Leitsatz (amtlich)
a) Der Einordnung einer Maßnahme als marktbezogen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG steht nicht entgegen, dass der Netznutzer mit dem Übertragungsnetzbetreiber keinen finanziellen Ausgleich für die Maßnahme vereinbart hat.
b) Die Bundesnetzagentur prüft im besonderen Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG nicht, ob ein Schadensersatzanspruch gegen denjenigen besteht, der sich missbräuchlich i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 2 EnWG verhält.
Normenkette
EnWG § 13 Abs. 1, § 31
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 09.01.2019; Aktenzeichen VI-3 Kart 81/16 (V)) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des OLG Düsseldorf vom 9.1.2019 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen, die auch die notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur und der Antragsgegnerin zu tragen hat.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10 Mio. EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
A. Die Antragstellerin betreibt die in der Ostsee verlegte, als Baltik-Kabel (Baltic Cable) bezeichnete Gleichstrom-Verbindungsleitung mit einer Kapazität von 600 Megawatt zwischen Deutschland und Schweden. Das Kabel ist auf deutscher Seite in Lübeck-Herrenwyk sowohl an das Übertragungsnetz der Antragsgegnerin als auch an das 110 Kilovolt-Netz der S AG angeschlossen. Auf schwedischer Seite ist das Baltic Cable an das Höchstspannungsnetz der S AB angeschlossen. Regelungen zu Errichtung, Betrieb, technischen Anforderungen, Kapazitätsbeschränkungen und Gebühren des Anschlusses der Verbindungsleitung an das Netz der Antragsgegnerin haben die Antragstellerin und die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin in einem Netzanschlussvertrag (Connection Agreement) vom 12.6.1995 geregelt.
Rz. 2
Die Antragstellerin erzielt aus der Vermarktung der grenzüberschreitenden Kapazität des Kabels Erlöse in Höhe des Preisunterschieds zwischen dem schwedischen und dem deutschen Strompreis.
Rz. 3
Die Antragsgegnerin hat in der Vergangenheit mehrfach die Kapazität an der Übergabestelle zwischen dem Baltic Cable und ihrem Netz beschränkt, um Netzengpässe in der eigenen Regelzone aufzulösen. Die Antragstellerin hat hierdurch Einnahmeverluste erlitten, da sie die Kapazität des Kabels nicht voll vermarkten konnte, und es sind ihr Kosten entstanden, wenn sie Gegengeschäfte tätigen musste, falls sie die Kapazität bereits vermarktet hatte.
Rz. 4
Die Antragstellerin hat am 28.8.2014 bei der Bundesnetzagentur die Eröffnung eines besonderen Missbrauchsverfahrens nach § 31 EnWG beantragt. Sie ist der Ansicht, die Beschränkung der Kapazität an der Übergabestelle zwischen dem Baltic Cable und dem Netz der Antragsgegnerin sei missbräuchlich. Die Antragsgegnerin müsse vorrangig Maßnahmen ergreifen, deren Kosten sie selbst oder ihre Kunden in dem vom Engpass betroffenen Netzgebiet zu tragen hätten. Für dennoch vorgenommene Kapazitätsbeschränkungen müsse sie entschädigt werden.
Rz. 5
Mit Beschluss vom 30.5.2016 hat die Bundesnetzagentur den Antrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, der die Bundesnetzagentur und die Antragsgegnerin entgegentreten, verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Aufhebung des Beschlusses der Bundesnetzagentur und Neubescheidung weiter.
Rz. 6
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Rz. 7
I. Das Beschwerdegericht (OLG Düsseldorf, RdE 2019, 231) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 8
Die Bundesnetzagentur habe den Antrag, der Antragsgegnerin nach § 31 EnWG zu untersagen, systematisch Beschränkungen der Kapazität am Netzverknüpfungspunkt zum Baltic Cable vorzunehmen, um hierdurch Engpässe in der eigenen Regelzone zu beseitigen, zu Recht abgelehnt. Das beanstandete Verhalten sei nicht missbräuchlich.
