Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines Notarvertreters
Verfahrensgang
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 13. März 2002 aufgehoben.
Es wird festgestellt, daß der Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Bremen vom 10. Dezember 2001 rechtswidrig gewesen ist.
Der Antragsgegner hat die dem Antragsteller entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten; Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist Anwaltsnotar in Bremerhaven. Er beantragte am 7. Dezember 2001, den Rechtsanwalt M. zu seinem nicht ständigen Vertreter zu bestellen. Rechtsanwalt M. ist seit dem 12. August 1999 bei dem Amtsgericht L. (Oberlandesgerichtsbezirk C.) als Rechtsanwalt zugelassen; vom 12. August 1999 bis zum 16. Juni 2000 war er zugleich bei dem Amtsgericht B. (Oberlandesgerichtsbezirk B.) zugelassen. Er vertrat den Antragsteller bereits zweimal (19. bis 24. August 1999 und 22. bis 28. Oktober 2001).
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2001 lehnte der Antragsgegner das Gesuch des Antragstellers ab. Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 der Allgemeinen Verfügung über Angelegenheiten der Notarinnen und Notare (AVNot) vom 4. Juli 2001 – 3830/6 (Amtsbl. S. 525) könnten Rechtsanwälte nur dann mit der Notarvertretung betraut werden, wenn sie mehr als 18 Monate in dem in Aussicht genommenen Amtsbezirk hauptberuflich als Rechtsanwalt tätig gewesen seien. Rechtsanwalt M. erfülle diese Voraussetzung nicht, weil er nur rund zehn Monate in dem Amtsbezirk des Antragstellers, dem Oberlandesgerichtsbezirk B., als Rechtsanwalt zugelassen gewesen sei. Eine frühere Bestellung von Rechtsanwalt M. zum Notarvertreter beruhe auf einem „Büroversehen”.
Der Antragsteller hat, nachdem die in Aussicht genommene Vertretungszeit verstrichen war, gegen den Bescheid des Antragsgegners gerichtliche Entscheidung beantragt und begehrt „festzustellen, daß Herr Rechtsanwalt M. zum Notarvertreter bestellt werden konnte und auch weiter kann”. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Feststellungsantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
1. Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist im Verfahren nach § 111 BNotO als Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 1995 – NotZ 6/93 – NJW-RR 1995, 1081, 1082 und vom 31. Juli 2000 – NotZ 12/00 – ZNotP 2000, 398, 399). Denn der Antragsteller wäre sonst in seinen Rechten beeinträchtigt, und die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG könnte andernfalls leerlaufen. Durch die begehrte Feststellung wird eine Rechtsfrage geklärt, die sich dem Antragsgegner bei künftigen Anträgen des Antragstellers auf Bestellung eines Notarvertreters stellen wird. Der Antragsteller beabsichtigt nämlich, auch in Zukunft Rechtsanwalt M. als seinen Vertreter vorzuschlagen. Wegen Zeitablaufs wird es dann wahrscheinlich wiederum nicht zu einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung kommen.
2. Der Antrag ist begründet. Der Bescheid des Antragsgegners vom 10. Dezember 2001 war ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.
a) Die Aufsichtsbehörde entscheidet über den Antrag des Notars, ihm gemäß § 39 Abs. 1 und 3 BNotO einen Vertreter zu bestellen, nach pflichtgemäßem Ermessen; der Notar hat keinen Rechtsanspruch auf Bestellung eines Vertreters. Vielmehr hat die Aufsichtsbehörde ein Entschließungsermessen, ob sie bei Verhinderung des Notars überhaupt einen Vertreter bestellt, und, worum es hier geht, ein Auswahlermessen hinsichtlich der Person des Vertreters. Bei der Entscheidung über die Auswahl des Vertreters hat sie die allgemeinen Grundsätze des Notarwesens und gemäß § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO das Vorschlagsrecht des Notars zu beachten (Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 1995 aaO und vom 31. Juli 2000 aaO).
