Leitsatz
Die Beschwer eines Wohnungseigentümers, der zur Beseitigung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums verurteilt ist, bemisst sich grundsätzlich nach den Kosten einer Ersatzvornahme der Beseitigung, die ihm im Falle des Unterliegens drohen.
Normenkette
§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
Das Problem
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K verlangt von Wohnungseigentümer S, eine bauliche Veränderung zurückzubauen. Während des Verfahrens veräußert S einen Anteil von 1/1.000 ihres Wohnungseigentums an B. Das LG verpflichtet S antragsgemäß. Da S nicht zurückbaut, leitet K die Zwangsvollstreckung ein. Ihre Anträge auf Gestattung der Ersatzvornahme und Verurteilung der S zur Zahlung eines Kostenvorschusses weist das LG zurück. In dem jetzigen Verfahren verlangt K von B, die Zwangsvollstreckung sowie die damit verbundenen Baumaßnahmen zu dulden. Das AG gibt der Klage statt. Die Berufung bleibt erfolglos. Das LG lässt die Revision nicht zu. Dagegen richtet sich die Beschwerde des B.
Die Entscheidung
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach Ansicht des BGH unzulässig. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteige nicht 20.000 EUR. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde sei der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, müsse der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 EUR übersteigt, abändern lassen wolle (BGH, Beschluss v. 18.3.2021, V ZR 156/20, Rn. 4 und BGH, Beschluss v. 26.11.2020, V ZR 21/20, Rn. 3). Diesen Anforderungen genüge die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwer eines Wohnungseigentümers, der zur Beseitigung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums verurteilt ist, bemesse sich grundsätzlich nach den Kosten einer Ersatzvornahme der Beseitigung, die ihm im Fall des Unterliegens drohen (BGH, Beschluss v. 26.9.2019, V ZR 224/18). B sei jedoch nicht zur Beseitigung der baulichen Veränderung verurteilt worden. B habe (lediglich) die gegen S gerichtete Zwangsvollstreckung zu dulden. Bliebe es bei der Verurteilung und würde in der Folge die bauliche Veränderung beseitigt, hätte dies allerdings eine Minderung des Werts des Wohnungseigentums zur Folge, das zu einem Anteil von 1/1.000 im Miteigentum des B stehe. Wie hoch eine solche Wertminderung insgesamt sei, ergebe sich jedoch weder aus dem Vorbringen des B noch aus den sonstigen Umständen.
Hinweis
Problemübersicht
Im Fall geht es um die Frage, ob ein Rechtsmittel (hier: Nichtzulassungsbeschwerde) zulässig ist. Dazu ist u. a. zu fragen, ob der Rechtsmittelführer ausreichend beschwert ist (hier: über 20.000 EUR).
Beschwer
Für die Frage, wie die Beschwer zu ermitteln ist, kommt es darauf an, worüber rechtskräftig entschieden werden sollte und worüber tatsächlich entschieden worden ist, mithin auf den Umfang der prozessualen Rechtskraftwirkung, die das Urteil haben würde, wenn es nicht angefochten werden könnte. Maßgebend für die Beschwer des Berufungsklägers (oder Widerklägers) ist sein individuelles vermögenswertes Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung. Ergibt der Vergleich der in der Klage aufgestellten Rechtsbehauptung mit dem Inhalt der ergangenen Entscheidung, dass dem Kläger das zuerkannt worden ist, was er begehrt hat, fehlt ihm ein schutzwürdiges Interesse an der Abänderung der Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz. Stellt der Kläger mehrere Anträge, ist seine Beschwer nach § 39 GKG durch eine Addition der Werte zu errechnen. Ohne Bedeutung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels. Die Beschwer ist vom Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert zu unterscheiden und entspricht diesen in der Regel nicht. Das Änderungsinteresse des Rechtsmittelführers erhöht oder ermäßigt sich also nicht dadurch, dass bei der Bemessung des Zuständigkeits- und Gebührenstreitwerts auch eine Reihe anderer Eigenschaften zu berücksichtigen ist. Der Wert der Beschwer ist einer Erhöhung nach § 49 GKG nicht zugänglich.
Entscheidung
BGH, Beschluss v. 15.7.2021, V ZR 6/21