1 Leitsatz
Es ist einer Partei verwehrt, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf der Grundlage neuen Vorbringens auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Streitwert der Klage zu berufen, wenn sie die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen nicht beanstandet und auch nicht glaubhaft gemacht hat, dass bereits in den Vorinstanzen vorgebrachte Umstände, die die Festsetzung eines höheren Streitwerts – und einer damit einhergehenden entsprechenden Beschwer – rechtfertigen, nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.
2 Normenkette
§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
3 SachverhaltDas Problem
Wohnungseigentümer B lässt im Oktober/November 2010 in seiner Wohnung einen Wanddurchbruch von ca. 2,3 m vornehmen. Die bauliche Maßnahme wird im Jahr 2012 bauaufsichtlich genehmigt. Wohnungseigentümer K, dessen Wohnung direkt über der im ersten Obergeschoss befindlichen Wohnung des B liegt, verlangt von Wohnungseigentümer B, den Wanddurchbruch unter Herstellung des ursprünglichen Zustands wieder zu verschließen. Das AG weist die Klage ab. Das LG weist die Berufung zurück. Mit seiner Beschwerde will K die Zulassung der Revision erreichen, um seinen Klageantrag weiterzuverfolgen. Fraglich ist, ob die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig ist.
4 Die Entscheidung
Der BGH verneint die Frage! Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse eines Wohnungseigentümers, dessen Klage auf Beseitigung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums abgewiesen worden ist, bemesse sich grundsätzlich nach dem Wertverlust, den sein Wohnungseigentum durch die bauliche Veränderung erleide (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 6.4.2017, V ZR 254/16, NJW-RR 2017 S. 912 Rz. 4). Diesen Wertverlust gebe K unter Vorlage eines Gutachtens zwar mit über 200.000 EUR an. Hiermit könne K aber nicht gehört werden, nachdem er den Streitwert in der Klageschrift mit lediglich 6.000 EUR angegeben und der entsprechenden Festsetzung auch in der Berufungsinstanz nicht widersprochen habe. Es sei einer Partei nämlich verwehrt, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auf der Grundlage neuen Vorbringens auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Streitwert der Klage zu berufen, wenn sie die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen nicht beanstandet und auch nicht glaubhaft gemacht habe, dass bereits in den Vorinstanzen vorgebrachte Umstände, die die Festsetzung eines höheren Streitwerts – und einer damit einhergehenden entsprechenden Beschwer – rechtfertigen, nicht ausreichend berücksichtigt worden seien (Hinweis auf ständige Rechtsprechung, u. a. BGH, Beschluss v. 19.10.2017, VI ZR 19/17, VersR 2018 S. 181 Rz. 6).
Hinweis
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 GKG). Der Wert ist in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren nach § 49a GKG zu ermitteln. Nach § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG ist der Streitwert auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen.
Ausblick WEG-Reform
Das WEMoG wird die Rechtslage ändern. § 49a GKG wird durch § 49 GKG ersetzt. Dieser regelt nur noch die Beschlussklagen. Der Streitwert für die Klage auf Beseitigung einer baulichen Veränderung ist dann nach § 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO zu ermitteln.
5 Entscheidung
BGH, Beschluss v. 20.2.2020, V ZR 167/19