b) Daß Rechtsanwalt M. die Befähigung zum Notaramt (vgl. § 39 Abs. 3 Satz 1 BNotO; Senatsbeschluß vom 9. Januar 1995 aaO ≪zu § 23 Abs. 2 Satz 1 DDR-NotVO≫) hatte, ist außer Streit. Die Aufsichtsbehörde sah sich durch § 10 Abs. 5 Satz 1 AVNot gehindert, Rechtsanwalt M. zum Vertreter des Antragstellers zu bestellen. Nach dieser Verwaltungsvorschrift können Personen, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, nicht aber Notarin oder Notar sind, nur dann mit einer Notarvertretung betraut werden, wenn sie mehr als 18 Monate in dem in Aussicht genommenen Amtsbezirk (§ 11 Abs. 1 BNotO) hauptberuflich als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt tätig gewesen sind. Diese Anforderung erfüllte der vom Antragsteller vorgeschlagene Rechtsanwalt M. nicht. Er war lediglich etwa zehn Monate in dem Bezirk des Oberlandesgerichts B. als Rechtsanwalt zugelassen; es ist auch nicht ersichtlich, daß er in diesem Bezirk über die Dauer der Zulassung hinaus hauptberuflich als Rechtsanwalt „tätig gewesen” (§ 10 Abs. 5 Satz 1 AVNot) wäre.
c) Die Aufsichtsbehörde hat jedoch ermessensfehlerhaft angenommen, die vorgenannte Verwaltungsvorschrift hindere sie an der Bestellung des Rechtsanwalts M. zum Vertreter des Antragstellers.
aa) Es erscheint schon fraglich, ob § 10 Abs. 5 Satz 1 AVNot, soweit dadurch für den anwaltlichen Notarvertreter ausnahmslos eine mehr als 18-monatige Rechtsanwaltstätigkeit in dem in Aussicht genommenen Amtsbezirk vorgeschrieben wird, mit höherrangigem Recht in Einklang steht, insbesondere das gesetzliche Vorschlagsrecht des zu vertretenden Notars (§ 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO) genügend berücksichtigt. Zwar liegt es im Interesse einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege, wenn der Notarvertreter den Oberlandesgerichtsbezirk, in dem er wirken soll, kennt. Das erleichtert die Zusammenarbeit mit Gerichten und Behörden sowie den Verkehr mit den Mandanten. In der Regel führt aber schon das Vorschlagsrecht des Notars dazu, daß nur solche Personen bestellt werden, die mit den Verhältnissen des Amtsbezirks bekannt sind. Denn es liegt im ureigensten Interesse des Notars, niemanden als Vertreter zu benennen, der dafür nicht geeignet ist. Er würde sonst dem Ruf seines Notariats schaden und für eine Amtspflichtverletzung des Vertreters dem Geschädigten als Gesamtschuldner haften (§ 46 Satz 1 BNotO). Der Notar ist schließlich selbst am besten in der Lage, die Qualifikation und die Leistungsfähigkeit des Vertreters zu beurteilen (vgl. Senatsbeschluß vom 31. Juli 2000 aaO).
Ob § 10 Abs. 5 Satz 1 AVNot deshalb gegen § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO verstößt und daher – im vorbeschriebenen Umfang – keine Ermessensbindung bewirkt, kann aber letztlich offenbleiben. Denn hier war jedenfalls die Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift nicht zulässig.
bb) Ermessenssteuernde Verwaltungsvorschriften wie die AVNot sind auf den „Regelfall” zugeschnitten. Weist ein Fall wesentliche Besonderheiten auf, muß die Behörde das bei ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigen und gegebenenfalls von der Richtlinie abweichend entscheiden (BVerwG NJW 1991, 650, 651; Kopp/Schenke, VwGO 12. Aufl. 2000 § 114 Rn. 10 a). So liegt der Streitfall.
Für die Eignung von Rechtsanwalt M. zum Notarvertreter sprach nicht allein, daß er vom Antragsteller vorgeschlagen worden war. Er hatte seine Eignung bereits bei den Notarvertretungen, die er – beanstandungslos – für den Antragsteller ausgeübt hatte, bewiesen. Damit hatte er bereits in der notariellen Praxis gezeigt, daß er mit den Verhältnissen des Amtsbezirks hinreichend vertraut ist. Unter diesen Umständen schufen zwar die früheren Bestellungen des Rechtsanwalts M. zum Vertreter des Antagstellers für diesen keinen Vertrauensschutz; seine erneute Bestellung zum Notarvertreter konnte aber nicht mit der Begründung abgelehnt werden, er sei nicht hinreichend lange, nämlich zehn statt 18 Monate, in dem Bezirk des Oberlandesgerichts B. als Rechtsanwalt zugelassen gewesen. Die Richtlinie des § 10 Abs. 5 Satz 1 AVNot konnte nicht Platz greifen.
Unterschriften
Rinne, Streck, Galke, Doyé, Bauer
Fundstellen
Haufe-Index 884681 |
BGHR 2003, 579 |
NJW-RR 2003, 270 |
DNotZ 2003, 226 |