Rz. 9
Die gerügten Kapazitätsbeschränkungen verstießen nicht gegen § 20 EnWG. Die Antragstellerin habe als Betreiberin eines Übertragungsnetzes keinen Anspruch auf Netzzugang nach § 20 Abs. 1 EnWG, da sie keine Netznutzerin i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 3 Nr. 28 EnWG sei. Jedenfalls seien die von der Antragstellerin angegriffenen Kapazitätsbeschränkungen nach § 20 Abs. 2 EnWG gerechtfertigt. Aus § 20 Abs. 2 Satz 3 EnWG ergebe sich, dass der Gesetzgeber den Kapazitätsmangel als Zugangsverweigerungsgrund im Rahmen des Engpassmanagements ansehe. Die Bundesnetzagentur sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin die maximale, mit einem sicheren Netzbetrieb vereinbare Netzkapazität zur Verfügung stelle. Die Kapazitätsbeschränkungen stünden auch nicht im Widerspruch zum Netzanschlussvertrag. Danach habe der Anschluss des Kabels an das Netz der Antragsgegnerin mit einer Übertragungskapazität von 600 Megawatt von Anfang an unter dem Vorbehalt der Systemsicherheit gestanden.
Rz. 10
Die Antragsgegnerin habe bei den Kapazitätsbeschränkungen die Vorgaben des § 13 EnWG beachtet. Die Annahme der Bundesnetzagentur, die Kapazitätsbeschränkungen seien zur Wahrung der Systemsicherheit erfolgt, da es bei Starkwindphasen aufgrund der vorrangigen Einspeisung erneuerbarer Energien zu temporären Netzüberlastungen komme, sei nicht zu beanstanden. Es sei auch nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin die Kapazitätsbegrenzungen zu hoch veranschlagt oder zu lange vorgenommen habe. Die in § 13 EnWG genannten Maßnahmen stünden zueinander in einem Stufenverhältnis. Marktbezogene Maßnahmen seien nachrangig gegenüber netz-bezogenen Maßnahmen durchzuführen, wie sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebe. Die Kapazitätsbeschränkungen habe die Bundesnetzagentur zu Recht als netzbezogene Maßnahmen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 EnWG qualifiziert. Netzbezogene Maßnahmen erforderten keine Beteiligung der Netznutzer und könnten auch netzübergreifend und nicht nur im eigenen Netz ausgeführt werden. Jedenfalls seien die Kapazitätsbeschränkungen als marktbezogene Maßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG gerechtfertigt. Marktbezogene Maßnahmen würden - mit Ausnahme von Maßnahmen nach § 13a EnWG - mit den Betroffenen vertraglich vereinbart. Ob die Maßnahmen vergütet würden, sei nicht entscheidend. Die Parteien oder ihre Rechtsvorgänger hätten in Nr. 4 des Netzanschlussvertrags eine entschädigungslose Möglichkeit der Einschränkung der Kapazität vereinbart. Auch wenn die von der Antragstellerin angeführten Maßnahmen des grenzüberschreitenden Redispatches oder der grenzüberschreitenden Gegengeschäfte gleich effizient wie Kapazitätsbeschränkungen sein sollten, verursachten jene im Gegensatz zu diesen jedoch Kosten, die auf die Netznutzer umzulegen wären.
Rz. 11
Das Verhalten der Antragsgegnerin sei mit § 17 EnWG und § 15 StromNZV vereinbar. Der Beschluss der Bundesnetzagentur verstoße auch nicht gegen Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 714/2009 (im Folgenden: StromhandelZVO). Offenbleiben könne, ob im besonderen Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG Verstößen gegen die Verordnung überhaupt nachzugehen sei. Jedenfalls verpflichte Art. 16 StromhandelZVO nur die Antragstellerin selbst, nicht aber die Antragsgegnerin, da nur die Antragstellerin eine grenzüberschreitende Verbindungsleitung betreibe.
Rz. 12
Der Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin im Fall nicht vermeidbarer Kapazitätsbeschränkungen nach Art. 16 Abs. 2 Satz 3 StromhandelZVO die daraus entstehenden Kosten und entgangenen Umsatzerlöse zu erstatten, sei bereits unzulässig. Der Prüfungsumfang des § 31 EnWG sei auf das Verhalten von Netzbetreibern und nicht auf die Zahlung einer Entschädigung für dieses Verhalten gerichtet. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet.
Rz. 13
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
Rz. 14
1. Das Beschwerdegericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der nach § 31 Abs. 1 Satz 1 EnWG zulässige Antrag, der Antragsgegnerin zu untersagen, systematisch Beschränkungen der Kapazität am Anschluss des Kabels der Antragstellerin vorzunehmen, um hierdurch Engpässe in der eigenen Regelzone zu beseitigen, unbegründet ist. Das Verhalten der Antragsgegnerin verstößt weder gegen die nach § 31 Abs. 1 Satz 2 EnWG zu prüfenden Vorgaben der Abschnitte 2 und 3 des Energiewirtschaftsgesetzes noch gegen die auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen oder die nach § 29 Abs. 1 EnWG festgelegten oder genehmigten Bedingungen und Methoden.
