Leitsatz (amtlich)
Einem Verlangen auf Nachbesserung einer Vermögensauskunft gem. § 802c ZPO fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Gläubiger Auskunft über Erstattungsforderungen für Betriebs- und Heizkosten verlangt, die der Sozialhilfeträger für einen Empfänger von Leistungen nach dem SGB II an dessen Vermieter geleistet hat. Ein solches Auskunftsbegehren ist mutwillig, weil diese Ansprüche nicht der Pfändung unterliegen.
Normenkette
ZPO §§ 802c, 850c, 850 f; SGB I § 54 Abs. 3 Nr. 2a, Abs. 4; SGB II § 22 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
LG Leipzig (Beschluss vom 17.07.2015; Aktenzeichen 5 T 428/14) |
AG Leipzig (Entscheidung vom 22.05.2014; Aktenzeichen 435 M 5671/14) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Leipzig vom 17.7.2015 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
I. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner aus einem Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung.
Rz. 2
Der Schuldner gab am 5.12.2013 die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO ab. Dabei gab er auf die Frage Nr. 10 nach monatlichen Einkünften an, Arbeitslosengeld II und Leistungen für Unterkunft und Heizung vom Jobcenter bei der ARGE Leipzig zu beziehen, und nannte hierzu ein Aktenzeichen. Auf die Frage Nr. 17 nach Ansprüchen aus Pacht-, Miet- und Leasingverträgen erklärte der Schuldner, dass solche Ansprüche nicht bestünden, die Mietkaution vom Jobcenter als Bürgschaft erbracht worden sei, ein Kautionsrückforderungsanspruch nicht bestehe und eventuelle Betriebskostenrückerstattungen an das Jobcenter zurückgingen. Die ebenfalls unter Nr. 17 gestellte Frage "Wurde die Zahlung der Nebenkosten durch einen Dritten als Darlehen geleistet?" verneinte der Schuldner. Angaben zum Vermieter machte der Schuldner nicht.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 13.2.2014 beantragte die Gläubigerin beim Gerichtsvollzieher erfolglos die Nachbesserung der Vermögensauskunft, um den Schuldner nach Name und Anschrift des Vermieters zu fragen. Die gegen die Ablehnung des Gerichtsvollziehers gerichtete Erinnerung wies das AG zurück. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Nachbesserungsantrag weiter.
Rz. 4
II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Gläubigerin könne eine Nachbesserung der Vermögensauskunft nicht verlangen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Rückerstattung nicht verbrauchter Nebenkostenvorauszahlungen eines Beziehers von Leistungen nach dem SGB II sei analog § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I unpfändbar. Das Nachbesserungsverlangen der Gläubigerin sei daher mutwillig oder schikanös.
Rz. 5
III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch ansonsten zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Beschwerdegericht entschieden, dass die Gläubigerin nicht verlangen kann, dass der Gerichtsvollzieher einen Termin zur Nachbesserung der Vermögensauskunft bestimmt und den Schuldner auffordert, unter Nr. 17 des Vermögensverzeichnisses den Namen und die Anschrift des Vermieters zu benennen.
Rz. 6
1. Für die Frage, ob für ein Verlangen auf Nachbesserung der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO in der seit dem 1.1.2013 geltenden Fassung ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, gelten die schon für die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO a.F. anerkannten Maßstäbe fort.
Rz. 7
Der Gläubiger kann danach die Nachbesserung einer Vermögensauskunft verlangen, wenn der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 4.10.2007 - I ZB 11/07, NJW-RR 2008, 1163 Rz. 8; Beschl. v. 20.11.2008 - I ZB 20/06, WM 2009, 1431 Rz. 13; Beschl. v. 3.2.2011 - I ZB 50/10, NJW-RR 2011, 667 Rz. 7; Beschl. v. 12.1.2012 - I ZB 2/11, MDR 2012, 606 Rz. 20, jeweils noch zu § 807 ZPO a.F.; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 802d Rz. 13). Dazu muss aus dem Vermögensverzeichnis selbst ersichtlich sein, dass die Angaben unvollständig, ungenau oder widersprüchlich sind, oder der Gläubiger muss glaubhaft machen, dass der Schuldner im Vermögensverzeichnis versehentlich unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat (vgl. BGH NJW-RR 2011, 667 Rz. 8 f.; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 802d Rz. 16).
