Entscheidungsstichwort (Thema)
Formelle Wirksamkeit einer erfolgten Hinterlegung - Fehlen eines materiellen Hinterlegungsgrundes
Leitsatz (amtlich)
1. Das Fehlen eines materiellen Hinterlegungsgrundes beeinflusst die formelle Wirksamkeit einer erfolgten Hinterlegung nicht.
2. Eine auf den Hinterlegungsgrund der Gläubigerungewissheit gestützte und im Beschwerdeverfahren mit ausführlicher Begründung zum Anwendungsbereich des § 372 Satz 2 BGB verteidigte Hinterlegung kann nicht als Hinterlegung gemäß § 853 ZPO wegen mehrfacher Pfändung einer Geldforderung ausgelegt werden.
3. Eine Hinterlegung mit dem Ziel der Erfüllung gemäß § 853 ZPO erfordert neben der Inanspruchnahme der Hinterlegungsmöglichkeit als Justizdienstleistung eine vom Drittschuldner vorzunehmende Anzeige der Hinterlegung an das Vollstreckungsgericht, dessen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dem Drittschuldner zuerst zugestellt worden ist; der Anzeige an das Vollstreckungsgericht müssen die dem Drittschuldner zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Original beigefügt werden.
4. Die Hinterlegung des Schuldbetrags durch den Drittschuldner unter Anzeige der Hinterlegung an das Vollstreckungsgericht und Aushändigung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse an das Vollstreckungsgericht führt kraft Gesetzes ohne weiteres Zutun der Parteien zum Verteilungsverfahren gemäß § 872 ZPO.
Normenkette
AGGVG Art. 12 Nr. 3; BayHintG Art. 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, Art. 10 Abs. 5; BayVwVfG Art. 48-49; BGB § 372 S. 2, §§ 378-379; EGGVG § 24 Abs. 1; ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1, §§ 793, 802, 828 Abs. 2, §§ 853, 872
Tenor
I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.
II. Der Geschäftswert wird auf 52,29 EUR festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin erwirkte als Inhaberin zweier Vollstreckungstitel zwei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse des Amtsgerichts R., mit denen die Ansprüche der Vollstreckungsschuldnerin gegen ihren Arbeitgeber, den weiteren Beteiligten im vorliegenden Verfahren, aus dem laufenden Arbeitsverhältnis zugunsten der Antragstellerin gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sind. Diese Beschlüsse wurden dem Arbeitgeber als Drittschuldner am 7. Mai 2015 bzw. am 7. Juli 2015 zugestellt.
Unter dem Datum 20. Februar 2020 beantragte der Arbeitgeber als Drittschuldner beim Amtsgericht R. - Hinterlegungsstelle - unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme die A.hme einer Geldsumme im Betrag von 52,29 EUR zur Hinterlegung. Dem entsprechend ausgefüllten Antragsformblatt fügte er ein frei formuliertes Schreiben bei mit dem Betreff "§ 853 ZPO; Antrag auf Hinterlegung der Lohnpfändung unserer Beschäftigten (...) zur Schuldbefreiung mit der Bitte um gerichtliche Klärung des vorrangigen Anspruchs der Gläubiger". Darin ist ausgeführt, bei dem zu hinterlegenden Betrag handele es sich um den aufgrund Lohnpfändung einbehaltenen Teil des Arbeitslohns für den Monat Februar 2020. Es bestehe eine unklare Rechtslage darüber, welchem von zwei Vollstreckungsgläubigern der Vorrang gebühre. Zur Erläuterung wurde der relevante Sachverhalt wie folgt beschrieben:
Bereits am 9. April 2015 wurde dem Arbeitgeber als Drittschuldner ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt, mit dem die gegen ihn gerichteten Ansprüche der Vollstreckungsschuldnerin zugunsten des I. K. wegen einer Forderung in Höhe von 60.000,00 EUR (zuzüglich Zinsen) gepfändet und I. K. zur Einziehung überwiesen wurden. Dem liegt ein am 20. Februar 2015 beurkundetes und am 23. Februar 2015 vollstreckbar ausgefertigtes Schuldanerkenntnis zugrunde, in dem die Vollstreckungsschuldnerin gegenüber ihrem Vater I. K. bekannte, Letzterem einen sofort fälligen Geldbetrag von 60.000,00 EUR (zuzüglich Zinsen) zu schulden.
Gemäß notarieller Urkunde vom 7. Juli 2015 verschenkte I. K., vertreten durch die Vollstreckungsschuldnerin und deren Bruder P. K. aufgrund notarieller Generalvollmacht vom 3. März 2004, die gegen seine Tochter, die Vollstreckungsschuldnerin, gerichteten Forderungen aus dem Schuldanerkenntnis an seine Enkelin A. K.
Gegen A. K. erwirkte die hiesige Antragstellerin bei dem Landgericht R. ein seit 10. Dezember 2019 rechtskräftiges Urteil. Danach hat a. K. die Zwangsvollstreckung der Antragstellerin in das Arbeitseinkommen der Vollstreckungsschuldnerin als vorrangig zu dulden. Das von der hiesigen Antragstellerin erwirkte Pfändungspfandrecht gehe demjenigen des Rechtsvorgängers der A. K. (I. K.) infolge Anfechtung vor.
An den Arbeitgeber der Vollstreckungsschuldnerin wandte sich P. K. mit Schreiben vom 3. November 2019, eingegangen am 7. Januar 2020. Er teilte darin mit, er sei als Miterbe zu 1/2 des I. K. Inhaber der aus dem Schuldanerkenntnis resultierenden Forderung in Höhe des - nach teilweiser Konfusion - verbleibenden hälftigen Betrags und der Rechte aus dem noch von I. K. erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Die als Schenkung erfolgte Abtretung an A. K. sei unwirksam, denn I. K. sei zwei Stunden vor der ...