Rz. 15
a) Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass das Verhalten der Antragsgegnerin mit § 20 EnWG vereinbar ist.
Rz. 16
aa) Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EnWG hat der Betreiber eines Energieversorgungsnetzes jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfrei Netzzugang zu gewähren. Der Netzzugangsanspruch ist auf die Zurverfügungstellung von Netzkapazitäten für die Durchleitung, also den Transport von Energie, gerichtet (Britz/Herzmann/Arndt in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 20 Rz. 9; Hartmann/Wagner in Theobald/Kühling, Energierecht, § 20 EnWG Rz. 23 [Stand: Februar 2020]).
Rz. 17
Das Beschwerdegericht geht - anders als die Bundesnetzagentur - davon aus, dass "jedermann" i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 EnWG und "Netznutzer" nach § 20 Abs. 1 Satz 4 EnWG nicht ein Übertragungsnetzbetreiber nach § 3 Nr. 10 EnWG sein kann. Es sieht die Antragstellerin, die Übertragungsnetzbetreiberin ist (vgl. BGH, Beschl. v. 7.3.2017 - EnVR 21/16, RdE 2018, 201 Rz. 57 ff. - Baltic Cable AB; EuGH, Urt. v. 11.3.2020 - C-454/18, juris Rz. 45 ff. - Baltic Cable AB/Energimarknadsinspektionen), daher nicht als anspruchsberechtigt nach § 20 Abs. 1 EnWG an. Ob das zutrifft, kann offenbleiben.
Rz. 18
bb) Das Beschwerdegericht ist jedenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass, wenn der Antragstellerin ein Zugangsanspruch nach § 20 Abs. 1 EnWG zustehen sollte, die zeitweilige Beschränkung der Kapazität des Anschlusses des Baltic Cable mit § 20 Abs. 2 EnWG vereinbar wäre und nicht gegen die Vorgaben des § 13 EnWG und des § 15 StromNZV verstieße.
Rz. 19
(1) Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 EnWG können Betreiber von Energieversorgungsnetzen den Zugang nach § 20 Abs. 1 EnWG verweigern, soweit sie nachweisen, dass ihnen die Gewährung des Netzzugangs aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung des Zwecks des § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Wie sich aus § 20 Abs. 2 Satz 3 EnWG ergibt, kann ein Kapazitätsmangel, wie er zeitweilig im Netz der Antragsgegnerin auftritt, ein Grund zur Verweigerung des Netzzugangs sein. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass die Antragsgegnerin die Kapazität des Anschlusses des Baltic Cable nur in netzkritischen Situationen beschränkt hat und nicht zu erkennen ist, dass Kapazitätsbegrenzungen in der Vergangenheit in größerem Umfang oder für längere Zeit vorgenommen wurden als erforderlich.
Rz. 20
(2) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde geht das Beschwerdegericht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Antragsgegnerin bei den von ihr vorgenommenen Kapazitätsbeschränkungen die Vorgaben des § 13 EnWG beachtet hat.
Rz. 21
(a) Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EnWG sind die Betreiber der Übertragungsnetze berechtigt und verpflichtet, eine Störung oder Gefährdung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone durch netzbezogene oder marktbezogene Maßnahmen zu beseitigen.
Rz. 22
Netzbezogene Maßnahmen betreffen nur den technischen Netzbetrieb und greifen nicht in die Rechte einzelner Netznutzer ein. Marktbezogene Maßnahmen können Rechte der Netznutzer vorübergehend einschränken; im Gegenzug erhalten sie in der Regel auf vertraglicher Grundlage eine Vergütung (Tüngler in Kment, EnWG, 2. Aufl., § 13 Rz. 27 f.; Sötebier in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 13 Rz. 23 ff., 28 ff.; Riese/Killius in Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, § 13 Rz. 12 f.).