Rz. 8
Für Maßnahmen im Verfahren der Vermögensauskunft fehlt jedoch ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers, wenn die Vermögenslosigkeit des Schuldners von vornherein feststeht und deshalb das Nachbesserungsverlangen als mutwillig oder schikanös anzusehen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - IXa ZB 14/04, NJW 2004, 2905; Beschl. v. 20.11.2008 - I ZB 20/06, WM 2009, 1431 Rz. 8). Hiervon ist nicht schon auszugehen, wenn sich das Nachbesserungsverlangen auf eine Forderung bezieht, deren Pfändbarkeit ungewiss ist. Die Pflicht zur Vermögensoffenbarung erfasst nach ihrem Zweck nicht nur Forderungen, deren Pfändbarkeit von vornherein zweifelsfrei feststeht (BGH WM 2009, 1431 Rz. 8). In Bezug auf Sachen bestimmt § 802c Abs. 2 Satz 4 ZPO, dass die Erklärungspflicht nur solche Sachen nicht erfasst, die gem. § 811 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO der Pfändung offensichtlich nicht unterworfen sind. Danach unterliegen auch Sachen, die nach § 811 Nr. 3 ff. ZPO an sich unpfändbar sind, der Auskunftspflicht (vgl. MünchKomm/ZPO/Eickmann, 4. Aufl., § 807 Rz. 41). Für Forderungen besteht keine vergleichbare Regelung. Grundsätzlich sind also auch unpfändbare Vermögensgegenstände anzugeben, weil die Beurteilung der Pfändbarkeit nicht Sache des Schuldners ist (vgl. Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 807 Rz. 28). Steht allerdings die Unpfändbarkeit einer Forderung von vornherein fest, so fehlt es für ein auf diese Forderung gerichtetes Nachbesserungsverlangen des Gläubigers am Rechtsschutzbedürfnis. Hiervon ist auch das Beschwerdegericht ausgegangen.
Rz. 9
2. Im Streitfall kann die Gläubigerin nach diesen Maßstäben keine Ergänzung der Vermögensauskunft verlangen. Die Rechtsbeschwerde verweist ohne Erfolg auf eine mögliche Forderung des Schuldners auf Nebenkosten (nachfolgend III 2a) oder Kautionsrückzahlung (nachfolgend III 2b).
Rz. 10
a) Das Ergänzungsverlangen ist nicht im Hinblick auf einen Anspruch des Schuldners auf Nebenkostenrückzahlung gerechtfertigt.
Rz. 11
aa) Wegen des Anspruchs auf Nebenkostenrückzahlung ist das Ergänzungsverlangen mutwillig, weil die Unpfändbarkeit eines solchen Anspruchs von vornherein feststeht.
Rz. 12
Zwar unterliegt der Anspruch auf Rückerstattung nicht verbrauchter Mietnebenkostenvorauszahlungen, die im Rahmen laufender Zahlungen nach SGB II durch den Sozialhilfeträger geleistet werden, nach der gesetzlichen Regelung in § 54 Abs. 4 SGB I grundsätzlich der Pfändung als Arbeitseinkommen nach Maßgabe der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO und der Regeln zum notwendigen Lebensunterhalt nach § 850 f Abs. 1 Buchst. a ZPO (vgl. BGH WM 2009, 1431 Rz. 10; BGH, Beschl. v. 25.10.2012 - VII ZB 31/12, MDR 2013, 57 Rz. 11). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass Betriebs- und Heizkostenerstattungen des Vermieters nicht der Pfändung gegen einen Bezieher von Leistungen nach dem SGB II unterliegen. Diese Rückzahlungen von öffentlichen Leistungen mindern nach § 22 Abs. 3 Halbs. 1 SGB II die Leistungen des Folgemonats an den Hilfeempfänger. Wäre in diesen Fällen die Pfändung zulässig, so erfolgte sie zu Lasten öffentlicher Mittel, die dem Leistungsbezieher das Existenzminimum sichern sollen. Dem Schuldner würden Mittel entzogen, die ihm der Staat aus sozialen Gründen mit Leistungen der Sozialhilfe wieder zur Verfügung stellen müsste. Dann aber ist die Zwangsvollstreckung als unzulässig anzusehen, ohne dass es auf die vom Beschwerdegericht vorgenommene analoge Anwendung des § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I ankommt (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.2013 - IX ZR 310/12, NJW 2013, 2819 Rz. 8; BSG, Urt. v. 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R, BSGE 112, 85 Rz. 19 f.). Da der Schuldner in der Vermögensauskunft angegeben hat, dass die von einem Dritten geleisteten Zahlungen auf Nebenkosten nicht als Darlehen erbracht werden, ist zudem ausgeschlossen, dass die Nebenkostenzahlungen infolge Rückführung des Darlehens als aus eigenen Mitteln des Schuldners geleistet anzusehen sind.
