1 Leitsatz
Es besteht keine Beschlusskompetenz, Angelegenheiten der Sondereigentümer im Zusammenhang mit der Erfassung von Mängeln am Sondereigentum zu regeln.
2 Normenkette
§§ 13 Abs. 1, 18 Abs. 2, 19 Abs. 1, 28 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer entlasten den Verwalter unter TOP 3 für das Jahr 2017. Unter TOP 6 wird der Verwalter beauftragt, die Wohnungseigentümer anzuschreiben, um Mängel im Sondereigentum zu erfassen (mit der Liste soll versucht werden, sich mit dem Bauträger zu vergleichen). Und zu TOP 8 stellen die Wohnungseigentümer fest, dass ein Regenfallrohr nicht ordnungsmäßig verbaut und am Ende des Ablaufs verschlossen worden sei. Der Ablauf soll daher "unterhalb der Treppe" geführt und instandgesetzt werden. Hierfür sollen Angebote eingeholt werden. Sollte die Ausführung "schwierig" sein, soll hingegen versucht werden, die Leitung beim "linken Nachbar anzuschließen".
Gegen diese Beschlüsse geht Wohnungseigentümer K vor. Er meint, die Entlastung (TOP 3) sei fehlerhaft, weil der Verwalter die Beseitigung der Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum nicht durch Vorbereitungsmaßnahmen – nämlich durch eine Bedarfs- und Kostenermittlung sowie Beschlussanträge – gefördert habe. Der Beschluss zu TOP 6 sei nichtig, weil die Wohnungseigentümer keine Beschlusskompetenz in Bezug auf das Sondereigentum hätten. Auch der Beschluss zu TOP 8 sei für ungültig zu erklären. Denn der Anschluss des Regenwasserfallrohrs am Fallrohr des Nachbargebäudes widerspreche den anerkannten Regeln der Technik und den baurechtlichen Vorschriften.
4 Die Entscheidung
Das AG unterscheidet. Es meint, der Beschluss, den Verwalter zu entlasten, entspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Etwas anderes müsse zwar gelten, wenn Ansprüche gegen die Verwaltung in Betracht kämen und kein Grund ersichtlich sei, auf diese zu verzichten. Im Fall seien solche Ansprüche aber nicht erkennbar.
Der Beschluss zu TOP 6 widerspreche hingegen einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Denn es bestehe keine Beschlusskompetenz, die Angelegenheiten der Sondereigentümer im Zusammenhang mit der Erfassung von Mängeln am Sondereigentum zu regeln. Ein Anschreiben an Wohnungseigentümer, Mängel des Sondereigentums zu erfassen, betreffe aber eine solche Angelegenheit. Auch der Beschluss zu TOP 8 widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Denn K habe bewiesen, dass eine Entwässerung über das Regenrohr auf der Straßenseite nicht ordnungsmäßig sei. Mithin entspreche es weder einer ordnungsmäßigen Verwaltung, einen Ablauf des Rohrs "unterhalb der Treppe langzuführen" und dafür Angebote einzuholen, noch entspreche es einer ordnungsmäßigen Verwaltung, das Rohr beim Nachbarn anzuschließen; in beiden Fällen sei ein Abtransport des Wassers nicht ausreichend sichergestellt.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall muss das AG 3 Beschlüsse auf ihre Ordnungsmäßigkeit prüfen. Beim Beschluss zu TOP 8 geht es um eine Tatfrage, die wohnungseigentumsrechtlich nicht wirklich interessiert. Hier muss man nur wissen, dass eine Mangelbeseitigung natürlich so ausgeführt werden muss, dass sie geeignet ist, einen Mangel auch zu beseitigen. Dies ist selbstverständlich nicht der Fall, wenn der Mangel nicht in der Führung eines Rohres, sondern in seiner Dimensionierung besteht.
Von näherem Interesse sind hingegen die anderen beiden Beschlüsse, also der zur Entlastung der Verwaltung sowie der zur Verwaltung des Sondereigentums.
Entlastung der Verwaltung
Nach h. M. sind die Wohnungseigentümer befugt, der Verwaltung nach § 19 Abs. 1 WEG eine Entlastung zu erteilen. Der Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG ist hingegen nicht so zu verstehen. Eine besondere Mehrheit ist für den Entlastungsbeschluss nicht erforderlich – auch dann nicht, wenn "aus guten Gründen" auf Ansprüche verzichtet wird. Ein Entlastungsbeschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn keine Schadensersatzansprüche absehbar sind. Er widerspricht ihr hingegen, wenn gegen den Verwalter Ansprüche in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese Ansprüche zu verzichten.
Die Entlastung wird für Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erteilt, nicht für Ansprüche der Wohnungseigentümer. Eine Beschlusskompetenz, im Namen eines Wohnungseigentümers eine Entlastung zu erteilen und ihm damit individuelle Ersatzansprüche zu nehmen, besteht nicht. Dies gilt für Ansprüche in Bezug auf das Sondereigentum, aber auch solche in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum. Die Entlastung ist der Sache nach ein negatives Schuldanerkenntnis. Dieses erfasst vor allem etwaige, nicht aus einer Straftat herrührende Ersatzansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter aus §§ 280, 812 ff., 823 ff. BGB, soweit sie den Wohnungseigentümern bekannt oder für sie bei sorgfältiger Prüfung der Vorlagen und Berichte erkennbar waren.
Gerichte und Schrifttum unterscheiden zum Teil, auf welche Art und Weise die Entlastung beschlossen wurde. Man meint, in der Regel betreffe eine gesondert beschlossene Entlastung die gesamte Tätigkeit des Verwalters, also nicht nur einzelne Tätigkeiten, in Bezug auf...