Rz. 23
(b) Nicht ersichtlich ist, dass der Antragsgegnerin netzbezogene Maßnahmen zur Beseitigung des Engpasses zur Verfügung gestanden hätten. Die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Kapazitätsbeschränkungen am Anschluss des Baltic Cable sind, wenn man die Antragstellerin als Netznutzerin und damit als nach § 20 Abs. 1 EnWG anspruchsberechtigt ansieht - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht als netzbezogene Maßnahmen, sondern als marktbezogene Maßnahme i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG anzusehen. Denn diese Maßnahmen greifen in die Rechte der Antragstellerin ein, da ihr Zugang zum Netz der Antragsgegnerin beschränkt wird. Der Antragstellerin entgehen dadurch entweder Umsatzerlöse, da sie nicht die ganze Kapazität des Kabels vermarkten kann, oder es entstehen ihr Kosten für erforderlich werdende Gegenmaßnahmen, falls sie die Kapazität der Verbindungsleitung bereits vermarktet hat. Es handelt sich jedoch - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - nicht um Notfallmaßnahmen nach § 13 Abs. 2 EnWG, da die Kapazitätsbeschränkungen auf vertraglicher Grundlage erfolgen.
Rz. 24
Eine vertragliche Grundlage für die vorgenommenen Kapazitätsbeschränkungen findet sich nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts im Netzanschlussvertrag, den die Antragstellerin mit der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin abgeschlossen hat. In Nr. 4 des Vertrags haben die Vertragsparteien vereinbart, dass die Energieübertragung vom und zum Baltic Cable beschränkt werden kann, wenn dies nach Auffassung der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin erforderlich ist, um einen Stromausfall in Deutschland oder Betriebsbedingungen zu verhindern, die unzumutbare Risiken für solche Unterbrechungen bergen. Eine Entschädigung hierfür sieht der Vertrag nicht vor; allerdings sieht er auch kein Entgelt für den Netzanschluss vor. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts stand die Nutzung des Kabels der Antragstellerin nach dem Willen der Vertragsparteien von vornherein unter dem Vorbehalt einer sicheren und zuverlässigen Stromversorgung in Deutschland.
Rz. 25
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht diese vertraglichen Regelungen nicht rechtsfehlerhaft ausgelegt. Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und in der Rechtsbeschwerde nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. BGH, Beschl. v. 9.10.2018 - EnVR 20/17, RdE 2019, 65 Rz. 17 - Offshore-Anbindung). Die tatrichterliche Auslegung eines Vertrages ist für das Rechtsbeschwerdegericht nur dann nicht bindend, wenn gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder der Tatrichter verfahrenswidrig wesentliches Auslegungsmaterial unberücksichtigt gelassen hat. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz der vollständigen Würdigung der maßgeblichen Umstände (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2005 - III ZR 451/04, juris Rz. 12; v. 28.10.1997 - XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69, 72).
Rz. 26
Die Rechtsbeschwerde hat keine Umstände aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass das Beschwerdegericht gegen diese Vorgaben verstoßen hätte. Insbesondere kann dem Connection Agreement - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - nicht entnommen werden, dass die Antragsgegnerin nur dann zu Kapazitätsbeschränkungen ermächtigt ist, wenn keine anderweitigen Maßnahmen i.S.d. § 13 Abs. 1 EnWG möglich sind. Eine solche Einschränkung enthält der Vertrag nicht. Aus Nr. 4 Satz 2 des Vertrags ergibt sich nur, dass die Antragsgegnerin Kapazitätsbeschränkungen soweit wie möglich in Absprache mit der Antragstellerin vornehmen soll, so dass andere mögliche Maßnahmen in Betracht gezogen und abgestimmt werden können. Ob die Antragsgegnerin im Einzelfall gegen diese Verpflichtung aus Nr. 4 Satz 2 des Vertrags verstoßen hat, ist keine im Rahmen der Missbrauchsaufsicht zu klärende Frage. Ein solcher Verstoß gegen eine vertragliche Verpflichtung wäre im Rahmen einer zivilrechtlichen Klage geltend zu machen. Ob dies bei einer systematischen Verletzung der vertraglichen Verpflichtung durch die Antragsgegnerin anders zu sehen wäre, kann offenbleiben, da die Rechtsbeschwerde hierzu keinen Tatsachenvortrag im Beschwerdeverfahren aufgezeigt hat.
Rz. 27
Dass die Vertragsparteien keinen finanziellen Ausgleich für die Kapazitätsbeschränkung vereinbart haben, steht - anders als die Rechtsbeschwerde meint - der Einordnung als marktbezogene Maßnahme nicht entgegen. Wesentliches Kennzeichen einer marktbezogenen Maßnahme ist nicht der finanzielle Ausgleich, sondern der Eingriff in Rechte des Netznutzers auf vertraglicher Grundlage, § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG.
