1 Leitsatz

Der Wert der Beschwer des Berufungsklägers bemisst sich nach seinem Interesse an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dieses Interesse ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten.

2 Normenkette

§§ 3, 9, 511 Abs. 2 ZPO

3 Das Problem

Wohnungseigentümerin K lässt in das Bad und den Flur ihrer Wohnung eine Fußbodenheizung einbauen. Die Wohnungseigentümer weisen die Verwaltung an, mit einem Unternehmen einen Vertrag über das "Abklemmen" der Fußbodenheizung abzuschließen. Dies hält K nicht für richtig. Gestützt auf die Ansicht, die Fußbodenheizung gehöre zu seinem Sondereigentum, beantragt er, den Beschluss für ungültig erklären zu lassen. Das AG weist die Anfechtungsklage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung verwirft das LG als unzulässig. Es meint, die gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer von mehr als 600 EUR sei nicht erreicht. Der Wert der Beschwer entspreche dem Streitwert. Dieser sei im Fall noch nach § 49a GKG a. F. zu ermitteln. Das Gesamtinteresse richte sich nach den Kosten, die mit dem Auftrag zum Abklemmen verbunden seien. Die damit verbundenen Kosten seien auf 500 EUR zu schätzen. Das Interesse der K an der Nutzung der Fußbodenheizung sei hingegen nicht maßgeblich, da die Fußbodenheizung selbst bei einer erfolgreichen Klage nicht legalisiert werde. Auch auf die für die Beseitigung der Heizung erforderlichen Kosten sei nicht abzustellen, weil sich aus dem Beschluss keine Rückbaupflicht für K ergebe. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Die Berufung habe nicht verworfen werden dürfen. Die Beschwer der K übersteige den Betrag von 600 EUR. Denn der Wert der Beschwer bemesse sich nach dem Interesse eines Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung, das nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten sei. Dieses Interesse sei im Fall nach den unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen zu bemessen, die das Abklemmen der Fußbodenheizung für K habe. Hierzu zählten zum einen die (anteiligen) durch das Abklemmen entstehenden Kosten. Auf die Beseitigungskosten könne hingegen nicht abgestellt werden, da die Beseitigung nicht Gegenstand des angegriffenen Beschlusses sei. Unmittelbare wirtschaftliche Folge für K sei es aber auch, dass sie ihre Fußbodenheizung faktisch nicht nutzen könne. Der ihr insofern entstehende wirtschaftliche Nachteil sei Teil ihres wirtschaftlichen Interesses. Dieser Nachteil sei nach § 3 ZPO zu ermitteln. Auf § 9 Satz 1 ZPO könne nicht zurückgegriffen werden, da nicht über ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen gestritten werde und auch nicht um das Recht, auf Dauer bestimmte Energielieferungen erbringen oder beziehen zu können. Die "Komforteinbuße" der K schätze der Senat nach billigem Ermessen gem. § 3 ZPO auf jedenfalls 1.000 EUR.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es zentral um die Frage, wie die Beschwer zu berechnen ist, wenn einem Wohnungseigentümer ein Teil seiner Heizung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihrer Funktion beraubt wird.

Beschwer

Die Berufung ist gem. § 511 Abs. 2 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat. Im ersten Fall hat der Berufungskläger den Wert nach § 511 Abs. 3 ZPO glaubhaft zu machen. Macht der Kläger indes keine Angaben und fehlt es an einer Glaubhaftmachung (was im Fall gilt, teilt der BGH nicht mit), soll das Gericht gezwungen sein, den Wert des Beschwerdegegenstands aufgrund eigener Lebenserfahrung und Sachkenntnis nach freiem Ermessen zu schätzen (BGH, Beschluss v. 15.5.2014, V ZB 2/14, Rn. 8). Der V. Zivilsenat, der das alles nicht erwähnt, bemüht an dieser Stelle eine "Komforteinbuße". Der Wert von 1.000 EUR ist meines Erachtens offensichtlich gegriffen und dient allein dem Zweck, dass sich das LG inhaltlich dem Fall zuwendet.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Eine Verwaltung sollte die Heizung eines Wohnungseigentümers nicht eigenmächtig außer Funktion setzen. Die Frage, ob so vorgegangen wird, hat keine untergeordnete Bedeutung i. S. v. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG.

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 21.9.2023, V ZB 25/23

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