4.1 Klage und einstweilige Verfügung

Der Mieter hat es nicht zu dulden, dass der Vermieter die Mietwohnung ohne dessen Zustimmung betritt, um sie zu besichtigen.[1] Ein eigenmächtiges Betreten kann nur bei Notstand oder Nothilfe und nicht bei einer Wohnungsbesichtigung gerechtfertigt sein. Das bedeutet, es kann im Einzelfall eine Ausnahme zum eigenmächtigen Betreten der Mietwohnung durch den Vermieter gegeben sein, wenn eine konkrete Gefahr für die Mietsache (oder den Mieter) besteht und niemand erreichbar ist, der den Zutritt gewähren kann. Das Schloss auszuwechseln, steht dem Vermieter jedoch nicht zu.[2] Wenn der Mieter sich jedoch unberechtigt weigert, dem Vermieter Zutritt zu gewähren, kann dieser das Betretungs- und Besichtigungsrecht im Wege der Klage durchsetzen.

Der Klageantrag muss eine konkrete Besichtigungsmaßnahme bezeichnen. Ein generelles Zutritts- oder Besichtigungsrecht kann nicht eingeklagt werden.[3] Ebenso muss sich aus dem Klageantrag ergeben, zu welchem Zeitpunkt das Recht ausgeübt werden soll. Die Bestimmung des Zeitpunkts kann in das Belieben des Mieters, nicht aber in das des Vermieters gestellt werden.[4]

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung wird in den meisten Fällen am Verfügungsgrund scheitern.[5] Insoweit ist anerkannt, dass die einstweilige Verfügung die Hauptsache nicht vorwegnehmen darf. Dies wäre der Fall, wenn dem Mieter durch einstweilige Verfügung aufgegeben wird, das Betreten seiner Wohnung oder deren Besichtigung zu dulden. Nur in besonderen Ausnahmefällen ist der Erlass einer Leistungsverfügung in Betracht zu ziehen.

 
Hinweis

Reparatur ist unaufschiebbar

Ein solcher Ausnahmefall wird insbesondere dann vorliegen, wenn in der Wohnung eine Reparaturmaßnahme durchgeführt werden soll, die keinen Aufschub duldet.[6]

Besichtigungen anlässlich eines Wohnungsverkaufs oder einer Weitervermietung können nicht als eilbedürftig in diesem Sinne angesehen werden; scheitert ein Verkauf oder eine Weitervermietung, weil der Mieter die Besichtigung vertragswidrig verweigert hat, ist der Vermieter auf Schadensersatzansprüche beschränkt.

[1] OLG Celle, Beschluss v. 5.10.2006, WuM 2007 S. 201.
[2] OLG Celle, Beschluss v. 5.10.2006, WuM 2007 S. 201.
[5] Sternel, Mietrecht, Rn. II 295; Fischer, in Bub/Treier, Rn. VIII 119; Lützenkirchen, in Anwaltshandbuch Mietrecht, Rn. 244; a. A.: LG Stuttgart, Urteil v. 24.4.1991, 13 S 130/91, WuM 1991 S. 578 betr. eine Besichtigung mit Kaufinteressenten.
[6] Hinz, WuM 2005, S. 615, 622; Sternel, Mietrecht, Rn. II 295; Fischer, in Bub/Treier, Rn. VIII 119; Lützenkirchen, in Anwaltshandbuch Mietrecht, Rn. 244.

4.2 Notstandssituation, Selbsthilferecht

In extremen Ausnahmefällen kann sich ein Betretungsrecht aus einer Notstandssituation ergeben.[1] Eine Notstandslage liegt vor, wenn von der Wohnung des Mieters eine Gefahr für das Gebäude, andere Wohnungen oder deren Nutzer ausgeht.

 
Praxis-Beispiel

Wohnungsbrand

Bricht in der Wohnung eines Mieters ein Feuer aus, darf jedermann die Wohnung betreten, wenn und soweit dies zur Brandbekämpfung erforderlich ist. Zu diesem Zweck darf auch die Wohnungstür aufgebrochen werden.

Die Voraussetzungen einer Selbsthilfe[2] werden in den hier in Betracht kommenden Fällen dagegen niemals vorliegen.

4.3 Kündigung

Interessenabwägung

Kündigt ein Vermieter mit der Begründung, dass der Mieter seine Pflicht zur Duldung der Besichtigung verletzt habe, so sind die Interessen des Vermieters an der Besichtigung und die Interessen des Mieters an einem ungestörten Mietgebrauch gegeneinander abzuwägen. Bei dieser Abwägung ist dem Besitzrecht des Mieters an der Wohnung aus Art. 14 GG und dem Recht aus Art. 13 GG ein hoher Stellenwert einzuräumen. Insbesondere müssen die Gerichte berücksichtigen, ob dem Mieter die Besichtigung zu den infrage stehenden Zeitpunkten zuzumuten ist.[1]

Notwehrrecht des Mieters

Will ein Vermieter ein Besichtigungsrecht gegen den Willen des Mieters eigenmächtig erzwingen, darf sich der Mieter hiergegen wehren. Eine Kündigung ist regelmäßig auch dann nicht berechtigt, wenn der Mieter die Grenzen erlaubter Notwehr geringfügig überschreitet. Auch in diesem Fall sind die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 BGB nicht gegeben, weil bei der danach erforderlichen Interessenabwägung das Fehlverhalten des Vermieters zu berücksichtigen ist.[2]

Verweigerung trotz Duldungstitel

Anders ist es zu beurteilen, wenn der Vermieter bereits einen Duldungstitel erwirkt hat und der Mieter gleichwohl eine Besichtigung verweigert. In einem solchen Fall liegt im Allgemeinen ein Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 BGB vor. Insbesondere ist der Vermieter nicht gehalten, zunächst die Vollstreckung des Duldungstitels zu versuchen.[3]

[3] BGH, Beschluss v. 5.10.2010, VIII ZR 221/09.

4.4 Exkurs: Besichtigung in Zeiten von Corona

Während der Corona-Einschränkungen oder auch allgemein zukünftigen Pandemie-Einschränkungen stellt sich die...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge