Kreditinstitut oder entsprechender Eigenmittel.
2. Nachweis in Form einer geeigneten, verbindlichen schriftlichen Bestätigung der Planungsgenehmigungsbehörde, dass die Planungsvoraussetzungen für eine fristgerechte Fertigstellung gegeben sind bzw. geschaffen werden.
Als Zuschlagskriterium (Abschn. IV 2) ist das wirtschaftlich günstigste Angebot gem. folgenden Kriterien in der Reihenfolge ihrer Priorität benannt:
1. Preis,
2. Lage des Grundstücks,
3. Architektur,
4. Bauausführung.
Die Antragstellerin, die sich um den Auftrag bewarb, wurde neben drei weiteren Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert. Gegenüber den Bietern klargestellt hat der Antragsgegner noch, dass es im Rahmen des Verhandlungsverfahrens zulässig ist, wenn Bieter Verhandlungsvorschläge zum Mietvertragstext sowie zur Baubeschreibung unterbreiten.
Die Antragstellerin wie die Beigeladene gaben Angebote ab. Das Angebot der Antragstellerin enthält im Entwurf des abzuschließenden Mietvertrags mit Kaufoption als Vermieterin nicht sie, sondern eine Firma A. GmbH & Co KG.
Mit Schreiben vom 22.7.2004 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin gem. § 13 VgV mit, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle. Ihr eigenes Angebot sei nicht das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste gemäß den in der Bekanntmachung aufgestellten Kriterien.
Die Antragstellerin rügte daraufhin mit Schreiben vom 30.7.2004 erfolglos, dass das Konkurrenzangebot der Beigeladenen die Bedingung "Erreichbarkeit mit U- und S-Bahn innerhalb von 15 Minuten" nicht erfülle.
Am 3.8.2004 hat die Antragstellerin die Nachprüfung beantragt mit dem Ziel, auf ihr Angebot den Zuschlag zu erteilen. Dem haben sich der Antragsgegner und die Beigeladene widersetzt.
Mit Beschluss vom 1.9.2004 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig verworfen. Ihre Entscheidung hat sie im Wesentlichen wie folgt begründet:
Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer sei eröffnet; der Antragsgegner gehöre zu den Auftraggebern nach § 98 Nr. 5 GWB. Der Schwellenwert werde deutlich überschritten. Jedoch sei der Nachprüfungsantrag unzulässig, weil die Antragstellerin mit ihrer Rüge präkludiert sei. Sie habe nämlich gegen ihre Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge verstoßen. Die Antragstellerin habe erst 8 Tage nach Erhalt der Bieterbenachrichtigung gerügt. Ein derart langes Zuwarten verstoße gegen das Unverzüglichkeitsgebot, weil es sich bei der Erreichbarkeit um einen Sachverhalt handle, der einfachst wahrzunehmen sei. Für die ortskundige Antragstellerin sei der angebliche Verstoß ohne jegliche Prüfung und irgendwelche Rechtskenntnisse aus rein tatsächlichen Gründen erkennbar gewesen. Bestä...