1 Leitsatz

Die rechtswidrige Ausnutzung der Stimmenverhältnisse kann zur Nichtigkeit eines Beschlusses nach § 138 Abs. 1 BGB führen. Dies ist der Fall, wenn der durch einen Beschluss begünstigte Wohnungseigentümer treuwidrig in sachwidriger Weise eigene Zwecke auf Kosten der übrigen Wohnungseigentümer verfolgt.

2 Normenkette

§ 138 Abs. 1 BGB; §§ 24, 25 WEG

3 Das Problem

In einer Wohnungseigentumsanlage gibt es nur 2 Wohnungseigentumsrechte. Auf dem Grundstück stand ursprünglich ein um das Jahr 1900 erbautes Wohnhaus mit 4 Vollgeschossen. Dieses wurde im Jahr 2015 auf Betreiben von Wohnungseigentümer B abgerissen. Mit – nicht rechtskräftigem – Urteil wird B auf Antrag von Wohnungseigentümer K im Mai 2020 verurteilt, auf seine Kosten das Mehrfamilienhaus grundsätzlich 1:1 wiederherzustellen. Auf einer von B als Mehrheitseigentümer im Juni 2020 einberufenen Versammlung beschließt B indes, es solle mit einer Neubaumaßnahme begonnen werden, die von der Verurteilung aus dem Mai 2020 gravierend abweicht. Im Juli 2020 stellt K daher den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. B soll es verboten werden, ohne die Zustimmung des K zu bauen.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Der Beschluss aus Juni 2020 sei nichtig! Die Nichtigkeit eines Beschlusses könne sich daraus ergeben, dass er seinem Inhalt nach gegen die guten Sitten verstößt. So liege es beispielsweise, wenn der aus einem Beschluss begünstigte Mehrheitseigentümer treuwidrig in sachwidriger Weise eigene Zwecke auf Kosten der übrigen Eigentümer verfolge. So sei es hier. B beabsichtige, einen rechtswidrigen Zustand zu schaffen, da bei dem von ihm beabsichtigten Neubau u. a. 1 Wohnungseigentumsrecht entfallen würde. Es gehe in der Sache (auch) um den Wiederaufbau des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudes, welches B nicht nach eigenem Ermessen "erzwingen" könne.

Hinweis

Es handelt sich um den seltenen Fall, bei dem die Abgabe einer Stimme – hier der Ja-Stimme des B – nicht nur anfechtbar, sondern nichtig ist. Ob es so liegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Im konkreten Fall liegt Nichtigkeit allerdings sehr nahe. B verhält sich krass rechtswidrig und versucht, einseitig seine Interessen durchzusetzen.

4.1 Entscheidung

AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 30.10.2020, 980b C 20/20

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