Rz. 28
Das Beschwerdegericht hat im Übrigen festgestellt, dass die Antragstellerin das Angebot der Antragsgegnerin im Jahr 2003, einen standardmäßigen Netzanschlussvertrag zu schließen, nicht angenommen und von der in § 115 Abs. 1 Satz 2 EnWG vorgesehenen Möglichkeit, eine Anpassung des bestehenden Vertrags an die Regelungen über den Netzanschluss und den Netzzugang zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht hat. Sie hat vielmehr an der Vereinbarung und an deren Nr. 4, die keine Vergütung für Kapazitätsbeschränkungen vorsieht, festgehalten.
Rz. 29
(3) Die von der Antragstellerin als vorrangig angesehenen Maßnahmen des grenzüberschreitenden Redispatches und der grenzüberschreitenden Gegengeschäfte sind ebenfalls marktbezogene Maßnahmen, da sie Vereinbarungen mit Dritten voraussetzen. Die dadurch entstehenden Kosten hätte die Antragsgegnerin zu tragen.
Rz. 30
Die Frage, ob diese von der Antragstellerin als vorrangig angesehenen Maßnahmen gleich geeignet oder überhaupt geeignet sind, die im Netz der Antragsgegnerin auftretenden Engpässe zu beseitigen, hat das Beschwerdegericht offengelassen. Allerdings hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich, dass diese Maßnahmen technisch besser geeignet wären, Kapazitätsengpässe im Netz der Antragsgegnerin zu beseitigen.
Rz. 31
Das Management von Netzengpässen folgt in erster Linie technischen Kriterien, soweit sich aus gesetzlichen Vorschriften nicht etwas anderes ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2020 - XIII ZR 27/19, ZNER 2020, 242 Rz. 39 - Einspeisemanagement). Unter mehreren zur Beseitigung des Engpasses in technischer Hinsicht gleich geeigneten marktbezogenen Maßnahmen räumt das Gesetz keiner Maßnahme den Vorrang ein. Es ist daher nicht missbräuchlich, wenn die Antragsgegnerin auf bestehender vertraglicher Grundlage mit der Antragstellerin die Kapazität des Anschlusses des Baltic Cable beschränkt. Der Umstand, dass die Antragstellerin - anders als die Antragsgegnerin - die ihr durch die Kapazitätseinschränkungen entstehenden Umsatzeinbußen und Kosten nicht abwälzen kann, begründet nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG keinen Vorrang anderer marktbezogener Maßnahmen. Offenbleiben kann, ob mit dem Beschwerdegericht diese Kapazitätsbeschränkungen anderen marktbezogenen Maßnahmen schon deshalb vorzuziehen sind, weil sie im Gegensatz zum grenzüberschreitenden Redispatch und zu grenzüberschreitenden Gegengeschäften bei der Antragsgegnerin keine auf die Netznutzer umzulegenden Kosten verursachen.
Rz. 32
(4) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts missachtet - anders als die Rechtsbeschwerde meint - auch nicht § 15 StromNZV, der die Grundsätze des § 20 Abs. 2 EnWG zum Netzzugang konkretisiert (vgl. Verordnung der Bundesregierung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen, BR-Drucks. 244/05, 1). § 15 Abs. 1 und 2 StromNZV entsprechen den Vorgaben des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG (vgl. Lüdtke-Handjery/Schipke in Theobald/Kühling, Energierecht, Stand: Februar 2020, § 15 StromNZV Rz. 6), mit denen das Verhalten der Antragstellerin vereinbar ist.
Rz. 33
cc) Dieses Ergebnis widerspricht - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - nicht dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11.3.2020 (EuGH, Urt. v. 11.3.2020 - C-454/18, juris - Baltic Cable AB/Energimarknadsinspektionen). Nach dem Urteil des Unionsgerichtshofs ist sicherzustellen, dass die Antragstellerin, die im Unterschied zu anderen Übertragungsnetzbetreibern keine Netzentgelte vereinnahmt, aus denen sie ihre Betriebskosten decken kann, bei Anwendung des Art. 16 Abs. 6 StromhandelZVO, der die Verwendung von Einnahmen regelt, nicht gegenüber Übertragungsnetzbetreibern, die neben einer Verbindungsleitung auch ein Übertragungsnetz betreiben, diskriminiert wird. Hier geht es aber nicht um eine Diskriminierung der Antragstellerin gegenüber anderen Übertragungsnetzbetreibern, die eine Verbindungsleitung betreiben, bei der Verwendung von Einnahmen. Es geht um die Anwendung des von der Antragstellerin geschlossenen Vertrags, der in Nr. 4 die von der Antragsgegnerin vorgenommene entschädigungslose Kapazitätsbeschränkung ausdrücklich vorsieht und an dem die Antragstellerin bislang festhält.
