1 Leitsatz

Eine Feststellungsklage, dass eine bestimmte Versammlung beschlussunfähig war, ist unzulässig und kann auch nicht in eine Anfechtungsklage umgedeutet werden.

2 Normenkette

§§ 25, 44 Abs. 1 S. 1, 45 Satz 1 WEG; § 256 Abs. 1 ZPO

3 Das Problem

Nach der Gemeinschaftsordnung ist eine Versammlung nur beschlussfähig, wenn wenigstens 3 Wohnungseigentümer anwesend oder wirksam vertreten sind. Bei einer Versammlung am 19.10.2021 sind aber nur 2 Wohnungseigentümer anwesend. Diese fassen eine Reihe von Beschlüssen.

Die anwaltlich vertretene Wohnungseigentümerin K geht gegen diese Beschlüsse im Wege einer "Feststellungsklage" vor. Der Anwalt begehrt für K die Feststellung, die Versammlung sei wegen der Regelung in der Gemeinschaftsordnung nicht beschlussfähig gewesen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hält die Klage mangels Feststellungsinteresses für unzulässig. Die fehlende Beschlussfähigkeit stelle einen formalen Beschlussmangel dar, der im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage nach § 44 WEG geltend zu machen sei. K stellt daher im Februar 2022 den Hilfsantrag, ihre Feststellungsklage – für den Fall von deren Unzulässigkeit – in eine Anfechtungsklage umzudeuten.

4 Die Entscheidung

Das AG meint, der Hauptantrag sei unzulässig! Auch nach einer Auslegung habe K nämlich keine Anfechtungs-, sondern eine Feststellungsklage erhoben. Diese gelte der abstrakten Frage der Beschlussfähigkeit, nicht der konkreten Frage, ob die gefassten Beschlüsse nichtig seien. Die Frage, ob eine konkrete Versammlung beschlussfähig war oder nicht, könne aber nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Es bestehe kein Rechtsschutzinteresse, die Frage der Beschluss(un)fähigkeit einer konkreten Versammlung zum Gegenstand einer isolierten Feststellungsklage zu machen.

Der Hilfsantrag habe auch keinen Erfolg. Zwar sei § 140 BGB auch auf Verfahrenshandlungen entsprechend anzuwenden, sodass eine fehlerhafte Prozesshandlung in eine zulässige und wirksame umgedeutet werden könne, wenn deren Voraussetzungen eingehalten seien, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspreche und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegenstehe. Im Fall seien aber schutzwürdige Interessen der B berührt. B habe sich nach Ablauf der Anfechtungsfrist darauf einstellen und darauf vertrauen dürfen, dass die Beschlüsse bestandskräftig geworden seien. Die Anfechtungsklage wäre – ihre Zulässigkeit unterstellt – im Übrigen wegen Ablaufs der Begründungsfrist unbegründet. Zwar habe K bereits mit ihrer Klageschrift vom 19.11.2021 geltend gemacht, dass die Versammlung nicht beschlussfähig gewesen sei und die gefassten Beschlüsse ungültig seien. Dies führe aber nicht dazu, diesen Einwand – rückwirkend auf den damaligen Zeitpunkt – als rechtzeitig geltend gemacht zu berücksichtigen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht eine Klägerin, die sich einen schlechten Rechtsanwalt genommen hat, gegen einen Beschluss vor. Der Rechtsanwalt vergreift sich bei der Formulierung des Antrags, wobei klar ist, was er will. Die Entscheidung zeigt insoweit, wie es nicht sein sollte. Die Klägerin wollte der Sache nach offensichtlich rügen, dass die am 19.10.2021 gefassten Beschlüsse unter einem formalen Mangel leiden und deshalb nichtig, jedenfalls aber anfechtbar sind. Zwar hatte die Klägerin das nicht ganz genau so formuliert. Eine Auslegung ist aber grundsätzlich wohlwollend am erkennbaren Rechtsschutzanliegen zu orientieren (BVerfG, Beschluss v. 17.12.2015, 1 BvR 3164/13, NJW 2016, 2018 Rn. 32). Danach war aber fernliegend, dass die Klägerin bloß allgemein klären wollte, wie die Gemeinschaftsordnung zu verstehen ist. Die Klägerin wollte vielmehr die Beschlüsse mit einem formalen Mangel, der auch vorliegt, bekämpfen. Es bedurfte daher keines Hilfsantrags (dieser würde aber eher nicht am Ablauf der Anfechtungs- oder Begründungsfrist scheitern).

Klärung von Altvereinbarungen

Die Frage, ob eine Vereinbarung (hier: zur Beschlussfähigkeit) durch § 47 Satz 1 WEG nicht mehr anzuwenden ist, kann bei einem Streit der Wohnungseigentümer im Rahmen einer Anfechtungsklage jedenfalls nach § 256 Abs. 2 WEG geklärt werden.

6 Entscheidung

AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 27.5.2022, 980b C 37/21

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