Entscheidungsstichwort (Thema)
Markenanmeldung Nr. 395 02 728.4. Bundespatentgericht
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der indiziellen Bedeutung einer Eintragung der angemeldeten Marke im Land der Sprache des Markenwortes für die identischen Waren unter der Geltung eines aufgrund der Markenrechtsrichtlinie harmonisierten Markengesetzes (hier: britischer Trade Marks Act 1994).
Normenkette
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 2
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der am 16. Juli 1998 an Verkündungs Statt zugestellte Beschluß des 30. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe
I. Mit ihrer am 23. Januar 1995 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung des Wortes
GENESCAN
in das Markenregister für die Ware „Computersoftware zur DNS-Sequenzierung”.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung wegen des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Marke wegen des Vorliegens eines Freihaltungsbedürfnisses im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verneint und dazu ausgeführt:
Das angemeldete Zeichen habe die ohne weiteres verständliche Bedeutung im Sinne von „Genabtastung, Genabsuchung, Genuntersuchung”. Die Bestandteile „Gene” und auch „Scan” seien in der deutschen Sprache allgemein gebräuchliche Begriffe, die ohne Sinnveränderung zu einem zusammengesetzten Hauptwort verbunden seien. „Scan” finde auch als Substantiv in vielfältigem Zusammenhang Verwendung. Bei dem Zeichenwort handele es sich auch nicht mehr um eine Wortneuschöpfung, da es bereits in zahlreichen Dokumenten, insbesondere auch Fachartikeln gebraucht werde. Daß der Gebrauch dieses Wortes durch die Anmelderin das Freihaltungsbedürfnis nicht tangiere, könne nicht anerkannt werden. Maßgebend sei das Verständnis der Allgemeinheit, insbesondere, ob dieser gegenüber ein Begriff als allgemeine Sachangabe in Erscheinung trete, oder ob er lediglich als Marke Verwendung finde. Auch der „Erfinder” einer Marke könne mit dazu beitragen, daß aus dieser im Laufe der Zeit ein rein beschreibender Sachbegriff werde. Ein solcher beschreibender Gebrauch könne erst recht auch von Anfang an erfolgen.
Für die markenrechtliche Beurteilung nicht entscheidend sei, ob, wie die Anmelderin darlege, Gene bei der DNS-Sequenzierung nicht abgetastet würden, weil sie in der DNS „unentwirrbar” versteckt seien, so daß nur die DNS-Sequenzierung untersucht werden könne. Auch für das angesprochene Fachpublikum sei die DNS-Sequenzierung eine Methode im Rahmen der Gentechnologie. Besonders Fachleute seien in vielfältigem Zusammenhang daran gewöhnt, daß sich Gegenstände, Erscheinungsformen und dergleichen oft nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar erforschen und sich nur aus den daraus gewonnenen Ergebnissen Rückschlüsse ziehen ließen. Gleichwohl würden die Begriffe Genforschung, Genchips, Gentest, Genentschlüsselung, Gendiagnostik, Gentherapie verwendet. Demgemäß sei auch dann von Genforschung die Rede, wenn ersichtlich nicht unmittelbar die Gene selbst untersucht würden, sondern sich aus den Untersuchungen nur mittelbar Rückschlüsse auf die Gene ziehen ließen. Entsprechend trügen auch richtungsweisende Untersuchungsmethoden den Namen des mit ihrer Hilfe erstrebten Forschungsziels; man spreche etwa im Rahmen von Blutuntersuchungen z.B. von guten bzw. schlechten Leberwerten, obwohl dabei die Leber selbst nicht überprüft werde.
Im Rahmen der Bestimmungsangabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei es auch nicht erforderlich, daß die Ware ausschließlich für den betreffenden Zweck bestimmt sei. Es genüge vielmehr, wenn dieser neben anderen in Betracht komme. Die Wettbewerber der Anmelderin dürften nicht darauf beschränkt werden, ihre Produkte nur so zu beschreiben, wie es vielleicht bei einer streng wissenschaftlichen Erörterung angebracht sein möge, sondern müßten auch allgemeine schlagwortartige Hinweise geben dürfen. Demgemäß würden beispielsweise auch die Begriffe „Augenscan, Fingerscan, Handscan” verwendet, obwohl nur die Iris oder auch der Augenhintergrund, die Papillaren oder die Zeichnung der Venen auf dem Handrücken gescannt würden. Im übrigen sei durch das insoweit allein maßgebende Warenverzeichnis nicht festgelegt, daß sich die beanspruchten Waren nur an Fachleute wendeten. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß die DNS-Sequenzierung in einigen Jahren von breiteren Verkehrskreisen verwendet werde, zumal das Warenverzeichnis auch solche DNS-Sequenzierungen erfasse, die sich auf Pflanzen oder Tiere einfachster Struktur bezögen.