Rz. 34
b) Das Verhalten der Antragsgegnerin ist mit § 17 Abs. 1 EnWG vereinbar. § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG gewährt der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin, die ein gleichgelagertes Elektrizitätsversorgungsnetz betreibt, einen Anspruch auf Anschluss an dieses Netz zu angemessenen, diskriminierungsfreien, transparenten und nicht ungünstigeren Bedingungen, als sie die Antragsgegnerin in vergleichbaren Fällen gewährt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde begründet § 17 Abs. 1 EnWG allerdings nur einen Anspruch auf Netzanschluss als tatsächliche und rechtliche Voraussetzung für einen Netzzugang (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, BT-Drucks. 15/3917, 58). Die Vorschrift gewährleistet keine Einspeisung mit einer gleichbleibend hohen Netzanschlusskapazität (vgl. Bourwieg in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 17 Rz. 20). Dass der Netzanschluss mit einer Kapazität von 600 Megawatt hergestellt wurde und damit der Anspruch der Antragstellerin nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EnWG erfüllt ist, hat das Beschwerdegericht festgestellt.
Rz. 35
c) Das Beschwerdegericht hat im Verhalten der Antragsgegnerin zu Recht keinen Verstoß gegen Art. 16 Abs. 2 StromhandelZVO erkannt.
Rz. 36
aa) Ob Gegenstand des besonderen Missbrauchsverfahrens überhaupt die Überprüfung eines Verhaltens auf seine Vereinbarkeit mit Art. 16 StromhandelZVO sein kann, obwohl diese Verordnung in § 31 Abs. 1 Satz 2 EnWG, der den Prüfungsmaßstab des besonderen Missbrauchsverfahrens bestimmt, nicht genannt ist (ablehnend daher Weyer in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 31 EnWG Rz. 18 und wohl auch Wahlhäuser in Kment, EnWG, 2. Aufl., § 31 Rz. 16), kann dahinstehen. Denn die Bundesnetzagentur hat diese Vorschrift geprüft und einen Verstoß der Antragsgegnerin dagegen zu Recht verneint.
Rz. 37
bb) Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass Art. 16 Abs. 2 StromhandelZVO der Antragsgegnerin keine Pflichten auferlegt.
Rz. 38
(1) Art. 16 Abs. 2 StromhandelZVO regelt allerdings nicht ausdrücklich - ebenso wenig wie der ihn seit 1.1.2020 ersetzende Art. 16 Abs. 2 der Verordnung [EU] 2019/943 -, wer dieser Vorschrift unterfällt. Aus den Zielen der Verordnung (ebenso der Verordnung [EU] 2019/943), den in Art. 16 StromhandelZVO (Art. 16 der Verordnung [EU] 2019/943) geregelten Pflichten sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich jedoch, dass die Pflichten des Art. 16 StromhandelZVO (Art. 16 der Verordnung [EU] 2019/943) die Antragstellerin als Übertragungsnetzbetreiberin, die eine Verbindungsleitung betreibt, treffen und sich aus dieser Vorschrift keine Pflichten der Antragsgegnerin ergeben.
Rz. 39
(2) Nach Art. 1 Buchst. a StromhandelZVO (Art. 1 Buchst. c der Verordnung [EU] 2019/943) ist Ziel der Verordnung die Festlegung gerechter Regeln für den grenzüberschreitenden Stromhandel und somit eine Verbesserung des Wettbewerbs auf dem Elektrizitätsbinnenmarkt. Dieses Ziel umfasst die Festlegung harmonisierter Grundsätze für die Vergabe der auf den Verbindungsleitungen zwischen nationalen Übertragungsnetzen verfügbaren Kapazitäten.