Rz. 13
Steht die Unpfändbarkeit der Forderung, über die Auskunft begehrt wird, damit aus Rechtsgründen fest, so besteht für das Auskunftsverlangen der Gläubigerin kein Rechtsschutzbedürfnis und es ist unbillig.
Rz. 14
bb) Das Ergänzungsverlangen ist auch nicht im Hinblick auf das Vorbringen der Rechtsbeschwerde erfolgreich, der Gläubigerin müsse durch Benennung des Vermieters die Möglichkeit gegeben werden, zukünftige aus dem Mietverhältnis entstammende Ansprüche zu pfänden, weil angesichts des Alters und Berufs des Schuldners davon auszugehen sei, dass er alsbald wieder Arbeit finden werde und dann Mietkaution und Nebenkosten aufbringen könne.
Rz. 15
Zwar erstreckt sich die Auskunftspflicht nach § 802c ZPO wegen ihres Zwecks, dem Gläubiger eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben und ihm Kenntnis von denjenigen Vermögensstücken zu verschaffen, die möglicherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen, auf künftige Forderungen, sofern der Rechtsgrund und der Drittschuldner der Forderung im Zeitpunkt der Pfändung hinreichend bestimmt sind (BGH, Beschl. v. 3.2.2011 - I ZB 2/10, NJW-RR 2011, 851 Rz. 9 f.; Beschl. v. 12.1.2012 - I ZB 2/11, MDR 2012, 606 Rz. 16, jeweils m.w.N.).
Rz. 16
Der Vortrag der Gläubigerin, wegen einer günstigen beruflichen Perspektive des Schuldners sei mit zukünftigen Erstattungsansprüchen zu rechnen, ist jedoch erstmals in der Rechtsbeschwerde erfolgt und daher nicht zu berücksichtigen (§§ 577 Abs. 2 Satz 4, 559 Abs. 1 ZPO). Dieser Vortrag beinhaltet eine Prognose, die in den tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts keine Grundlage findet. Aufgrund der Feststellungen des Beschwerdegerichts besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass dem Schuldner zukünftig Erstattungsansprüche gegen seinen Vermieter zustehen werden. Die Rechtsbeschwerde macht auch nicht geltend, dass das Beschwerdegericht entsprechenden Vortrag verfahrensfehlerhaft übergangen hat.
Rz. 17
b) Eine Ergänzung der Vermögensauskunft im Hinblick auf einen Anspruch auf Kautionsrückzahlung kommt nicht in Betracht, weil die erteilte Auskunft insoweit weder unvollständig noch ungenau oder widersprüchlich ist. Der Schuldner hat in der Vermögensauskunft angegeben, dass anstelle einer Mietkaution das Jobcenter eine Bürgschaft übernommen hat und ein Rückforderungsanspruch nicht besteht. Dieser Auskunft ist klar zu entnehmen, dass dem Schuldner mangels Leistung einer Mietkaution kein Rückzahlungsanspruch zusteht.
Rz. 18
IV. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 9418572 |
NJW 2016, 10 |
JurBüro 2016, 437 |
NZM 2016, 768 |
DGVZ 2016, 155 |
DZWir 2016, 350 |
JZ 2016, 478 |
KKZ 2017, 17 |
MDR 2016, 729 |
Rpfleger 2016, 486 |
FoVo 2016, 148 |
GK/Bay 2017, 193 |
IWR 2017, 43 |
MK 2016, 122 |