Soweit die Anmelderin auf die Registrierung des Zeichens im Vereinigten Königreich und in Australien Bezug nehme, komme dem keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Die Indizwirkung von Markenregistrierungen im Ausland könne möglicherweise dann von Bedeutung sein, wenn es auf das spezielle Sprachverständnis im Land der Muttersprache ankomme. Handele es sich dagegen wie im Streitfall um eingedeutschte Begriffe, deren Verwendung auch im Inland belegbar sei, sei allein auf das Sprachverständnis im Inland abzustellen; die mögliche Indizwirkung der Auslandsregistrierung trete in derartigen Fällen nicht ein.
III. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Annahme des Bundespatentgerichts, der begehrten Eintragung stehe ein Freihaltungsbedürfnis i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (u.a.) zur Bezeichnung der Bestimmung der Waren (oder Dienstleistungen) dienen können. Die wörtlich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c MarkenRL übernommene Regelung gebietet die Versagung der Eintragung auch dann, wenn die fragliche Benutzung der Sachangabe bislang noch nicht zu beobachten ist, wenn aber eine solche Verwendung jederzeit in Zukunft erfolgen kann. Denn auch in einem derartigen Fall ist die Voraussetzung gegeben, daß die in der Marke liegenden Angaben als Sachangaben „dienen können” wie es in § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG heißt (BGH, Beschl. v. 19.1.1995 – I ZB 20/92, GRUR 1995, 408, 409 – PROTECH; Beschl. v. 5.2.1998 – I ZB 25/95, GRUR 1998, 813, 814 = WRP 1998, 745 – CHANGE; Beschl. v. 17.2.2000 – I ZB 33/97, GRUR 2000, 882, 884 = WRP 2000, 1140 – Bücher für eine bessere Welt).
2. Das Bundespatentgericht hat in diesem Zusammenhang und unter Bezugnahme auf die „MICRO CHANNEL”-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 13.5.1993 – I ZB 8/91, GRUR 1993, 744, 745) angenommen, daß eine beschreibende Verwendung eines Zeichenwortes durch den Anmelder nicht „rechtsdogmatisch ausgeschlossen” sei, sondern nur dann nicht vorliege, wenn die Zeichenwortverwendung nicht in einem dem Inhalt des Zeichenwortes entsprechenden Sinn, sondern nur allgemein als Kunstwort zur Namensgebung einer Ware benutzt werde. Mit dieser Überlegung ist jedoch nichts gewonnen, weil es nicht darauf ankommt, ob irgendeine Verwendung ausgeschlossen ist, sondern darauf, wie im konkreten Fall die Verwendung einer Bezeichnung erfolgt.
Das Bundespatentgericht hat des weiteren angenommen, daß das Zeichenwort die Bedeutung von Genabtastung, Genabsuchung, Genuntersuchung habe und es sich nicht um eine Wortneuschöpfung handele, weil es bereits in zahlreichen Dokumenten, insbesondere auch in Fachartikeln, gebraucht werde. Diese Feststellung reicht, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend beanstandet, jedoch nicht aus, um einen beschreibenden Inhalt des Markenwortes feststellen zu können. Hierzu hatte die Anmelderin vorgetragen, daß es sich bei den vom Bundespatentgericht ermittelten Internet-Einträgen im wesentlichen um Angaben der Anmelderin selbst und um Hinweise auf die Software der Anmelderin handele, was sich auch aus der besonderen Schreibweise „GeneScan” ergebe. Das Bundespatentgericht hat demgegenüber keine gegenteiligen Feststellungen dahin getroffen, daß die Verwendung des Markenwortes in beschreibender Weise erfolgt ist und nicht als markenmäßige Kennzeichnung von Computersoftware der Anmelderin zur DNS-Sequenzierung.
3. Nach dem Vortrag der Anmelderin beruht die Sequenzierung von DNS stets auf einer chemischen Aufbereitung von zu analysierenden DNS-Abschnitten unter Spaltung oder Fragmentierung derselben. Die aus dem Sequenzierungsvorgang erhaltenen Informationen seien Informationen über eine Vielzahl von Spaltstücken, die mittels des Computerprogramms – das als Ware für die Anmeldung in Anspruch genommen wird – ausgewertet und geordnet würden. Abschließend werde durch das Computerprogramm aus den durch die Verarbeitung der genannten Informationen erhaltenen Daten die gewünschte DNS-Sequenz abgeleitet. Dementsprechend diene das Computerprogramm zur DNS-Sequenzierung lediglich zur Auswertung der Daten, die bei der vorangegangenen chemischen Untersuchung der DNS gewonnen würden. Die eigentliche physische Untersuchung der Gene, welche mit dem Wort „Scan” in der deutschen Bedeutung Abtastung, Absuchung, Untersuchung zum Ausdruck komme, werde dagegen vorher bei der chemischen Analyse der DNS mittels Aufspalten, Abspalten und dergleichen vorgenommen, die an dem zu untersuchenden Objekt erfolge. Gegenteilige Feststellungen hat das Bundespatentgericht nicht getroffen.