Rz. 40
Zu diesem Zweck sieht Art. 16 Abs. 1 Satz 1 StromhandelZVO (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung [EU] 2019/943) als allgemeinen Grundsatz für das Engpassmanagement vor, dass Netzengpässen mit nichtdiskriminierenden marktorientierten Lösungen zu begegnen ist, von denen wirksame wirtschaftliche Signale an die Marktteilnehmer und beteiligten Übertragungsnetzbetreiber ausgehen. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c StromhandelZVO (entsprechend Art. 2 Nr. 4 der Verordnung [EU] 2019/943) definiert Engpass als Situation, in der eine Verbindung zwischen nationalen Übertragungsnetzen wegen unzureichender Kapazität der Verbindungsleitungen oder der betreffenden nationalen Übertragungsnetze nicht alle Stromflüsse im Rahmen des von den Marktteilnehmern gewünschten internationalen Handels bewältigen kann.
Rz. 41
Art. 16 Abs. 2 StromhandelZVO regelt, dass ein Übertragungsnetzbetreiber Transaktionen nur in Notfällen einschränken darf, in denen er schnell handeln muss und ein Redispatch oder Gegengeschäfte nicht möglich sind. Zu diesen Transaktionen gehört, wie sich aus Anhang I Nr. 1.1. StromhandelZVO ergibt, u.a. der grenzüberschreitende Handel.
Rz. 42
Art. 16 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 StromhandelZVO unterscheiden zwischen Marktteilnehmern, denen im Rahmen von Transaktionen Kapazität der Verbindungsleitung zugewiesen werden, und Übertragungsnetzbetreibern, die ihnen die Kapazität zuweisen. Nach Art. 16 Abs. 2 Satz 3 StromhandelZVO werden Marktteilnehmer, denen Kapazitäten zugewiesen wurden, - abgesehen von Fällen höherer Gewalt - für jede Einschränkung entschädigt. Der Begriff des Marktteilnehmers ist weder in Art. 2 Abs. 1 StromhandelZVO i.V.m. Art. 2 der Richtlinie 2009/72/EG noch in Art. 2 Abs. 2 StromhandelZVO definiert, sondern erst in dem seit dem 1.1.2020 geltenden Art. 2 Nr. 25 der Verordnung (EU) 2019/943. Danach wird als Marktteilnehmer eine natürliche oder juristische Person bezeichnet, "die Elektrizität kauft, verkauft oder erzeugt, sich mit Aggregierung beschäftigt oder Leistungen im Bereich der Laststeuerung oder der Speicherung betreibt, was die Erteilung von Handelsaufträgen in einem oder mehreren Elektrizitätsmärkten einschließlich der Regelarbeitsmärkte umfasst".
Rz. 43
Die Antragstellerin vermarktet die Kapazität ihrer Verbindungsleitung und ist daher nach Art. 16 Abs. 3 StromhandelZVO verpflichtet, Marktteilnehmern die maximale Kapazität der Verbindungsleitung zur Verfügung zu stellen. Sie ist als Übertragungsnetzbetreiberin selbst jedoch keine Marktteilnehmerin, weshalb ihr nach Art. 16 Abs. 2 Satz 3 StromhandelZVO kein Anspruch gegen die Antragsgegnerin als Übertragungsnetzbetreiberin zusteht, die keine Verbindungsleitung betreibt.
Rz. 44
(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der zu beurteilen hatte, ob die Antragstellerin nach Art. 16 Abs. 6 StromhandelZVO verpflichtet ist (EuGH, Urt. v. 11.3.2020 - C-454/18, juris Rz. 37 ff. - Baltic Cable AB/Energimarknadsinspektionen). Der Unionsgerichtshof hat die Antragstellerin als Übertragungsnetzbetreiberin nach Art. 16 StromhandelZVO angesehen. Dabei ist er davon ausgegangen, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Verordnung den Fall, dass ein Übertragungsnetzbetreiber ausschließlich eine Verbindungsleitung betreibt, gar nicht in Betracht gezogen hat (EuGH, Urt. v. 11.3.2020 - C-454/18, juris Rz. 45 f. - Baltic Cable AB/Energimarknadsinspektionen). Der Unionsgerichtshof hat darin aber kein Hindernis dafür gesehen, Art. 16 StromhandelZVO auf die Antragstellerin anzuwenden.
Rz. 45
(4) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdegericht auch keine fehlerhaften Schlussfolgerungen aus der Verordnung (EU) 2015/1222 gezogen.
