1 Leitsatz

Die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums kann aufgrund baulicher oder bauordnungsrechtlicher Mängel (hier: Brandschutzmängel) auf Dauer durch Beschluss nicht verboten werden, wenn dadurch die Benutzung des Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich beeinträchtigt oder sogar ausgeschlossen wird.

Zerstört i. S. v. § 22 WEG ist ein Gebäude nur dann, wenn seine Nutzbarkeit durch punktuelle Ereignisse (wie Brand, Überflutung oder Explosion) wesentlich beeinträchtigt oder aufgehoben ist.

2 Normenkette

§§ 19 Abs. 1, 22 WEG

3 Das Problem

Im Fall geht es um ein im gemeinschaftlichen Eigentum stehendes Parkhaus mit 11 Ebenen. Auf den ersten 3 Ebenen stehen die Stellplätze im Eigentum von Teileigentümer K. Nur diese werden benutzt. Im Jahr 2016 fordert das Bauordnungsamt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf, Nachweise zu erbringen, dass die brandschutztechnischen Mindeststandards eingehalten sind und die Standsicherheit auch im Brandfall gewährleistet ist. Daraufhin beschließen die Wohnungseigentümer, dass die Stellplätze des K aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht mehr genutzt werden dürfen. Dagegen geht K vor, obwohl ihm erlaubt ist, die für einen Brandschutz notwendigen baulichen Maßnahmen auf eigene Kosten fachgerecht durchzuführen und dann die Stellplätze wieder zu benutzen.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Der Beschluss enthalte ein Benutzungsverbot. Dieses sei nicht ordnungsmäßig. Zwar könnten die Wohnungseigentümer im Grundsatz ein auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenes Nutzungsverbot zum Zweck der Gefahrenabwehr nach § 19 Abs. 1 WEG beschließen. Wenn dadurch die zweckentsprechende Benutzung des Sondereigentums eingeschränkt oder vollständig ausgeschlossen werde, sei ein derartiger Beschluss aber nur aus zwingenden Gründen und in engen Grenzen ordnungsmäßig. Solche Gründe lägen nicht vor. Denn die Wohnungseigentümer seien verpflichtet, Maßnahmen zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum zu ergreifen, wenn das gemeinschaftliche Eigentum die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die in der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Benutzung des Gebäudes nicht erfülle und Räume aus diesem Grund nicht zu dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Zweck genutzt werden könnten. Ebenso müssten die Wohnungseigentümer gravierenden baulichen Mängeln des gemeinschaftlichen Eigentums entgegentreten, die eine Benutzung des Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen.

Ein dauerhaftes Nutzungsverbot könne daher im Prinzip nur dann rechtmäßig sein, wenn die Voraussetzungen des § 22 WEG vorlägen. Dies sei nicht der Fall. Insoweit sei zwar umstritten, ob § 22 WEG anwendbar ist, wenn es durch unterlassene Erhaltungsmaßnahmen zu Funktionseinbußen des Gebäudes gekommen sei. Ein Gebäude könne aber nur durch ein unerwartetes, punktuell eintretendes Schadensereignis "zerstört" werden. Dafür spreche der Wortlaut dieser Bestimmung. Auch ihre analoge Anwendung scheide aus. Es bestehe schon keine planwidrige Regelungslücke. Darüber hinaus fehle es an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, ob die Wohnungseigentümer beschließen können, das gemeinschaftliche Eigentum dauerhaft nicht auf Kosten sämtlicher Wohnungseigentümer zu erhalten.

Benutzungsbeschluss

Der BGH geht davon aus, dass Wohnungseigentümer nicht beschließen können, das gemeinschaftliche Eigentum dauerhaft nicht zu erhalten. Dies entspricht der h. M. Denn in einer andauernden Benutzungsuntersagung liege keine bloße Verwaltung, sondern eine Änderung der Grundlagen, was allen Wohnungseigentümern nach § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG zum Mitgebrauch zur Verfügung stehen solle. Über diese elementare Frage könne nicht beschlossen werden. Ein Benutzungsbeschluss dürfe eine vom Gesetz oder einer Vereinbarung erlaubte Benutzung nicht vollständig verbieten bzw. ausschließen. Eine solche Bestimmung ändert der Sache nach das Gesetz und/oder die Vereinbarung ab und sei in Ermangelung einer Beschlusskompetenz nichtig.

Eine Benutzungsbestimmung durch Benutzungsbeschluss setzt also stets den Mitgebrauch weiterhin voraus. Etwas anderes gilt allerdings, wenn das Gesetz oder eine behördliche Maßnahme einen solchen Gebrauchsentzug anordnet und ein etwaiger Beschluss diesen nur umsetzt, da sich dann der Bereich des § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG durch Einwirkung von außen geändert hat.

Zerstörung des gemeinschaftlichen Eigentums

Etwas anderes würde auch dann gelten, wenn § 22 WEG (= § 22 Abs. 4 WEG a. F.) bei einer jahrelangen "Nichterhaltung" des gemeinschaftlichen Eigentums anwendbar wäre. In diesem Fall könnte eine Erhaltung ausnahmsweise nicht mehr verlangt und die Benutzung dauerhaft verboten werden. So sah es bislang eine verbreitete Ansicht. Diese wollte der punktuellen die schleichende Zerstörung an die Seite stellen. Diese Sichtweise lehnt der BGH ab.

Aufhebung der Gemeinschaft

Der BGH weist darauf hin, dass in Fällen der wirtschaftlichen Wertlosigkeit des Wohnungs- oder Teileigentums nach Treu und Glauben...

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