Ausgehend von diesem technischen Sachverhalt kann in dem Wort „GENESCAN” eine Bestimmungsangabe lediglich für die chemischen Apparaturen und Verfahren gesehen werden, mit denen das genetische Material unmittelbar untersucht und chemisch analysiert wird, um die Daten für die Gen-Sequenzierung zu gewinnen. Da die Computersoftware zur DNS-Sequenzierung lediglich zur Auswertung und Aufbereitung der Daten, die bei der physischen Untersuchung gewonnen wurden, dient, kann in dem Markenwort keine Bestimmungsangabe für die in Anspruch genommenen Waren gesehen werden. Die Tatsache, daß sonstige Apparate mit der Angabe des Markenworts in ihrer Bestimmung gekennzeichnet werden können, rechtfertigt nicht die Annahme des Eintragungshindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die in Anspruch genommenen, den anderen gedachten Waren allenfalls ähnlichen Waren (vgl. BGH, Beschl. v. 22.3.1990 – I ZB 2/89, GRUR 1990, 517 – SMARTWARE).
Deshalb kann zugleich ausgeschlossen werden, es könne sich für die in Anspruch genommenen Waren selbst ein Freihaltungsbedürfnis möglicherweise erst in der Zukunft entwickeln.
Auch auf die von der Anmelderin und der Rechtsbeschwerde in Abrede gestellte Annahme des Bundespatentgerichts, es sei nicht ausgeschlossen, daß die DNS-Sequenzierung, die derzeit nur Fachleute anspreche, in einigen Jahren von breiteren Verkehrskreisen verwendet werde, kommt es aus den gleichen Gründen nicht an. Unabhängig von dem Bedenken, daß diese Annahme nicht auf der hinreichenden Feststellung der erforderlichen, die Annahme tragenden Tatsachen beruht, fehlt es auch insoweit an der ausreichenden Sachnähe des Markenwortes zu den in Anspruch genommenen Waren.
4. Die Rechtsbeschwerde beanstandet weiter mit Erfolg, daß das Bundespatentgericht auch der Eintragung des Markenworts im Vereinigten Königreich keine Bedeutung beigemessen hat. Es hat das damit gerechtfertigt, daß es sich bei dem Markenwort um einen eingedeutschten Begriff handele, dessen Verwendung auch im Inland belegbar sei, so daß allein auf das Sprachverständnis im Inland abzustellen sei und die mögliche Indizwirkung der Auslandsregistrierung ohne Bedeutung bleibe. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.
Daß es sich bei dem Markenwort tatsächlich um ein Wort der deutschen Sprache handelt, hat das Bundespatentgericht mit dem Hinweis auf Wortbildungen wie „Genabtastung”, „Genabsuchung” oder „Genuntersuchung” schon nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil die Wortbildung in den angeführten Beispielen anders („Gen-” gegenüber „Gene-”) erfolgt als in dem Markenwort. Es hat darüber hinaus – anders als es in der von ihm herangezogenen Entscheidung „Premiere” (BGH, Beschl. v. 27.5.1993 – I ZB 7/91, GRUR 1993, 746) der Fall gewesen ist – nicht festgestellt, daß das Markenwort im Inland in einer von seiner englischen Bedeutung abweichenden Bedeutung verwendet wird. Nur in einem derartigen Fall kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die indizielle Bedeutung einer Auslandseintragung unberücksichtigt bleiben. Da die Eintragung im Vereinigten Königreich nicht nur für eine identische Warenangabe und im Land der Sprache des Markenworts erfolgt ist, sondern auch unter der Geltung des Trade Marks Act 1994, erlassen in Umsetzung der Markenrechtsrichtlinie wie das deutsche Markengesetz, hätte es der Auseinandersetzung des Bundespatentgerichts mit den genannten Indiztatsachen bedurft.
IV. Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Bornkamm, Büscher, Schaffert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 01.02.2001 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 613402 |
BGHR 2001, 708 |
GRUR 2001, 1046 |
WRP 2001, 1084 |
BPatGE, 279 |
ELF 2002, 28 |
MarkenR 2001, 304 |
Mitt. 2001, 369 |