Rz. 46
Die Verordnung legt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Leitlinien für die Vergabe grenzüberschreitender Kapazität und für das Engpassmanagement auf Tagesmärkten fest. Sie gilt nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/1222 für alle Übertragungsnetze und Verbindungsleitungen in der Union mit Ausnahme der Übertragungsnetze auf Inseln, die nicht über Verbindungsleitungen mit anderen Übertragungsnetzen verbunden sind.
Rz. 47
Das Beschwerdegericht hat Vorschriften dieser Verordnung herangezogen, um zu begründen, dass die Antragstellerin, nicht aber die Antragsgegnerin aus Art. 16 StromhandelZVO verpflichtet ist. Da dies bereits aus den Vorschriften der StromhandelZVO selbst folgt, hat das Beschwerdegericht jedenfalls keine unzutreffenden Schlüsse gezogen.
Rz. 48
2. Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Bundesnetzagentur den Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin im Falle nicht vermeidbarer Kapazitätsbeschränkungen die daraus resultierenden Kosten und entgangenen Erlöse zu erstatten, zurecht abgelehnt hat.
Rz. 49
a) Ob die Antragstellerin mit dem Antrag überhaupt einen zulässigen Prüfungsgegenstand nach § 31 Abs. 1 Satz 1 EnWG verfolgt, kann offenbleiben. Dies wäre dann nicht der Fall, wenn die Antragstellerin, wovon die Bundesnetzagentur ausgegangen ist, mit dem Antrag einen Schadensersatzanspruch geltend machen würde. Die Prüfung und Feststellung eines Anspruchs gegen den, der sich missbräuchlich i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 1 EnWG verhält, auf Erstattung entstandener Kosten oder entgangener Umsatzerlöse als Folge des missbräuchlichen Verhaltens erfolgt im besonderen Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG nicht. § 32 Abs. 4 EnWG, der bestimmt, dass im Fall des Verstoßes gegen eine Vorschrift der Abschnitte 2 und 3 des Energiewirtschaftsgesetzes das Gericht, das über einen Schadensersatzanspruch zu urteilen hat, an die Feststellungen des Verstoßes, die in einer bestandskräftigen Entscheidung der Regulierungsbehörde getroffen wurden, gebunden ist, wäre überflüssig, könnte die Bundesnetzagentur selbst eine Schadensersatzpflicht feststellen. Die in § 32 Abs. 4 EnWG angeordnete Tatbestandswirkung bezieht sich nach dem Wortlaut der Norm und dem Willen des Gesetzgebers nur auf die Feststellung des Rechtsverstoßes, also des missbräuchlichen Verhaltens. Alle weiteren Fragen zum Anspruch auf Schadensersatz sind vom Gericht zu klären und festzustellen und unterliegen dessen freier Beweiswürdigung (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts, BT-Drucks. 15/3917, 64).
Rz. 50
b) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, sie verfolge mit ihrem Antrag gerade keinen Schadensersatzanspruch, sondern begehre, die in Art. 16 Abs. 2 Satz 3 StromhandelZVO angeordnete Verpflichtung zur Entschädigung bei künftigen Kapazitätsbeschränkungen festzustellen.
Rz. 51
Ob Art. 16 Abs. 2 Satz 3 StromhandelZVO oder die seit 1.1.2020 geltende Nachfolgeregelung des Art. 16 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung (EU) 2019/943 vom Prüfungsumfang nach § 31 Abs. 1 Satz 1 EnWG umfasst ist, kann offenbleiben. Jedenfalls ergibt sich - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - weder aus Art. 16 Abs. 2 Satz 3 StromhandelZVO noch aus Art. 16 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung (EU) 2019/943 ein Anspruch der Antragstellerin, für die Beschränkung der Kapazität des Baltic Cable entschädigt zu werden. Wie bereits oben dargelegt, ist die Antragstellerin zum einen keine Marktteilnehmerin im Sinne dieser Norm, zum anderen richtet sich der Anspruch aus Art. 16 Abs. 2 Satz 3 StromhandelZVO (oder Art. 16 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung [EU] 2019/943) gegen den Übertragungsnetzbetreiber, der zugleich eine Verbindungsleitung betreibt, also nicht gegen die Antragsgegnerin.
Rz. 52
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 14280721 |
WM 2021, 142 |
JZ 2021, 114 |
RdE 2021, 141 |
ZNER 2021, 70 |
IR 2021, 60 |